Der Schlüssel ist übergeben

Sechseinhalb Jahre nach der Grundsteinlegung geht der Neubau am Klinikum Höchst nun in Betrieb.
Frankfurt -Es erinnerte ein wenig an ein Veteranentreffen nach einem Krieg. Es wurde von Schlachten erzählt, die geschlagen wurden, von Durchhaltewillen und Heldentum. Nicht nur zwischen den Zeilen der Festreden war erkennbar: Der Neubau des Klinikums Höchst war ein Kraftakt, begleitet von Streit, von Zerrüttungen. Gestern die strahlende Siegesfeier: Der sinnbildliche Schlüssel konnte übergeben werden.
Von Heldentaten wird reichlich berichtet: Stefan Majer (Grüne), amtierender Gesundheitsdezernent, lobte die Durchsetzungskraft seiner Vorgängerinnen Manuela Rottmann und Rosemarie Heilig, beide seiner Partei angehörig: Ihnen sei zu verdanken, dass der Klinikneubau als erster weltweit in Passivhausbauweise errichtet worden sei. In kluger Voraussicht hatte Majer auch Lob für den früheren Kämmerer Uwe Becker (CDU) übrig, nun Konkurrent Rottmanns im Wahlkampf um den Oberbürgermeisterposten: Er habe es geschafft, in seiner früheren Funktion als Kämmerer die Kostensteigerungen zu stemmen. Martin Menger, Vorsitzender der Geschäftsführung der Varisano-Kliniken, habe es geschafft, einen drohenden Baustillstand zu verhindern.
Dass über lange Zeit nichts lief auf der Baustelle, thematisierte Menger selbst: „Ja, sechseinhalb Jahre Bauzeit ist auch mir etwas zu lang.“ Allerdings seien die Pandemie und planungsrechtliche Schwierigkeiten dazwischengekommen. Frank Thiesen, Vorstand „Operations“ der Zech Hochbau AG, räumte ein: „Die Bauzeit war vielleicht etwas optimistisch konzipiert.“ Menger räumte ein, als er vor zweieinhalb Jahren die Geschäftsführung übernommen habe, sei in Sachen Neubau „die Stimmung nicht zum Besten bestellt“ gewesen.
Vom freien Fall zum Quantensprung
Demzufolge bemühten das beliebte Bild vom „Quantensprung“ Menger wie auch Majer; Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) sprach davon, dass mit der Eröffnung „eine der größten Baumaßnahmen an einem Krankenhaus abgeschlossen“ werde - 43 Millionen habe das Land schon vor 15 Jahren zur Verfügung gestellt, dann auf 45 Millionen erhöht. „Den Neubau in Passivhausbauweise zu errichten, das war damals eine sehr mutige und, wie sich heute zeigt, kluge Entscheidung. Wir sind gespannt, wie sich das in messbaren Daten niederschlägt.“
Das Klinikum - das erste weltweit in Passivhausbauweise - soll 90 Prozent weniger Heizwärme benötigen und nur auf ein Drittel des üblichen Energieverbrauchs kommen. Das spare der Stadt bares Geld und helfe ihr dabei, ihre Klimaziele zu erreichen, so Majer. Der Neubau sei der Beleg dafür, dass die Stadt Frankfurt zu ihrer Funktion als kommunaler Träger stehe - sonst hätte sie nicht 200 Millionen Euro investiert, ohne Eigenbeteiligung des Klinikums.
30 Millionen habe das Klinikum in neue Medizintechnik investiert, sagte Menger. Eine Innovation sei etwa ein flächendeckend vernetztes Patienten-Monitoring: Jeder Patient bekommt bei seiner Aufnahme einen kleinen Handheld-Computer, auf dem alle Daten gespeichert werden; wird er in eine andere Abteilung verlegt, wandert der Computer mit - so müssen keine Akten hin- und hergeschoben werden. Der Neubau bringe das Höchster Klinikum nicht nur gebäudetechnisch auf den Standard, den es medizinisch längst habe, sondern erleichtere auch alle Arbeitsabläufe fürs ärztliche wie pflegerische Personal. Stichwort Höchster Zimmer: Alle Patientenzimmer sind so geschnitten, dass das zweite Bett herausgerollt werden kann, ohne das erste verrücken zu müssen. Und auch fürs Klinik-Management bedeute die Inbetriebnahme des Neubaus, „nicht mehr die Verantwortung für einen 60 Jahre alten havarierenden Tanker übernehmen zu müssen“ - gemeint ist das marode Bettenhochhaus, das nun aufgegeben werden kann. Am 4. Februar soll die Patientenversorgung im Neubau anlaufen. Sicher werde „es noch ruckeln“, so Menger. Aber es komme „nicht mehr jeden Tag die Feuerwehr“, gebe „nicht mehr jeden zweiten Tag einen Wasserrohrbruch und nicht mehr ständig Teilstilllegungen“.
Der Neubau des Höchster Klinikums war die größte Einzelinvestition der Stadt in Jahrzehnten. Für Martin Menger ist jedoch klar: „Hier muss sich niemand schämen; das Geld war zwingend notwendig, weil über Jahre nichts gemacht wurde.“ Holger Vonhof

