Die ersten Schnäppchenjäger auf der Zeil

Der Weihnachtsrummel im Einzelhandel geht noch bis Mitte Januar.
Frankfurt -Für Lucas (8) und Julian (4) gibt es kein Weihnachten ohne Lego. „Wir haben vor dem Fest noch ein Haus gebaut mit Rutschbahn und Schwimmbad“, sagt Lucas. Der Darmstädter Junge ist mit seinem Bruder, seinem Vater und seinem Onkel nach Frankfurt gefahren. Die Jungs tragen stolz ihre gelben Tüten.
„Wir kommen nicht aus Frankfurt heraus, ohne wenigstens eine Kleinigkeit bei Lego gekauft zu haben“, erläutert Bart Luijk, der Vater. „Heute sind wir auf die Zeil gekommen, weil wir nach Weihnachten Zeit haben.“ Onkel Sebastian Block ergänzt: „Die Preise sinken gerade, da kann man noch etwas sparen.“ Geschenke umtauschen jedoch, nein, das haben sie nicht vor.
Ähnlich ergeht es Alexander Kiefer. Der Frankfurter hat Freunde eingeladen, Sophia aus Koblenz und Miguel Bacskai aus Heidelberg. „Immer wenn wir hier sind, gehen wir einkaufen“, sagt Sophia. „Ein solches Angebot gibt es in kleineren Städten nicht“, ergänzt Miguel. Alexander Kiefer hält im kalten Wind auf der Zeil das teuerste Produkt des heutigen Nach-Weihnachtstages in der Hand, einen Computerbildschirm für 700 Euro. „Den kann ich von der Steuer absetzen“, sagt er, „denn ich brauche ihn für das Homeoffice.“ Angeschlossen an den Firmenlaptop, kann er dann an zwei Bildschirmen arbeiten. Sophia trägt einen neuen Pulli in der Adidas-Tüte, Miguel Bacskai hat den neuen Kopfhörer in der Eintracht-Tüte verborgen.
Am ersten Tag nach Weihnachten war am späten Vormittag auf der Zeil nicht wirklich viel los. Gegen Mittag hingegen füllten sich die Parkhäuser, verlängerten sich die Staus. Viele drängten in die Stadt. Für Joachim Stoll, Sprecher der Frankfurter Einzelhändler, ein gutes Zeichen. „In den Tagen vor Weihnachten war es ruhiger als sonst“, sagte er, „aber das Weihnachtsgeschäft geht noch bis Mitte Januar.“ So lange etwa dauert es, bis die Weihnachtsgutscheine eingelöst sind. Das Umtauschgeschäft hingegen gehe zurück: „Das ist nicht mehr so groß wie früher.“
Durststrecke bis Ostern
Das Weihnachtsgeschäft war bislang schlecht, die Konsumstimmung auf dem Tiefststand. „Wir sehen die Energiekrise, wir sehen die Inflation. Die Leute waren sehr zurückhaltend“, so Stoll, „was den Einkauf anging.“ Vielleicht auch, um zu sparen. Gestern am späten Vormittag wurden bei Karstadt noch die letzten „Sale“-Dekorationen aufgehängt, warben Kaufhäuser auf der Zeil mit bis zu 50 Prozent Nachlass. „Die Händler leeren die Lager. Es ist der vorgezogene Winterschlussverkauf“, sagt Stoll. Jetzt sei wichtig, dass die Frankfurter wieder Vertrauen fassen, dass sie sehen: Die Gas- und Stromzuschüsse des Staates kommen aufs Konto bzw. die hohen Abschläge werden nicht abgebucht.
Bis Ostern, hofft Stoll, der Frankfurt im Handelsverband Hessen-Süd vertritt, sollte es wieder aufwärts gehen. „Wir sehen Licht am Ende. Der Februar wird noch hart. Aber im März und April, wenn der Winter vorbei ist, wird sich die Konsumstimmung normalisieren.“ Nicht zuletzt, weil dann die neuen Lieferungen aus China ankommen. China war in den vergangenen beiden Jahren das große Problem. „Entweder die Fabriken haben nicht produziert oder die Häfen waren geschlossen und die Container kamen nicht aufs Meer. Das können die Chinesen sich nicht mehr leisten.“ Bis zum Frühjahr werde es wieder Ware geben, ist er zuversichtlich.
Gestern, als die Zeil sich gegen Mittag langsam füllte, waren auch viele Schnäppchenjäger unterwegs, den Eindruck konnte man haben. Niemand hat Geld zu verschenken, und in der Inflation von zehn Prozent sucht man die günstigen Preise. So auch Gudrun Simon-Khan und ihre Tochter Samira. „Wir haben T-Shirts gekauft, 20 Prozent günstiger als vor Weihnachten“, sagt Samira Simon-Khan. „Wir sind gezielt hergekommen deswegen.“
Auch die beiden 18-jährigen Freunde Leonardo Hartmann und Luis Maybach hat es wegen Kleidung in die Stadt gezogen. „Umtauschen müssen wir nichts, aber wir haben einen Teil der Weihnachtsgeschenke umgesetzt“, sagt Leonardo. Er hat rund 200 Euro geschenkt bekommen, Luis geschätzt 250. Eine Weste, verschiedene T-Shirts, alles herabgesetzt: Das ist, was sie am ersten Werktag nach Weihnachten auf der Zeil erworben haben.
thomas j. schmidt
