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Die ersten EU-Corona-Anleihen finden reißenden Absatz

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Orderbuch der beauftragten Banken erreicht europäischen Rekordwert für Zinspapiere

Frankfurt. Allem Anschein nach wird die EU-Kommission keine Probleme haben, sich in den kommenden Jahren zu verträglichen Zinsen die hunderte Milliarden Euro zu leihen, die die Europäische Union aufbringen will, um die Folgen des beispiellosen, Corona-bedingten Wirtschaftseinbruchs zu bewältigen. Jedenfalls werden die ersten gemeinsamen "Corona-Anleihen", die die Kommission im Auftrag des Staatenbundes gestern ausgegeben hat, ihr sprichwörtlich aus den Händen gerissen.

Zwei Anleihe-Tranchen mit einem Gesamtvolumen von 17 Milliarden Euro über eine Laufzeit von zehn bzw. zwanzig Jahren hat Brüssel angeboten - das Orderbuch füllte sich jedoch mit stolzen 233 Milliarden Euro, wie die beteiligten Banken-Syndikate gestern wissen ließen. Eine derart hohe Nachfrage habe es auf dem europäischen Anleihen-Markt noch nie gegeben, hieß es.

Kein Wunder: Zum einen gelten die Anleihen dank des AAA-Ratings der EU als ebenso sicher wie die wegweisenden deutschen Bundesanleihen. Zum anderen haben die Investoren, die geboten haben, mit einer höheren Verzinsung als bei den "Bunds" gerechnet. Nach Angaben der Banken ist für die zehnjährige EU-Anleihe eine Rendite von minus 0,26 Prozent erwartet worden. Das klingt zunächst nach einem schlechten Geschäft. Aber zehnjährige Bundesanleihen rentieren derzeit mit minus 0,62 Prozent. Selbst für französische Staatsanleihen müssen Anleger mehr zahlen.

"Die Nachfrage ist ungeheuerlich", sagte gestern Peter Goves, Analyst bei MFS Investment Management, der darauf hinwies, dass die EU-Anleihen aufgrund des AAA-Ratings am Sekundärmarkt sicher auch von der EZB erworben werden. "Und die nun emittierten Anleihen sind ja nur der Appetit-Anreger", so Goves.

Tatsächlich markieren die beiden Anleihen nicht nur mit Blick auf das Order-Volumen einen "Meilenstein in der Geschichte des europäischen Staatsanleihen-Marktes", wie auch die Frankfurter Kapitalanlage-Gesellschaft Union Investment gestern feststellte. Vielmehr markieren sie den Beginn einer Entwicklung, in der die EU zum größten Emittenten von Anleihen supranationaler und quasistaatlicher Institutionen avancieren wird. Christian Kopf, Mitglied des Union-Investment-Committee geht davon aus, dass die EU-Kommission bis zum Jahr 2026 Anleihen im Wert von bis zu 850 Milliarden Euro begeben wird. Die Vermögensverwalter der Schweizer Privatbank Pictet rechnen sogar damit, dass das Volumen der EU-Anleihen bis 2024 auf rund 900 Milliarden Euro steigen wird. Die durchschnittliche Laufzeit soll fünfzehn Jahren betragen, der Rahmen reicht von drei bis dreißig Jahren. Mit den Mitgliedsländern will sich Brüssel auf dem Bondmarkt aber nicht ins Gehege kommen, wie die EU-Kommission beteuert. Eine gegenseitige Kannibalisierung solle verhindert werden, indem sich die Kommission sehr eng mit den Mitgliedstaaten und deren Emissionsplänen abstimme, heißt es..

Mit den nun emittierten Anleihen sollen die ersten Milliarden für das Hilfsprogramm SURE eingesammelt werden, das im vergangenen Juli von den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union verabschiedet wurde - zusammen mit dem 750 Milliarden Euro schweren EU-Wiederaufbauprogramm. Auch dieser Fonds wird über gemeinsame Schulden finanziert. Dabei garantieren die Mitgliedsstaaten, dass sie zur Not für die Anleihen geradestehen. Die Anleihen für den Corona-Wiederaufbaufonds - in Brüssel "Next Generation EU" genannt - will die EU-Kommission ab dem kommenden Jahr begeben. Zurückgezahlt werden müssen die entsprechenden Verbindlichkeiten im Fall von SURE bis zum Jahr 2053 und im Fall von "Next Generation EU" bis 2058.

SURE soll dazu beitragen, eine mögliche Massenarbeitslosigkeit in Folge der Corona-Pandemie abzuwenden. Bis zu 100 Milliarden Euro sollen dafür fließen - vor allem nach Italien und Spanien, die vom Virus besonders stark gebeutelt sind.

Über einen regen Geldfluss können sich bei der Ausgabe von EU-Anleihen auch die beteiligten Banken freuen. Für die Platzierung von Zinspapieren erhalten sie eine Gebühr, die sich üblicherweise an der Laufzeit und dem Volumen der Anleihe orientiert. Mit der gestrigen Platzierung waren die Deutsche Bank, Barclays, BNP Paribas, UniCredit und Nomura beauftragt.

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