Der 50. Krankenwagen für das Kriegsgebiet

Rollende Hilfe für die Ukraine
Frankfurt. Seit 479 Tagen tobt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Im Frühjahr 2014 hat Russland die Krim annektiert. Bereits damals hat sich der Verein Oboz gegründet, um den Menschen vor Ort zu helfen. Jetzt haben sie den 50. Rettungswagen gekauft und ins Kriegsgebiet gebracht.
Hanza II kommt von der Waterkant
Hanza II hat 11 500 Euro gekostet, 180 000 Kilometer auf dem Tacho, kommt aus Hamburg und wurde kostenlos vom Verkäufer nach Frankfurt gebracht. „Hanza“ heißt auf Deutsch Hanse. Der Wagen wurde so getauft, weil es der zweite ist, der aus der Hansestadt kommt.
Zwei goldene Luftballons, die die Zahl „50“ zeigen, wehen vor dem gelb überlackierten ehemaligen Rettungswagen. Ina Oleynik (50), die Vorsitzende des Vereins „Oboz - Humanitäre Hilfe für die Ukraine“ und ihr Mann Artem (50) können es selbst kaum glauben, dass Hanza II bereits der 50. Krankenwagen ist, den der Verein gekauft hat, damit er Ärzten in der Ukraine hilft.
Der ITler und seine Frau haben zwei Kinder und leben seit 2001 in Deutschland. Erst in Berlin, dann in Frankfurt. „Es ist schrecklich, dass es so dringend nötig ist und schön, dass wir helfen können“, sagt Oleynik bescheiden. Die Feier am Deutschherrenufer ist klein. Die beiden Luftballons und ein Glas Sekt genügen, um sich zu freuen. „Wir haben es eilig, müssen noch Geräte laden und dann geht es los in die Ukraine“, sagt die dynamische Frau.
Das Geld für die dringend benötigten Krankenwagen sammeln sie durch Spenden. Die Wagen finden sie im Netz, sie verhandeln, machen Probefahrten, prüfen und reparieren, was zu reparieren ist. Sie haben direkten Kontakt zu Ärzten und Krankenhäusern in der Ukraine, finden erfahrene und ortskundige Fahrer, die die Wagen ins Kriegsgebiet genau dorthin bringen, wo sie gebraucht werden. Vor Ort gibt es Fotos von der Übergabe.
Der harte Kern des Vereins besteht aus zehn bis zwölf Personen, mehr als 4200 Leute weltweit folgen ihnen auf Facebook, geben Tipps und helfen, wenn es geht. Oleynik hat den Oboz 2014 gegründet, als die Maidan-Demonstrationen blutig niedergeschlagen wurden und Russland die Krim annektierte. 12 Krankenwagen haben sie bis Kriegsbeginn im Februar 2022 gekauft. „Seit dem letzten Jahr 38“, sagt sie. „Vor dem Krieg gab es ausrangierte Krankenwagen für 5000 bis 7000 Euro. Jetzt kosten sie meist das Doppelte bis Dreifache. Die Wagen in Deutschland sind in gutem Zustand. Darum kaufen wir sie hier.“
Ohne Spenden geht gar nichts
„Der Name Oboz des Vereins bedeutet Güterzug in der Geschichte der Ukraine. Sie haben einst Salz vom Meer geholt und transportiert, erklärt ihr Mann. „Wir transportieren Hilfe.“ Ohne Spende wäre das nicht möglich. Allein das Schauspiel Frankfurt hat Oboz vor einem Jahr 40 000 Euro gespendet, die es innerhalb von einem Monat gesammelt hat. Der Verein ist auf dem Museumsuferfest, organisiert Veranstaltungen mit ukrainischer Folklore oder Grill-Events, um Spenden zu generieren.
Unzählige Krankenhäuser wurden seit Beginn des russischen Angriffskrieges ganz oder teilweise zerstört. Die Krankenwagen dienen als mobile Arztpraxen. Artem Mihaylenko (50) lebt seit 20 Jahren in Frankfurt. Er war Arzt und leitet einen ambulanten Pflegedienst. Er hat bereits 12 Wagen in die Ukraine gefahren. „Ein Freund von mir leitet eine Augenklinik in Kharkiv. Er hat in einem 16-stöckigen Haus gewohnt. Als er vom Dienst kam, hatte sein Haus nur noch zehn Stockwerke. Eine Bombe hat das Wohnhaus getroffen. Seither wohnt er im Keller der Klinik“, erzählt er und davon, wie gefährlich die Transporte sein können. „Man weiß nie, was von oben kommt.“
Im Umkreis von 80 Kilometern von der Grenze habe er unendlich viel Artilleriefeuer gehört, in anderen ländlichen Regionen seien es schwere Geschütze und Drohnen, die Angst machen. Dennoch ist er dabei und hilft. Dieses Mal fährt Michael. Aber vorher wird im Lager von Frankfurt for Ukraine noch eingeladen. Hanza II wird als fahrende Gynäkologie-Praxis in der Gegend vom Kiew eingesetzt. Die Ärzte brauchen alles. Der Krankenwagen ist leer außer einer Liege und einem Sitz. In der Fritz-Tarnow-Straße steht alles bereit. Ein gynäkologischer Stuhl, Zentrifugen, Mikroskop, Sondernahrung, ein Dental-Röntgengerät und ein EKG. Jumas Medoff und das Team von Frankfurt for Ukraine packt mit an. Der Wagen ist voll beladen und fährt los nach Kiew. SABINE SCHRAMEK