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Der neue SPD-Vorsitzende ist ein Mann der Wirtschaft

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Aljoscha Ziller an der Schelmenburg. Als Student stritt er für Windräder und gegen die NDP. Heute, als neuer SPD-Ortsvereinsvorsitzender, will er raus aus der „Ortsbeiratsblase“. FOTO: Reinhardt
Aljoscha Ziller an der Schelmenburg. Als Student stritt er für Windräder und gegen die NDP. Heute, als neuer SPD-Ortsvereinsvorsitzender, will er raus aus der „Ortsbeiratsblase“. © Friedrich Reinhardt

Als die Banken-Welt ihren Glamour verliert, bereist Aljoscha Ziller die wirkliche Welt - und kehrt doch wieder in seine Heimat zurück.

Aljoscha Ziller war Anfang 20 und Praktikant, als die Banken-Welt für ihn ihren Glamour verlor. Die Vorstellung vom respektablen Bänker-Leben wurde zertrampelt von hunderten Polizisten, die damals, im Jahr 2012, für eine Razzia in die Deutsche Bank kamen. Die Generalstaatsanwaltschaft warf der Bank großangelegten Umsatzsteuerbetrug vor und Ziller durfte an seinem Arbeitsplatz nichts mehr anfassen. Als Praktikant hatte er mit Betrug nichts zu tun. Dennoch merkte er: „Der Vorstandsvorsitzende sprach von wertebasiertem Handeln, aber im Alltagsgeschäft, da war alles gewinnorientiert.“

„Hallo-wach-Momente“ nennt Ziller bei einem Kaffee im Bäcker Eifler an der Marktstraße solche Wendepunkte in seinem Leben. Wer ihn da sitzen sieht, könnte ahnen, dass er ein Mann der Wirtschaft ist. Wegen des Hemdkragens, der unter dem Pullover hervorragt. Oder wegen der Intonation mit der er Worte wie „Erfolg“ oder „dynamisch“ verwendet.

Für Windräder und gegen die NPD

Es ist nicht das erste Mal, dass Ziller in der Bergen-Enkheimer Stadtteilpolitik aktiv ist. Schon als Schüler trat er der SPD bei. „Nicht der Schröder-SPD“, sagt er - auch wenn Gerhard Schröder damals Bundeskanzler war -, sondern der „Ypsilanti-SPD, die gegen die Studiengebühren gekämpft hat und erneuerbare Energien voranbringen wollte“. Als 21 Jahre alter Wirtschaftsstudent der Goethe-Uni setzt er sich im Ortsbeirat für Windräder ein und gegen die NPD, die damals mit 55 Demonstranten durch Bergen-Enkheim zieht und Parolen wie „Straße frei für die deutsche Jugend“ und „Nationaler Sozialismus“ grölt. Dass er sich so früh politisch engagierte, erklärt der heute 34 Jährige mit seinem ersten „Hallo-wach-Moment“.

Allein mit deutschem Akzent in New York

Den hatte er als Schüler in Poughquag, einer Kleinstadt im amerikanischen Bundesstaat New York. Ziller stammt aus einer Beamtenfamilie, die Mutter arbeitet noch bei der Bundesbank, der Vater war bei der Post angestellt. Er schlug seinem Sohn vor, sich für ein Auslandsjahr in den USA zu bewerben. Ziller war mulmig bei dem Gedanken. „Ich war ein eher unscheinbarer Junge.“ Aber die Bewerbung war erfolgreich und so stand der 17-Jahre alte Schüler mit deutschem Akzent allein in einer Highschool und kannte niemanden. „Hier habe ich gelernt, dass ich auf Menschen zugehen kann, dass ich keine Angst haben muss.“ Ziller lernte Selbstbewusstsein - und dass er glücklich sein kann, auch wenn er nicht im vertrauten Bergen-Enkheim lebt. Heute steht in seinem Whatsapp-Profil „#citizenoftheworld“ (englisch für: Weltbürger)

An diese Erfahrung erinnerte er sich, als der Traum vom Bänker-Glamour platzte. Er zog zum Studium an der renommierten Essec Business School nach Paris in eine kleine Dachgeschosswohnung. Später nach Singapur. Ziller erzählt mit Begeisterung davon. Wegen der „Dynamik“ in dem Land. „Ich habe gesehen wie Wolkenkratzer aus dem Boden gestampft wurden. Auch nachts um drei herrschte auf den Straßen noch Leben.“ Die nächste Station war Seoul in Südkorea. Die streng hierarchische Arbeitskultur aber stieß ihn ab und zurück nach Bergen-Enkheim. Heute leitet er den Versicherungsbereich mit 20 Mitarbeitern beim Internetvergleichsportal Verivox.

Genossen sollen „Ortsbeiratsblase“ verlassen

Als der SPD-Ortsverein ihn jüngst zum Vorsitzenden wählte, rief er die Genossen auf, die „Ortsbeiratsblase“ zu verlassen. Bislang habe sich die Arbeit darauf konzentriert, möglichst viele Anträge zu stellen. „Aber auch wenn wir keinen einzigen Antrag gestellt hätten, hätten wir bei der Oberbürgermeisterwahl keine Stimme weniger bekommen.“ Die Genossen sollten eher die öffentliche Meinung zu den großen Fragen des Stadtteils mitbestimmen. Wie soll die Zukunft des Hessen-Centers aussehen? Soll Bergen-Enkheim neben der Leuchte um weitere Baugebiete erweitert werden? Wie wird verhindert, dass Infrastruktur wegbricht wie in der Triebstraße, die früher eine lebendige Einkaufsstraße gewesen sei? „Darüber müssen wir im Stadtteil diskutieren. Aber zum SPD-Sommerfest kommen seit Jahren nur die selben Leute.“

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