Warum der A66-Ausbau in Frankfurt dem Klimaschutz dient
Gegen Baumfällungen für den Riederwaldtunnel in Frankfurt gibt es Widerstand. Verkehrsforscher Jürgen Follmann erklärt, warum der A66-Lückenschluss wichtig ist.
Frankfurt - Nächste Woche sollen rund zwei Hektar des Fechenheimer Waldes für den A66-Lückenschluss gerodet werden. Gegner kritisieren den Bau der Autobahn und des Riederwaldtunnels scharf. Einer der profiliertesten Verkehrsplaner in Rhein-Main, Professor Jürgen Follmann, Dekan im Fachbereich Bauingenieurwesen an der Hochschule Darmstadt, erklärt Sinn und Zweck des Vorhabens im Interview mit Dennis Pfeiffer-Goldmann, Redakteur der FNP für Verkehrsthemen.
Nun wird ein Teil des Fechenheimer Waldes für den A66-Lückenschluss gerodet. Ist der Autobahnbau noch nötig, Herr Follmann?
Ich sehe diesen Lückenschluss als wirklich sinnvoll an. Das ist ein wichtiges Projekt zur Ergänzung des Autobahnnetzes in der Region Frankfurt. Es geht darum, Verkehr umweltfreundlicher abzuwickeln.
Inwiefern ist Autobahn umweltfreundlich?
Für das Erreichen unserer Klimaziele ist der Lückenschluss am Riederwald ein wichtiges Rückgrat. Klimaschutz bedeutet auch, dass es weniger Stau und weniger Abgase geben muss. Wir können aber nicht auf alle Autofahrten verzichten. Deswegen ist auch ein Ausbau einer Autobahn ein sinnvolles Projekt für den Klimaschutz. Nur dadurch können wir die anderen Straßen so umgestalten, dass dort weniger Auto gefahren wird.
Ist Autobahnbau nicht anachronistisch, wie es die Gegner behaupten?
Das muss man differenziert sehen. Es gibt Autobahnabschnitte, über die man sicher diskutieren kann. Aber im Riederwald geht es um einen wichtigen Lückenschluss im Netz. Bisher fließt ja viel Verkehr von der A66 her durch und in die Stadt. Von den Folgen wie Lärm, Stau und Abgasen sind viele Anwohnerinnen und Anwohner negativ betroffen. Das Autobahnnetz ist Voraussetzung, um in der Stadt den Verkehr umwelt- und anwohnergerecht abwickeln zu können.
A66-Ausbau in Frankfurt: Lückenschluss muss Stadt entlasten
Bloß Autos und Laster anders fahren zu lassen, wirkt aber nicht sonderlich zukunftsgewandt.
Das stimmt. Der Lückenschluss muss genutzt werden, um wirklich die Stadt zu entlasten. Dafür muss auch der Verkehr auf den Stadtstraßen weniger werden.
Wie ist das möglich?
Entscheidend ist, den Lückenschluss des Autobahnnetzes rund um Frankfurt mit Mobilitätsstationen zum Umsteigen vom Auto auf den ÖPNV und vielleicht auch zur Übergabe von Gütern für die Feinverteilung zu verknüpfen. Möglich ist das zum Beispiel am Stadion, an der Raststätte Taunusblick oder am Autobahnende an der Borsigallee. Es müssen, wie vom Regionalverband geplant, weitere Radschnellwege von Hanau, Maintal und Bad Vilbel nach Frankfurt entstehen. Natürlich muss der ÖPNV ausgebaut werden, zum Beispiel die Straßenbahn nach Neu-Isenburg und Dreieich, eine Straßenbahn nach Bad Vilbel - auch wenn sie zurzeit dort nicht gewollt ist - oder die Regionaltangente Ost. Wenn alles kommt, wird verständlicher, warum der A66-Lückenschluss ein wichtiges Puzzlestück ist.
Wer muss das umsetzen?
Es würde der Autobahngesellschaft gut zu Gesicht stehen, wenn sie die Mobilitätsstationen vorantreibt. In der Stadt selbst ist aber die Stadt zuständig.
Wieso können nicht bloß Rad- und Nahverkehr ausgebaut werden und den A66-Lückenschluss lässt man bleiben?
Auf dem bestehenden Straßennetz sind umweltgerechte Veränderungen nicht möglich. Der Verkehrsdruck aus der Region, der Pendler- und Güterverkehr, ist einfach zu groß, das Netz ist völlig überlastet. Wenn wir den Fernverkehr aus der Stadt heraus auf das Autobahnnetz verlagern, bekommen wir Platz auf den Stadtstraßen. Dort wird ein umfeldgerechter Rückbau für alle Verkehrsteilnehmer möglich.
Seit Jahren hört man vorwiegend laute Kritik am Projekt Riederwaldtunnel. Müsste die Politik nicht darauf reagieren und den A66-Ausbau stoppen?
Bei fast allen Infrastrukturprojekten melden sich meist nur Gegner laut zu Wort. Die Befürworter sind oft die große schweigende Mehrheit. Letztlich drückt sich dies dann in Ergebnissen wie bei der Kommunalwahl aus. Das Projekt Riederwaldtunnel ist mehr als 40 Jahre alt, hat viele Veränderungen und Verbesserungen durchlaufen. Zuletzt gab es noch erhebliche Nachbesserungen beim Lärmschutz. Nun haben wir ein Projekt, das sich nach einem umfassenden Abwägungsprozess positiv für die Menschen und für die Stadt darstellt. Der Ausgleich für die Umwelt wurde intensiv geprüft. Seit 2019 besteht Baurecht. Nun sollte die Politik auch zu diesem Projekt stehen.
Prognosen des Bundes gehen davon aus, dass nach dem A66-Lückenschluss auf einigen Straßen sogar mehr Verkehr rollen wird wie in der Friedberger Landstraße.
Das muss die Stadt mit begleitenden Maßnahmen verhindern. Wenn wir unsere Klimaziele ernst nehmen, muss sich Mobilität verändern und weit mehr Fahrten müssen auf öffentliche Verkehrsmittel und das Fahrrad verlagert werden. 25 Prozent der Pkw-Fahrten sind heute kürzer als zwei Kilometer, 50 Prozent kürzer als fünf und 70 Prozent kürzer als zehn Kilometer. Mit einem besseren Angebot für Radfahrer und im Nahverkehr lassen sich viele kurze Autofahrten einsparen. Besonders im Frankfurter Osten und im östlichen Umland ist da noch viel zu tun.
Frankfurt: Radverkehr, ÖPNV und Fußverkehr müssen in den Vordergrund
Wenn so viel Verkehr verlagert wird, wofür braucht es dann auf lange Sicht noch die Autobahn?
Ohne den Lückenschluss sind für die Stadtverkehre im Osten von Frankfurt keine Verbesserungen möglich. Politisches Ziel muss es aber für weitere Autobahnergänzungen sein, die Prognose für die künftige Verkehrsmenge auf den Autobahnen in Abhängigkeit von den Klimaschutzzielen hochzurechnen. In den vergangenen Jahrzehnten ist immer von einem Zuwachs des Kfz-Verkehrs ausgegangen worden. Hier muss konsequent gegengesteuert werden und es sollten jährliche Verlagerungen zum Beispiel auf den öffentlichen Verkehr einbezogen werden. Dafür muss die Infrastruktur geschaffen werden.
Die Autobahngegner im Fechenheimer Wald sind alle jung. Ist diese Auseinandersetzung auch eine Generationenfrage?
Sicherlich. Das sehe ich auch an der Hochschule. Die jungen Studierenden bei uns stellen zu Recht die Frage: Wieso dauern die Veränderungen so lange und wieso habt ihr in der Vergangenheit nicht reagiert?
Was antworten Sie?
Als Planer wissen wir seit vielen Jahren, was anders werden sollte: dass der Radverkehr, ÖPNV und Fußverkehr in den Vordergrund müssen. Die politischen Weichenstellungen waren lange Zeit andere, obwohl wir Fachleute die Politik anders beraten haben. Inzwischen ist aber über weite gesellschaftliche Gruppen ein gemeinsamer Konsens für notwendige Veränderungen in der Mobilität vorhanden. Da die gesellschaftliche Basis die Politik wählt, geht nun auch die Politik neue Wege. Wir Fachleute dringen mit unseren Argumenten dadurch endlich besser durch.
Welche Sorgen müssen sich Menschen machen, die Auto fahren müssen oder wollen?
Da muss sich niemand Sorgen machen. Es geht darum, dass Menschen eine klimafreundliche Alternative wählen können und das Auto nicht länger die einzige oder beste Mobilitätslösung ist. Aber wer das Auto braucht, wird es auch weiterhin nutzen können.
(Interview: Dennis Pfeiffer-Goldmann)