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Der Absturz und andere Anekdoten
Peter Feldmanns Autobiographie: Sprunghaft, unchronologisch, nicht selten unlogisch
- VonSylvia Amanda Menzdorfschließen
Der ehemalige Oberbürgermeister von Frankfurt hat vor kurzem seine Autobiographie veröffentlicht. Das Büchlein kratzt allenfalls an der Oberfläche seines Lebens.
Frankfurt – Im Dezember, noch bevor das Gericht das Urteil im Korruptionsprozess gefällt hatte, hat Peter Feldmann seine Autobiographie vorgelegt. Titel: Peter Feldmann. Sozi. Jude. Oberbürgermeister, erschienen im Frankfurter Nomen-Verlag (wir berichteten). Der Autor hat sich nicht weniger vorgenommen, als seine Leserschaft an prägenden Erinnerungen aus fast 50 seiner inzwischen 64 Lebensjahre inklusive zehn Jahren als Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt teilhaben zu lassen. Herausgekommen ist ein dürres Opus, ein 128 Seiten umfassendes Büchlein in großer Komfort-Schrift. Und unterscheidet sich doch sehr von dem, was Leser von Autobiographien für gewöhnlich erwartet.
Wenn Personen des öffentlichen Lebens am Ende ihres Mandats ihre Erinnerungen aufschreiben, liegt der Wert für Leser vor allem darin, der Nachzeichnung eines Lebensweges, der Darstellung dessen wichtiger Wegmarken teilhaftig zu werden. Er liegt in der niedergeschriebenen Offenbarung von Überzeugungen, Zweifeln, Irrtümern, Hintergründen und natürlich auch in der Schilderung von Begegnungen mit Persönlichkeiten der Zeitgeschichte und deren Einfluss auf den Schreibenden, die Schreibende. Das obligatorische Personenregister ist deshalb, mehr noch als das Inhaltsverzeichnis, aufschlussreich dafür, was in etwa den Leser erwartet und was er erwarten darf. Ein solches sucht man in Feldmanns Werk freilich vergeblich.
Peter Feldmanns Autobiographie: „Der Junge muss nach Israel, weg von Frankfurt.“
Peter Feldmann beginnt seine Erinnerungsniederschrift mit einer Szene im heimischen Wohnzimmer. Er ist 15 Jahre alt, sein Vater empfängt einen dem Jungen unbekannten Gast. Auf dieser ersten Buchseite kondensiert sich das ganze Dilemma des Werkes: Es beginnt mit einem Verbal-Stakkato, das sich abwechselt mit sperrigen Schachtelsätzen. Wir lesen, dass Feldmanns Vater und sein Gast sich „im schwedischen Exil“ kennenlernten, und der dem Teenager Fremde erklärte: „Der Junge muss nach Israel, weg von Frankfurt.“
Dass Peter Feldmann als dieser 15-Jährige bereits seit sechs Jahren Mitglied der Sozialistischen Jugend Deutschlands - Die Falken war und durch welche Überlegungen, Einflüsse oder Personen der Neunjährige zu dieser Mitgliedschaft kam, erwähnt Feldmann nicht. Selbst in dem Kapitel, das er mit „Arbeiterwohlfahrt“ überschrieben hat und in dem er sein Verhältnis zum skandalumwitterten früheren Awo-Chef Jürgen Richter anreißt, ist nur nebulös die Rede von „linken, sozialdemokratischen Pfaden“, auf denen Feldmann unterwegs gewesen sein will. Anders als Richter: „Jürgen mochte es etwas linker und hing kommunistischen Ideen nach“, schreibt Feldmann offenbar im Bemühen, größtmögliche Distanz zwischen sich und Richter zu legen.
Autobiographie von Peter Feldmann: Sprunghaft, unchronologisch, nicht selten unlogisch
Feldmann mäandert in seinen Aufzeichnungen zwischen sozialromantischen Schilderungen seines längeren Aufenthaltes in Israel und dem Leben dort in einem Kibbuz, verwebt Gehörtes aus der Kindheit mit Erlebtem. Das alles sprunghaft, unchronologisch, nicht selten unlogisch.
Dass Feldmann seine Konfession auf den Titel seines Buches gehoben und gleich zwei der insgesamt elf Kapitel, allesamt übrigens überaus kurz gehalten, dem Jüdisch-Sein gewidmet hat, überrascht, zumal er als Oberbürgermeister sein Bekenntnis zum Judentum nur insofern thematisiert hatte, als dass er sich mitunter als „erster jüdischer Oberbürgermeister Frankfurts seit Ludwig Landmann“ apostrophierte. Der geneigte Leser könnte nun meinen, dass Feldmann in seinen Lebensschilderungen mehr zu bieten weiß als diesen simplen Vergleich. Hat er nicht. Kapitel 5 „Ein jüdisches Leben“ erzählt vom Gartenbaukünstler Bob in Israel, der „schon Ende 1970-er Jahre einen Computer besaß, mit dem er den Einsatz von Wasser und Dünger berechnete.“ Wessen jüdisches Leben Feldmann zu beschreiben beabsichtigte, bleibt unklar.
Das Kapitel erzählt weiter von seiner Rückkehr nach Deutschland, von der Aufnahme eines Hochschulstudiums, von seinen Eltern, die er als „tüchtig und fleißig und aufstiegsorientiert“ etikettiert. Um schließlich zu der Frage zu gelangen: „Aber was ist schon typisch jüdisch?“
Einen „kleinen Hau“ weg
Ob das, was sich anschließt, die Antwort darauf sein soll, bleibt rätselhaft, wie der Befund an sich es ist. Feldmann schreibt: „Das Selbstverständnis darüber hat sich mit der Einmaligkeit der Shoa verändert. Um es platt zu sagen: Wir haben fast alle einen ’Kleinen Hau‘ weg.“ Ende des Zitats. Es ist wieder so eine Stelle, wo man das Büchlein betreten weglegen möchte.
Machen wir es kurz: Es wird nicht besser. In den folgenden Kapiteln wärmt Feldmann sein Wahlprogramm auf und schwärmt von den Vorzügen des Haustürwahlkampfes. Er kritisiert, dass in Zeitungen stets ein Foto mit ihm und seiner jungen Gattin gezeigt wurde, wenn es um den Awo-Skandal ging. Er arbeitet sich am Hessischen Rundfunk ab und an dieser Zeitung. Es ist ein Aufzählen und Abrechnen, auch mit der Staatsanwaltschaft. Es ist ein Raunen, Heulen und Zähneklappern, was Feldmann im Kapitel „Der Absturz“ zum Besten gibt. Und damit lassen wir es hier bewenden.
Was Peter Feldmann als seine Autobiographie präsentiert - es sind weitgehend Belanglosigkeiten, dargeboten in sprachlicher Dürftigkeit und inhaltlicher Beliebigkeit. Kurzum: Es ist ein oberflächliches Werk. Eine zusammenhanglose, einigermaßen wahllos erscheinende Anekdotensammlung, stilistisch inkonsistent, hinsichtlich Selbstlob inkontinent. (Sylvia A. Menzdorf)
Sozi, Jude, Oberbürgermeister
Peter Feldmann, Autobiographie, Nomen-Verlag, 10 Euro.