Dem Teddy auf den Zahn gefühlt

400 mutige Kinder und Kuscheltiere zu Besuch im Carolinum.
Seit 2012 laden Zahnmedizin-Studenten der Goethe-Universität einmal im Jahr Vorschulkinder dazu ein, als Kuscheltier-Eltern angstfrei zum Zahnarzt zu gehen und selbst kleine Dentisten zu werden. Gestern haben sich 75 Krokodocs im achten Semester ehrenamtlich um 400 Kinder und ihre Teddys gekümmert.
Johannas Löwe heißt „Löwe“, Ranias weiße Katze mit rosa Schleife „Alessia“. Die beiden fünfjährigen Mädchen besuchen normalerweise die Kita der Dornbuschgemeinde, aber jetzt drücken sie ihre flauschigen Beschützer ganz fest an sich. Riesig ist der Raum, in dem es nach Zahnarzt riecht und aussieht wie in einer riesigen Zahnarztpraxis. Es ist das Simulationslabor im Carolinum, in dem angehende Zahnärzte an Dummies unter realen Bedingungen üben, aber keine Menschen behandelt werden.
Ohne Handschuhe geht nichts
Überall sind junge Leute in weißen Hosen und blauen Kitteln. Sie wissen, dass die Kids gleich ganz besondere Erlebnisse beim Zahnarzt haben werden. Zu Johanna, Löwe, Rania und Alessia gesellt sich Jan Engering (22), der im achten Semester Zahnmedizin studiert und die Kuscheltiereltern besorgt fragt, ob die Katze oder der Löwe schon einmal Aua in den Zähnen hatte. Die Katze nicht, wohl aber der Löwe, bekommt der Krokodoc zu hören, der mit ihnen auf einem ganz niedrigen Drehhocker an einem Behandlungsplatz ohne Zahnarztstuhl sitzt.
Ohne Gummihandschuhe geht natürlich nichts beim Blick ins Maul und gemeinsam mit Rania und Johanna bläst er für sie Handschuhe auf, bis sie wie gefüllte Euter aussehen, die Kleinen kichern fasziniert. Brav strecken die Mädchen die Hände hin, um sich die Handschuhe anziehen zu lassen. An einem Unterkiefermodell zeigen sie, wie sie ihre Zähne putzen mit neuen lila Zahnbürsten, die Engering aus der Tasche zaubert. Und er zeigt ihnen die kleine Düse, die nicht nur Wasser spritzen kann, sondern auch Luft. Die beiden staunen und halten in einer Hand die Kuscheltiere, in der anderen einen weißen Plastikbecher und wollen Wasser reinspritzen. Geht nicht mit Katze und Löwe, also kommen sie auf den Schoß. Wasser sprudelt und sie staunen. „Und kennt ihr auch den Elefantenrüssel?“, fragt Engering. Kopfschütteln. „Der kann Wasser aufsaugen“, verrät der Student, der in vier Stunden bereits acht Kinder durch die Zahnarztwelt geführt hat. Er zieht den Absauger am Schlauch heraus, drückt ihn Rania in die Hand und sie kann gar nicht fassen, dass das Wasser im Becher verschwindet. „Ich will Wasser“, fordert sie und nimmt das andere Gerät, um wieder einzufüllen. Die Mädchen haben Spaß. Auch am Röntgengerät, in das sie Löwe und Alessia setzen - ein Pappkarton mit Alufolie, grünen und roten Knöpfen und einem Fach für Ausdrucke.
Der Löwe hat tatsächlich „Aua“ - ein Backenzahn hat Karies. Schnell geht es weiter an den nächsten Tisch. Wieder ein Unterkiefer, nur viel größer mit einzelnen Zähnen aus Knete. Mit kleinen Zangen ziehen die Mädchen je einen Zahn heraus, kratzen vorsichtig das Schwarze ab und füllen die Stellen mit gelber und grüner Knete. Die Zähne wieder ins Modell und fertig sind die behandelten Zähne. Die Kuscheltiere liegen längst daneben auf dem Tisch. Viel zu spannend ist es, wie ein richtiger Zahnarzt zu arbeiten. Johanna guckt Löwe kurz mit großen Augen an, bevor sie den Zahn zieht. Er verzieht keine Miene. Die Mädchen lachen.
Auf dem Zahnarztstuhl dürfen sie hoch- und runterfahren. Rania will immer wieder Wasser aus dem Becken. Alessia ist egal. Wasser nicht. Löwe sitzt stolz auf dem Arm, der Stuhl fährt auf und ab, nach hinten und nach vorne. „Wie im Karussell“, findet Johanna. Jede Angst ist verflogen, Engerling ein Freund geworden.
„Das ist es, was wir erreichen wollen“, sagt Stefanie Görl, Oberärztin für zahnärztliche Prothetik am Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde im Carolinum. „Die Kinder sollen den Zahnarztbesuch als normal empfinden und die Studenten, die im neunten Semester Kinder behandeln, den Umgang mit ihnen lernen. Eine Win-Win-Situation für alle“, sagt sie lachend und guckt auf das Gewusel. Im Carolinum werden Studenten ab dem vierten Semester praktisch und wissenschaftlich ausgebildet. Professionelle Zahnärzte für alle Spezialgebiete behandeln in anderen Räumen gemeinsam mit Studenten Menschen mit Zahnproblemen aller Art. Die 24-Stunden-Notfallpraxis im Carolinum wurde aus Budget-Gründen geschlossen. Die Praxis ist offen für jedermann. Sabine Schramek