"Dem Krebs in den Arsch treten": Frankfurter Rettungssanitäter wollen krankem Kollegen helfen

Der 21-jährige Tim braucht dringend Stammzellen. Zwei Kollegen vom Rettungsdienst wollen bei einer Aktion in Frankfurt einen passenden Spender finden.
Frankfurt – Tim (21) will Notfallsanitäter werden. Im Moment kämpft er selbst im Krankenhaus in Hannover um sein Leben. Er leidet an akuter myeloische Leukämie (AML), einem bösartigen Blutkrebs, liegt im Krankenhaus mit zwei Venenzugängen am Hals. „Ich habe auf Instagram von Tim gelesen, habe mit ihm lange telefoniert und will einfach helfen“, sagt Chris Grüne (43). Für den Notfallsanitäter vom Arbeiter Samariter Bund (ASB), der unter @notruf.frankfurt fast 30.000 Follower auf Instagram hat, ist das selbstverständlich.
„Die passende Stammzelle kann sein Leben retten“, sagt er und sucht. Gemeinsam mit seinem Kollegen Ahmad Fraz (26), der im dritten Lehrjahr eine Ausbildung zum Notfall-Sanitäter macht, und Rettungssanitäter Marcel Wilhelm, der schon als Influencer gilt mit seinen 113 000 Instagram-Followern, macht er am Samstag (23. Juli) von 12 bis 18 Uhr eine Typisierungsaktion an der Hauptwache auf der Zeil. „Hoffentlich finden wir seinen genetischen Zwilling“, so Fraz, der sich dann auch typisieren lässt.
Stammzellen für ASB-Mitarbeiter in Frankfurt gesucht: „Es ist kaum vorstellbar, was er durchmacht“
„Es ist ganz einfach“, erklärt Grüne. „Mit Teststäbchen macht man in der linken und rechten Wange mindestens eine Minute lang am oberen Zahnfleischrand einen Abstrich. Das tut nicht weh. Man sollte nur keinesfalls 20 Minuten vorher etwas essen.“ Auch die Entnahme von Stammzellen - wenn der passende genetische Zwilling von Tim gefunden wird - wird nicht mehr am Becken gemacht, sondern sie werden aus Blut über die Armvene entnommen. „Eigentlich ist Leben retten ganz einfach“, sagt der freundliche Notfallsanitäter, der seit 13 Jahren in Frankfurt beim ASB im Rettungswagen sitzt. Er ist generell hilfsbereit. Vor kurzem war er zehn Tage lang in der Ukraine, hat Lebensmittel, Medikamente und Verbandszeug hingebracht und eine fünfköpfige Familie nach Frankfurt gebracht und untergebracht.
„Tim kann geholfen werden“, ist Grüne sicher und erzählt von einer Kollegin aus Frankfurt, die Krebs überstanden hat. „Sie hat gesagt: ,Ich trete dem Krebs in den Arsch und werde wieder gesund‘. Sie hat es geschafft und arbeitet jetzt beim Rettungsdienst in München. Tim soll es auch schaffen. Er ist ein toller Typ und genau solche Leute brauchen wir jede Menge.“ Fraz nickt zustimmend. „Er ist jünger als ich. Es ist kaum vorstellbar, was er durchmacht, und mit der richtigen Stammzellenspende kommt er wieder auf die Beine.“
„Ehrensache“: Rettungssanitäter in Frankfurt wollen krankem Kollegen helfen
Die beiden arbeiten gern zusammen. „Es ist wichtig, dass man sich gut versteht. Wir sitzen immerhin zwölf Stunden zusammen auf engstem Raum und wissen nie, was uns erwartet, wenn wir gerufen werden.“ Allein von Dienstag früh bis Mittwochmorgen gab es wegen der Hitze in Frankfurt 800 Einsätze von Rettungswagen und Feuerwehr. „Die Leute trinken einfach zu wenig. Manchmal endet das lebensbedrohlich“, wissen sie und blättern in ihren Kladden, auf denen Einsätze verzeichnet sind.
An „normalen“ Tagen rücken Rettungswagen und Feuerwehr zwischen 300 und 380 Mal in Frankfurt aus. „Das ist anstrengend, aber schön, wenn wir helfen können“, so die beiden Männer, die von sich sagen, dass sie sich blind aufeinander verlassen können und zwischendurch in wenigen Pausen auch mal rumalbern. „Eine Zeitlang sind wir immer zusammengefahren, jetzt ist Ahmad in der Ausbildung, die Freundschaft ist geblieben.“ Dass sie nicht nur denen helfen, die in Frankfurt einen Rettungswagen brauchen, sondern auch Kollegen, sei „Ehrensache“.
Stammzellensuche für zukünftigen Rettungssanitäter: „Hauptsache, Tim wird wieder gesund.“
Darum haben sie sich bei der Stadt die Genehmigung für die Typisierungsaktion auf der Hauptwache geholt. „In Hannover haben Kollegen schon das Gleiche gemacht und etwa 1000 Leute haben mitgemacht. Je mehr kommen, desto größer ist die Chance, den richtigen Spender zu finden.“ Dass sie den Krankentransportwagen nicht auf die Hauptwache fahren dürfen, sondern schieben müssen, weil das motorisierte Befahren ihnen von der Stadt nicht erlaubt wird, stecken Grüne und Fraz mit Achselzucken weg. „Hauptsache, Tim wird wieder gesund.“
Die Typisierungsaktion ist am Samstag, 23. Juli, von 12 bis 18 Uhr auf der Hauptwache. Wer sich bereits bei anderen Organisationen für die Deutsche-Knochenmark-Spende-Kartei hat typisieren lassen, muss nicht noch einmal kommen, da alle möglichen Spender mit einfließen. Typisierungen sind für alle zwischen 17 und 55 Jahren möglich. (Sabine Schramek)
Einen Erfolg bei der Suche nach Stammzellen hat es erst vor Kurzem gegeben: Ein Rettungssanitäter aus Friedberg konnte mit seinem Blut Leben retten.