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Wartehäuschen mit langer Geschichte: Der Tabak-Tempel der Trambahnfahrer

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Von: Florian Neuroth

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Das weiße Wartehäuschen am Frankfurter Südbahnhof hat eine lange Geschichte. Bis heute herrscht dort ein reges Kommen und Gehen.

Frankfurt - Irgendwie wirkt das Häuschen fehl am Platz. Knapp vier Meter breit und anderthalb tief verliert es sich zwischen seinen wuchtigen Nachbarn. Zur Linken der gründerzeitliche Südbahnhof, rechts die mehrstöckige Häuserzeile in der Hedderichstraße, davor die Straßenbahngleise, im Rücken die mächtige Betonmauer. Und mit seinem prägnanten Diamant-Giebel wirkt der Miniatur-Palazzo fast pittoresk.

Wartehäuschen in Frankfurt: Vor dem Dienst noch eine Kippe

„Ich gehe hier jeden Tag vorbei, aber richtig aufgefallen ist mir die Hütte noch nicht“, sagt ein vorbeihastender Passant. „Aber sie wird schon einen Sinn haben.“ Hat sie: Vor Dienstbeginn oder zwischen den Schichten können Straßenbahnfahrer hier, an einem der wichtigsten Ablösepunkte im ÖPNV, eine Pause einlegen, die Füße hochlegen und - ganz wichtig - eine Zigarette rauchen. Der weiße Blechkasten ist der Tabak-Tempel der Trambahnfahrer.

Auch Cafer Bilir gönnt sich vor dem Dienst noch eine Kippe. Es ist kurz vor 16 Uhr. Die Sonne steht tief. Der 32 Jahre alte Schienenbahnfahrer - so der offizielle Titel - trägt Sonnenbrille. In zehn Minuten beginnt sein Dienst, aber er ist schon seit einer halben Stunde da. „Ich komme lieber früher, als später Stress zu haben“, meint er. Dreieinhalb Jahre fährt er Straßenbahn und das Wartehäuschen am Südbahnhof kennt er gut. „Ich bin gerne hier. Kiosk und Cafè sind um die Ecke und während man wartet, kommen immer wieder Kollegen vorbei.“

Cafer Bilir kennt das Wartehäuschen gut. „Ich bin gerne hier“, sagt er.
Cafer Bilir kennt das Wartehäuschen gut. „Ich bin gerne hier“, sagt er. © neuroth

In der vergangenen halben Stunde waren es schon drei, darunter Tom Schmuck. Zehn Minuten Pause hatte der 37-Jährige, jetzt geht es weiter. „Das ist hier halt immer ein Kommen und Gehen“, sagt er und macht sich auf den Weg. Einige Meter weiter steigt er ins Führerhäuschen der 16. Weg ist er.

Wartehäuschen am Südbahnhof: Was fehlt, ist eine Toilette

Ob man denn mal reinschauen darf ins geheimnisvolle Häuschen, dessen Jalousien stets heruntergelassen sind? „Klar“, sagt Bilir und tritt zur Seite. Direkt hinter der Tür, auf der linken Seite, steht die Garderobe von anno dazumal. Daneben ein ebenso altbackener Garderobenständer, ein roter Mülleimer und ein Glaskasten mit Infos für die Fahrer. „Unterlassen Sie das Klingeln und Hupen an der Kreuzung Schweizer Straße/Hedderichstraße, es sei denn, es dient wirklich der Gefahrenabwehr“, steht auf einem DIN A4-Zettel. Hinzu kommen drei gepolsterte Plastikstühle und ein Tisch plus zwei Telefone. Was fehlt, ist eine Toilette. Dafür gibt’s die blauen Dixie-Klos gleich nebenan. Die 18 fährt vor. Jetzt muss auch der gebürtige Offenbacher Bilir weiter und schließt ab.

Wie lange das Häuschen an Ort und Stelle steht, ist unklar. „Ziemlich alt“ sei das Ding, sagt VGF-Sprecher Bernd Conrads. Mehr hätten seine Recherchen auch nicht ergeben. Unterlagen gebe es nicht mehr.

Mindestens 38 Jahre müssen es aber sein, „denn genauso lange fahre ich schon Straßenbahn und das Haus gab es von Anfang an“, berichtet ein anderer Fahrer.

Auch Frankfurts bekanntester Trambahnfahrer Peter Wirth kennt das Häuschen

Farbige Erinnerungen hat auch Frankfurts bekanntester Trambahnfahrer Peter Wirth. „Das Haus kenne ich, seitdem ich 1988 hier angefangen habe. Das war mal grün, mal grau, und jetzt ist es eben weiß, aber auch nicht mehr so richtig weiß“, sagt der Bahn-Babo. Früher habe es vorne auch eine kleine Lampe gegeben. „Die hat geblinkt, wenn das Telefon geklingelt hat. Wenn die Kollegen bei schönem Wetter draußen saßen, haben sie das ja nicht gehört“, sagt Wirth. Nicht ganz so lange wie der Mann mit dem großen Bizeps, aber immerhin auch schon 23 Jahre ist Cemal Adsiz bei der VGF. Mit einer Tasse Kaffee in der rechten und einer Kippe in der linken Hand, hat er es sich auf einem Stuhl vor dem Straßenbahner-Tempel bequem gemacht. „Ich komme immer schon einige Zeit vor Dienstbeginn. Das brauche ich. Kaffee trinken, hier sitzen und entspannen“, meint er.

Das Wartehäuschen sei ein echtes Unikat im Stadtgebiet. „Früher gab es so eins am Hauptbahnhof, direkt neben der S-Bahn-Treppe. Das haben sie durch Wohnungen im Bahnhofsgebäude ersetzt. Dort können wir Fahrer jetzt unsere Pausen machen. An der Konstabler ist das genauso“, sagt der 50-Jährige.

Frankfurt: Früher hielt ein Aufseher die Stellung

„Dafür haben wir hier eine schöne Aussicht auf den Platz“, sagt Cavit Ata (51). Beide können sich noch an Zeiten erinnern, als im Wartehäuschen ein Aufseher die Stellung hielt. „Das war ein Vorgesetzter. Der hat die Straßenbahn beaufsichtigt und Kollegen auch mal abgelöst“, sagt Adsiz.

Wenn er mit den Kollegen hier sitze, gehe es meist um das selbe Thema. Den Job. Wie der Tag so war. Wer welche Linie fährt. Der Favorit der beiden Trambahnfahrer ist die 18. „Gute Strecke, gute Wendezeit und eher ruhig.“ Nur nicht am Abend, wenn die Friedberger voll ist. „Eigentlich sind aber alle Strecken stressig“, so Adsiz. Auch wegen den Leuten. „Früher war es ruhiger. Heute sind viele aggressiv. Und hektisch.“ Da ist es gut, dass er seinen kleinen Rückzugspunkt hat. Hier. Am Südbahnhof. Im weißen Häuschen. (Florian Neuroth)

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