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Der Pilot und seine Kinder

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„Der Spielplatz würde unserem Vater gefallen. Er hätte bestimmt viel Spaß hier“, sagt Brad (72), Sohn des berühmten Luftbrücken-Fliegers Gail. Dessen Bild schmückt das nach ihm benannte Haupthaus im Coloradopark. Michael Paris, Leiter des Vereins Abenteuerspielplatz Riederwald, zeigt, wie Gail Schokoriegel an kleinen Fallschirmen abwarf.
„Der Spielplatz würde unserem Vater gefallen. Er hätte bestimmt viel Spaß hier“, sagt Brad (72), Sohn des berühmten Luftbrücken-Fliegers Gail. Dessen Bild schmückt das nach ihm benannte Haupthaus im Coloradopark. Michael Paris, Leiter des Vereins Abenteuerspielplatz Riederwald, zeigt, wie Gail Schokoriegel an kleinen Fallschirmen abwarf. © sauda

Söhne und Töchter des berühmten Luftbrücken-Fliegers im Coloradopark.

Gail Halvorsen war wohl der beliebteste Mann während der Berliner Luftbrücke zwischen 1948 und 1949. Der amerikanische Luftwaffenpilot warf an einem kleinen Fallschirm hängende Süßigkeiten aus seinem Rosinenbomber. Ihm zu Ehren wurde das Hauptgebäude im Abenteuerspielplatz Colorado Park vergangenes Jahr nach ihm benannt. Jetzt kamen seine Kinder zu Besuch.

Schokolade am Fallschirm

Ein kleiner Fallschirm mit einem Schokoladenriegel segelt vom Turm auf den Boden. Michael Paris, der Vorsitzende vom Verein Abenteuerspielplatz Riederwald, macht im Colorado Park vor, was Gail Halvorsen - Spitzname Onkel Wackelflügel - vor 75 Jahren tat. Süßigkeiten vom Himmel über Berlin schweben lassen. „Berlin war seine zweite Heimat“, sagt Brad Halvorson (72), der älteste Sohn des legendären Mannes, der im Februar letzten Jahres im Alter von 101 Jahren starb.

Brad blickt staunend auf den riesigen Abenteuerspielplatz, der aus Canyons, Saloons und Türmen besteht, die von Kindern gebaut und angelegt wurden und amerikanische Namen tragen. Auf dem zweistöckigen Hauptgebäude aus Containern, die mit Holz verkleidet sind, hängen Banner mit der Aufschrift „Gail Halvorson Building für deutsch-amerikanische Freundschaft“ mit einem großen Foto des lachenden Piloten der amerikanischen Luftwaffe vor seinem Rosinenbomber.

„Sein Herz würde aufgehen“, sagt Halvorsen, der direkt nach der Landung aus Salt Lake via Denver und München nach mehr als 30 Stunden Reise mit seiner Frau Gayline eingeflogen ist. „Mein Vater hat Kinder über alles geliebt, Berlin war seine zweite Heimat.“

Der freundliche Mann ist begeistert. Er war selbst 1988 bis 1991 bei der Airforce im Medical Services auf der Rhein-Main-Airbase stationiert. „Es hat sich viel verändert, aber ich habe wunderbare Erinnerungen“, reist er gedanklich zurück in der Zeit.

Sein Vater hat die Candy-Bomber erfunden. Mit wackelnden Tragflügeln kündigte er Kindern im Nachkriegs-Berlin an, dass er Süßigkeiten bringt. „Er wollte helfen und wollte die Welt zu einem besseren Ort machen. Er liebte Menschen. Er hat uns erzählt, dass er die Deutschen nicht mochte. Bis er in die Gesichter der Kinder sah. Das hat alles für ihn geändert, es seine Empathie geweckt und er beschrieb die Zivilbevölkerung als ’lovely’ und ’wonderful’ und hat einfach gemacht, um ihnen eine Freude zu bereiten. Ohne Hoffnung kein Leben war sein Motto“, erzählt Brad, der vier Geschwister hat. Sie alle kommen zur Kranzniederlegung am Luftbrückendenkmal am Frankfurter Flughafen. Die Luftbrücke jährt sich zum 75. Mal.

In Buchschlag haben sie in den 1960er Jahren gelebt. Brad hat mit 12 Jahren Zeitungen ausgetragen und sich von dem Taschengeld Gummibärchen an einem kleinen Kiosk an den Gleisen gekauft, zu dem er radeln konnte. „So oft es ging war ich dort“, sagt er schmunzelnd und erinnert sich an Baseball-Spiele mit seinem besten Freund in einem kleinen Park. Vor fünf Jahren ist die ganze Familie in Frankfurt zusammen gekommen. Onkel Wackelflügel, die fünf Geschwister, 25 Enkelkinder und 60 Urenkel.

Seine Schwester Marylin Sorensen ist inzwischen mit ihrem Ehemann Ace auf dem Spielplatz angekommen. Denise Williams mit ihrem Mann David, der Pilot Bob mit seiner Frau Allison und der jüngste Bruder Michael mit seiner Frau Kalleen kommen später, weil sie sich verfahren haben. „Es ist wunderbar, dass hier an unseren Vater gedacht wird“, so Sorensen, die sich von Paris und dem Leiter des Abenteuerspielplatzes Holger Wiegel das fast 8000 Quadratmeter große Spielparadies zeigen lässt. „Es ist so toll hier und Kinder können so viel erleben“, staunt sie zwischen inklusiver Schiffsschaukel, gigantischen Kirschbäumen, dem Waldlabyrinth, Kräutergarten, Grillplatz und den phantasievollen Bauten. Beim Frühlingsfest haben die Macher vom Colorado Park 100 kleine Fallschirme mit Süßigkeiten vom Turm abgeworfen, um Gail Halvorsen zu gedenken.

„Humanität fängt mit dem Herzen an“, sind sich Halvorsens Sohn und Tochter einig. Sie kommen gern zurück in das Land, in dem ihr Vater unzählige Kinderaugen hat strahlen lassen und ihnen Hoffnung nach der dunkelsten Zeit in der Geschichte Deutschlands geschenkt hat. „Der Spielplatz würde unserem Vater gefallen. Er hätte bestimmt viel Spaß hier“, sind sie sicher und gucken den Kindern zu, wie sie mit Hammer, Säge und Nägeln an einer Hütte bauen, die Zeit vergessen und Schokoriegel naschen.

SABINE SCHRAMEK

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