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Demo in zwölf Metern Höhe

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Von: Sandra Kathe

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Die Luftballons sollen die Höhe der geplanten Gebäude symbolisieren. Für die Mitglieder der Bürgerinitiative sind diese eindeutig zu hoch.
Die Luftballons sollen die Höhe der geplanten Gebäude symbolisieren. Für die Mitglieder der Bürgerinitiative sind diese eindeutig zu hoch. © Leonhard-Hamerski

Das geplante Baugebiet „Am Eschbachtal“ erregt seit Jahrzehnten die Gemüter. Die Stadt hat das Gebiet zwischen der östlichen Bebauungsgrenze von Bonames als Neubaugebiet auserkoren, die Anwohner protestieren gegen den drohenden Zuzug, weil dadurch Verkehr, Umwelt und Sozialleben im Stadtteil bedroht erscheinen. Eine Bürgerinitiative traf sich am Wochenende zum kreativen Protest.

Es war 1983, als Sängerin Nena mit ihren „99 Luftballons“ internationale Berühmtheit erlangte. Was heute fast nur noch als Partyschlager bekannt ist, war für den Liedtexter Carlo Karges ein Protest gegen den Kalten Krieg, eine Hymne für Freiheit und Einigkeit zwischen den verfeindeten Blöcken in Ost und West. Aus der Mode gekommen sind Luftballons als Protestmaterial offensichtlich auch über 30 Jahre später nicht.

Das aktuellste Beispiel dafür aus dem Frankfurter Norden ist eine Aktion der Bürgerinitiative (BI) „L(i)ebenswertes Bonames“, wo am frühen Sonntagnachmittag sogar drei Mal so viele Ballons in die Luft stiegen, um das Ausmaß das geplanten Neubaugebiets „Am Eschbachtal“ plastisch zu demonstrieren. Wenn es nach den Planern der Stadt geht, soll hier eine bis zu vierstöckige Wohnbebauung mit über 1500 Wohnungen sowie zwei Schulen umgesetzt werden.

Grenzen aufzeigen

„Inspiriert hat uns dabei weniger Nena, sondern eher die lange Zeit, die sich einige Bonameser bereits mit den Planungen des Baugebiets beschäftigen“, sagt BI-Sprecher Peter König, der den halben Vormittag schon damit beschäftigt ist rote und weiße Ballons mit Helium zu füllen und die gemeinsam mit rund 30 Mitstreitern rund um die Felder hinter der Siedlung zwischen Bonames und Nieder-Eschbach zu verteilen. „Wir wollen im Gegensatz zu dem Lied aus den 1980ern nämlich keine Grenzen einreißen, sondern genau die aufzeigen.“

„Die Diskussion um das Baugebiet hat bereits eine lange Geschichte“, erinnert sich der Siedlungsvereinigungsvorsitzende Christoph Schmidt-Lunau, der als langjähriger Anwohner einen Großteil davon hautnah miterlebt hat: „Schon in den 1990er Jahren, noch unter dem Planungsdezernenten Martin Wentz (SPD), hat es den Vorstoß gegeben, hier ein Neubaugebiet zu schaffen. Noch unter der Mithilfe des damaligen Stadtverordneten und heutigem Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) hatte die Stadtverordnetenversammlung 1998 eine Kompromisslösung mit höchstens 1360 Wohnungen verabschiedet.“ Wie es dann weiterging, kann nicht nur Schmidt-Lunau nicht nachvollziehen: „Olaf Cunitz ist mit seinen Vorschlägen wieder und wieder übers Ziel hinausgeschossen: Über 5000 neue Bonameser würden laut seiner Planung hier einziehen, fast so viele wie derzeit in Alt-Bonames wohnen“, so Margitta Köhler-Knacker von der BI, die ein Verkehrschaos voraussieht.

Dass die „Bauwut“ der städtischen Politiker eben Grenzen haben sollte, darüber sind sich die Aktiven der BI einig. Wie genau diese aussehen sollten, darüber herrschen auch hier mehrere Meinungen. Köhler-Knacker etwa hätte es am liebsten, wenn weder Wohnungen noch Schulen entstünden und das fruchtbare Ackergelände sowie die Biotope für Vögel und Amphibien komplett in Ruhe gelassen würden: „Da geht es ja auch um ganz aktuelle Entwicklungen wie die Überschwemmungen der vergangenen Wochen. Die haben ja noch mal bewiesen, was zu viele versiegelte Flächen mit der Natur anstellen können“, ist sie sich sicher. Und Flächen dieser Art seien sei den Ursprungsplanungen des Gebiets bereits genügend hinzugekommen: „Das Gewerbegebiet Am Martinszehnten, das Ikea-Hornbach-Areal und der Riedberg, um nur einige Beispiele zu nennen.“

Kompromiss finden

Schmidt-Lunau hingegen besteht darauf, dass die Kompromisslösung von 1998 die Obergrenze für die Schaffung neuer Wohnungen sein sollte. „Dafür hat sich auch die SPD immer wieder eingesetzt“. Er hofft nun auf die richtige Entscheidung des designierten Planungsdezernenten Mike Josef (SPD), einer von vielen, der mit der kreativen Protestaktion angesprochen werden sollte.

Was er und auch Mitstreiter wie Peter König hingegen begrüßen, ist die Idee, mit dem Wohngebiet auch ein Gymnasium sowie eine Grundschule an den Standort zu bringen: „Das wäre in der Tat eine positive Entwicklung, die ja bei der derzeitigen Situation im Frankfurter Norden auch notwendig ist. Da heißt es jetzt aber einen Weg zu finden, mit dem alle leben können.“

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