Der Verkehr bekommt einen neuen Lenker

Grüne Ideen mit Maß und Überzeugungskraft: Wolfgang Siefert übernimmt Mobilitätsdezernat von Stefan Majer.
Frankfurt -Der Grünen-Politiker Wolfgang Siefert (53) soll am 2. Februar zum neuen Mobilitätsdezernenten gewählt werden. Damit kann die seit mehr als anderthalb Jahren regierende Römer-Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt ihr Personal am Magistratstisch komplettieren.
Die Nachfolge von Stefan Majer (Grüne), dann 65, tritt Siefert am 8. Juli an. Majer, der nach zwei Amtsperioden seine Magistratszeit beendet, war von 2011 an Verkehrs-, von 2016 an Gesundheits- und Personaldezernent und ist seit Herbst 2021 Mobilitäts- und Gesundheitsdezernent. Ursprünglich hatten die Koalitionsverhandler Siefert bereits im Herbst 2021 zum direkten Nachfolger von Klaus Oesterling (SPD) wählen lassen wollen.
Die grüne Basis aber beharrte darauf, dass zunächst eine Frau dran sei. Daher wählte die Koalition zunächst Majers Büroleiterin Elke Voitl (Grüne) zur Sozialdezernentin. Mit Majers Ausscheiden erfolgt nun der Übergang des Gesundheitsressorts zu Voitl und der Mobilität zu Siefert. Den holte Majer im Herbst 2021 als rechte Hand und persönlichen Referenten für Mobilität ins Dezernat.
„Ich musste mein Tempo anpassen“
Besonders das ruhige Vorgehen auch in schwierigen Situationen habe er sich bei Majer abschauen können, sagt Siefert. „Da habe ich viel gelernt.“ Das betraf auch die Verwaltung: Wie vielen Zwängen und Vorgaben sie unterworfen sei, habe er bei seinem Wechsel aus der freien Wirtschaft nicht erwartet - trotz langer Erfahrung als Stadtverordneter. „Ich musste mein Tempo anpassen.“ Das aber nicht, weil die Mitarbeiter nicht willig seien. „Ich habe nie erlebt, dass die Verwaltung nicht will“, es arbeiteten „viele junge, erfahrene und motivierte Leute“ dort. Wie stark das Dezernat schon digital arbeite, sei beeindruckend.
Siefert ist geschieden, hat keine Kinder, mehr Privates gibt er nicht preis. Seit 1994, als er zum BWL-Studium von Mannheim und Marburg an die Goethe-Uni wechselte, lebt er in Frankfurt. Geboren im Südschwarzwald, wuchs er in Zell im Wiesental zwischen Lörrach und dem Feldberg auf. Noch bevor er seinen Diplom-Kaufmann für Wirtschaftsinformatik in der Tasche hatte, gründeten er und drei Kommilitonen in der Frühphase des Internets eine Agentur, die Internetauftritte für Firmen gestaltet. Das mittelständische Unternehmen mit in der Spitze 25 Mitarbeitern gibt’s bis heute. Siefert zog sich mit dem Wechsel zur Stadt zurück.
Politisch interessiert sei er schon immer gewesen wegen Themen wie Waldsterben und Atomkraft, war auch Schülersprecher. Bei den Grünen trat Siefert erst 2001 ein, weil er die Außenpolitik von Joschka Fischer gut fand. Nach einigen Jahren begann er, sich zu engagieren, baute die Stadtteilgruppe Ostend/Bornheim auf, kam 2007 in den Kreisvorstand, war von 2015 an Kassierer. 2011 wurde er ins Stadtparlament gewählt, übernahm dort nach seiner Wiederwahl 2016 den Vorsitz des Verkehrsausschusses - es ist sein großes politisches Thema.
In der Zeit der Koalition von CDU, SPD und Grünen war er hinter den Kulissen entscheidend daran beteiligt, dass für die Grünen wichtige Entscheidungen fielen wie 2019 der Grundsatzbeschluss zum massiven Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur. Dabei galt Siefert lange als CDU-Versteher. „Ich versuche immer, zu Lösungen zu kommen“, und zwar solchen, die auch umsetzbar seien, erklärt er die Suche nach Kompromissen. Es bringe nichts, „ewig ums beste Konzept zu diskutieren, aber nicht voranzukommen“. Das aber schien so viel Skepsis an der Parteibasis erzeugt zu haben, dass die eben seine Wahl 2021 nicht so wie geplant durchwinkte.
Keine Konzepte gegen Mehrheiten
Grüne Ideen in der Verkehrspolitik umzusetzen, das ist Sieferts Ziel. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen und Frankfurt bis 2035 klimaneutral zu machen, müssten viel mehr Menschen umweltfreundlich unterwegs sein. Bei der Mobilitätswende aber müsse man „das richtige Maß und die richtige Geschwindigkeit“ finden. Man könne „Konzepte nicht gegen eine Mehrheit der Frankfurter“ umsetzen, so Siefert. Wobei er überzeugt ist: Eine große Mehrheit stehe dahinter, die Alternativen zum Auto auszubauen.
Der Autoverkehr brauche den meisten Straßenraum, leiste aber nur einen Bruchteil der Verkehrsleistung. Daher müssten Flächen an saubere Verkehrsmittel umverteilt werden. Siefert fokussiert sich aber nicht aufs Fahrrad. „Wir müssen den Umweltverbund ausbauen“, also Rad, Fußwege, Bahn und Bus. Es gehe nicht darum, dass Auto abzuschaffen. „Wir wollen durch bessere Angebote möglichst viele Menschen vom Auto wegbekommen“, erklärt der Politiker. „Wenn jeder jeden Tag das für sich optimale Verkehrsmittel wählt, sollte das in Zukunft möglichst oft umweltfreundlich sein.“
Siefert macht das vor: Er wohnt im Ostend, ist meist per Tram oder Rad unterwegs. Der Wechsel von Majer zu ihm werde reibungslos funktionieren, sagt er. Und obwohl er künftig mit dem Verkehrsressort einen Jahresetat von gut einer halben Milliarde Euro steuert, formuliert es der designierte Dezernent bescheiden: „Ich starte schon fertig eingearbeitet.“ Dennis Pfeiffer-Goldmann