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Dicke Luft rund um das Schullandheim

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Die Wegscheide - ein Ort für Kinder, nicht für Flüchtlinge, findet die Stadt und lehnt eine Anfrage des Main-Kinzig-Kreises ab, der dort während des Winters Geflüchtete unterbringen wollte
Die Wegscheide - ein Ort für Kinder, nicht für Flüchtlinge, findet die Stadt und lehnt eine Anfrage des Main-Kinzig-Kreises ab, der dort während des Winters Geflüchtete unterbringen wollte © picture alliance/dpa

Stadt erteilt Main-Kinzig-Kreis Absage: Keine Flüchtlingsunterkunft

Frankfurt -Dicke Luft zwischen der Stadt Frankfurt und dem Main-Kinzig-Kreis. Der Grund: die Wegscheide in Bad Orb, Deutschlands größtes Schullandheim. Der Main-Kinzig-Kreis wollte dort Flüchtlinge aus der Ukraine unterbringen. Die Gebäude stehen im Winter leer. Doch daraus wurde nichts. Frankfurt, über eine Stiftung Pächterin des Schullandheims, hat Bedingungen gestellt, die man nicht habe erfüllen können - so der Vorwurf des Main-Kinzig-Kreises.

Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) teilt jetzt auf eine parlamentarische Anfrage mit, dass der Main-Kinzig-Kreis zuerst um die Unterbringung von Familien - 150 Personen - aus der Ukraine nachgesucht und erst im zweiten Schritt die Anfrage auf 350 bis 400 männliche Geflüchtete präzisiert habe. „Wir haben in Frankfurt seit 2015 viele Erfahrungen in der Flüchtlingsarbeit gemacht und aus diesem Grund sind uns sowohl die individuellen Bedarfe von Geflüchteten als auch die erforderlichen strukturellen Rahmenbedingungen bekannt“, so die Stadträtin. „Die Erfüllung der individuellen Bedarfe sowie die der strukturellen Rahmenbedingungen sind unbedingte Voraussetzungen für die gelungene und problemreduzierende Unterbringung.“ Deshalb habe die Stadt Bedingungen gestellt, eine Zusage, diese zu erfüllen, sei aber ausgeblieben. „Der Main-Kinzig-Kreis hat sich diesbezüglich auch nicht weiter mit dem Magistrat verständigt“, so Weber.

Die Stadt Frankfurt hat unter anderem die Bedingung gestellt, dass die Verfügbarkeit von Handy-Kommunikation gewährleistet sein müsse. „Zu den individuellen Bedarfen von Flüchtlingen zählt die dauerhaft zur Verfügung stehende Kommunikationsmöglichkeit per Smartphone“, erklärt Weber. Es sei immens wichtig, Kontakt zu Familienangehörigen zu halten, die sich in Kriegs-, Krisengebieten oder auf der Flucht befänden. „Da die Wegscheide kein WLAN hat, ist diese Kommunikation dort nicht möglich.“

Bedingungen nicht erfüllt

Zudem seien aus Sicht Frankfurts im Schullandheim Wegscheide im Spessart die Versorgung mit gutem Essen, die medizinische und psychologische Betreuung, Möglichkeiten zur Wäschepflege und die Verfügbarkeit von Nahmobilität nicht sichergestellt und hätten vom Main-Kinzig-Kreis organisiert werden müssen. Tagesbeschäftigung, Deutschkurse, wirtschaftliche Teilhabe und Betreuung durch geschultes Personal seien ebenso dringend erforderlich gewesen, um „eine geregelte und konfliktfreie Betreuung“ zu gewährleisten. Weber: „Auf Nachfrage, wer diese wichtigen Aufgaben organisieren und übernehmen würde, konnte der Kreis keine Antworten geben.“

Die Bildungsdezernentin weist außerdem darauf hin, dass es sich bei der Wegscheide um „ein über Jahrzehnte bewährtes Schullandheim“ handele, dass von Frankfurter Grundschulen „stark frequentiert“ sei. Die Wegscheide sei bislang ein geschützter Raum für Spiel, Spannung, Freude und kleine Natur-Abenteuer, die Infrastruktur sei sowohl in den Gebäuden als auch auf dem Gelände für Kinder konzipiert. „Es gibt auf dem Gelände und in den Gebäuden keine Infrastruktur für eine so große Anzahl Erwachsener“, sagt die Stadträtin. So seien die Gebäude etwa mit Betten für Grundschulkinder ausgestattet, diese seien kürzer als Betten für Erwachsene. Zudem könnten die Gebäude im Winter nur zum Substanzerhalt geringfügig geheizt werden, hohe Temperaturen würden dabei nicht erreicht. „Durch einen kleinen Heizkreislauf können nur einige wenige Häuser auf Wohntemperatur gebracht werden“, so Weber. Auch sei das Gelände der Wegscheide im Winter oftmals nicht befahrbar aufgrund der Wetterlage durch Schnee und Eis, erschwert werde dies noch von der ausgeprägten Hanglage des Geländes. Hinzugekommen sei, dass sich die Anfrage zur Unterbringung zwar auf die Monate November bis Ende Februar bezogen hätte, der Kreis aber nicht hätte garantieren können, dass die untergebrachten Personen dann tatsächlich auch anderweitig untergebracht werden könnten. „Es entspricht den Erfahrungen des Magistrats, dass in diesen Situationen kaum belastbare Termine benannt werden können“, so Weber. „Dies würde aber bedeuten, dass die untergebrachten Personen auf der Wegscheide verbleiben.“ Der Vorstand der Stiftung Wegscheide habe sich die Ablehnung nicht leicht gemacht. Er halte die Bedarfe von Erwachsenen in großer Zahl für nicht vereinbar mit den Bedarfen der Schulklassen. Aus diesem Grund sei als Kompromiss angeboten worden, bis zu 150 Personen aufzunehmen, Familien, Mütter und Großmütter mit Kindern, wie sie derzeit zum Beispiel aus der Ukraine kommen. Weber: „Der Kinderschutz muss zu 100 Prozent gewährleistet werden.“

Julia Lorenz

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