Der Ortsbezirk der Dauerbaustellen

Der Sechser ist der größte Ortsbeirat Frankfurtsmit den Stadtteilen Höchst, Unterliederbach, Sossenheim, Nied, Sindlingen, Zeilsheim, Griesheim, Schwanheim und Goldstein.
Eines muss sich ändern, und das dringend: die Wertschätzung, die der Magistrat den Ortsbeiräten entgegenbringt. Oder besser gesagt: die Wertschätzung, die der Magistrat den Ortsbeiräten verweigert. Zwar wird jetzt in Neujahrsempfängen wohl wieder viel herumschwadroniert, doch die Ortsbeiräte wissen: So richtig nimmt man sie im Römer nicht ernst. Eine, die das offen angesprochen hat, ist die Ortsvorsteherin des „Sechsers“, Susanne Serke. Die CDU-Frau aus Sossenheim, in Nied aufgewachsen, mag es nämlich nicht, etwas vorgemacht zu bekommen, und sie macht sich auch selbst nichts vor: „Zahlreiche Anträge des Ortsbeirats 6 sind immer noch unbeantwortet - teils seit Jahren. Tatsächlich standen 2022 bis zu standen 33 sogenannte ,unerledigte Drucksachen‘ auf der Tagesordnung, wobei die älteste nicht abgearbeitete Anregung vom 13. August 2019 datierte. Paradoxerweise zählt zu den unerledigten Drucksachen mittlerweile auch die Anregung vom 23. November 2021 mit dem Titel ,Ortsbeiräte ernst nehmen und Anregungen bzw. Anträge des Ortsbeirats 6 endlich beantworten‘. Abgesehen von der Missachtung, die das gegenüber den Ortsbeiräten darstellt, stehen hinter unseren Anregungen und Anfragen Menschen mit Sorgen und Problemen, die auf Antworten warten.“
Warten, das müssen auch die Ortsbeiräte, die als Stadtteilparlamentarier alle Ecken in ihrem Beritt kennen - besser als viele Amtsvertreter, besser als die Römerpolitiker. Viele Punkte sind seit Jahren ungeklärt und stehen 2023 wieder auf der Tagesordnung. Sei es die Zukunft des Georgshofs in Nied (die Fragen des Ortsbeirats sind seit zweieinhalb Jahren unbeantwortet), das Nachnutzungskonzept für das Kronberger Haus in Höchst (Auskunft der Stadt: „Sobald das Porzellanmuseum in den Bolongaropalast umzieht, wird eine mögliche Folgenutzung geprüft“) oder die Zukunft der Villa Meister in Sindlingen, die unlängst in einem ARD-„Tatort“ eine Rolle spielte, in der Realität aber durch Leerstand dem Verfall preisgegeben ist.
Eine „unendliche Geschichte“ ist die Sport- und Kulturhalle Unterliederbach: Bereits seit mehr als zehn Jahren setzen sich die Menschen in Unterliederbach für den Ersatz der maroden Stätte ein. 2019, vor mehr als drei Jahren, wurden neue Hoffnungen geschürt und ein Entwurf vorgestellt, wonach ein Neubau für sportliche und kulturelle Zwecke und eine Wohnnutzung beabsichtigt war. In 2020 verkündete der Planungsdezernent noch, es gehe voran. Doch seitdem: Still ruht der See.
Kleine Schritte sind zumindest beim Umbau und der Sanierung des Bolongaropalasts zu verzeichnen; es scheint mit einigen Jahren Verspätung auf die Zielgerade zu gehen: Im Frühjahr wurden dem Ortsbeirat die Planungen zum Bolongarogarten vorgestellt. So ganz nebenbei wurde den Parlamentariern damit aber auch die Information untergeschoben, dass mit einer Fertigstellung nicht vor Frühjahr 2024 zu rechnen sei. „Immerhin sind uns hier in diesem Jahr weitere böse Überraschungen erspart geblieben“, sagt die Ortsvorsteherin.
Losgegangen ist auch der Bau der Regionaltangente West (RTW), über die seit drei Jahrzehnten geredet wird. Im Mai 2022 fand der erste Spatenstich statt. Verspätung hat dagegen die Sanierung des Bahnhofs Griesheim: Der barrierefreie Umbau ist lange überfällig. Nun wurde ein neuer Zeitplan vorgestellt, und die Arbeiten sollen endlich beginnen. Geklärt ist auch die Frage, wie es mit dem Industriepark Griesheim weitergeht. Für das Frankfurter Feuerwehrmuseum, das dort in den früheren Gebäuden der Werkfeuerwehr untergekommen ist, braucht es aber noch eine Lösung. Müsste es noch einmal umziehen, stünde der Betreiberverein vor dem Aus.
Die große Frage des Jahres 2023 ist derzeit: Wer wird die Leitung der Verwaltungsstelle Höchst übernehmen? Der Posten, eine Art Kontaktvermittler zu den Ämtern, ist seit der Pensionierung Henning Brandts im Frühjahr 2022 unbesetzt. Der ehemalige Oberbürgermeister wollte den Bewerber oder die Bewerberin für die Stelle als Dezernent für den Frankfurter Westen selbst bestimmen, hatte dann aber vorwiegend anderes zu tun. „Die Verwaltungsstelle Höchst ist zuständig für die Wahrnehmung örtlicher Interessen und der Rechte aus Eingemeindungsverträgen der westlichen Stadtteile und ist für die Bürgerinnen und Bürger Anlaufstelle und Bindeglied zur Stadtverwaltung“, sagt Susanne Serke - und pocht auf zügige Neubesetzung.
Und ein weiteres drängendes Problem ist die Zukunft der Höchster Mainfähre. 2023 soll ihre urkundliche Ersterwähnung vor 400 Jahren gefeiert werden (auch wenn inzwischen ältere Urkunden entdeckt worden sind), aber Fährmann Sven Junghans kämpft seit Jahren ums Überleben. Susanne Serke: „Wir sind gespannt, wie die Stadt Frankfurt dieses Jubiläum begehen wird. Gemäß Magistrat wurden „erste Überlegungen zum Jubiläum der Fähre (...) angestellt“. Holger Vonhof