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Frankfurter Zeil als reine Einkaufsstraße ohne Zukunft?

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Von: Thomas J. Schmidt

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„Man kann als Galeria nicht mit Amazon oder Alibaba konkurrieren“. © IMAGO / Schöning

Wirtschaftsprofessor Lars Schweizer sieht für Galeria-Karstadt eine Zukunft, aber nicht als Einzelkämpfer

Lars Schweizer (49) ist Wirtschaftsprofessor an der Goethe-Universität. Redakteur Thomas J. Schmidt hat mit dem Management-Experten über die Chancen der insolventen Galeria gesprochen.

Galeria Karstadt-Kaufhof steht schon zum zweiten Mal auf der Kippe. Hat das Unternehmen überhaupt eine Chance?

Gute Frage. Wie es jetzt ist, hat es keine Chance. Man hätte schon nach der ersten Insolvenz 2020 viel radikaler in die Struktur der Kaufhäuser eingreifen müssen.

Frankfurter Innenstadt: „Man hat in der Breite nicht genug investieren können“

Was heißt das?

Es ist ja nicht nur eine Frage der Kaufhäuser, sondern auch eine Frage des Umfelds, der Situation, beispielsweise der Kaufzurückhaltung insgesamt, und auch eine Frage des Engagements der Kommunen. Aber: Das Geld, das 2020 zur Verfügung stand, war nicht ausreichend für 131 Standorte. Man hat in der Breite nicht genug investieren können.

Aber dort, wo investiert wurde, also an den zehn Standorten der sogenannten Galeria 2.0, darunter auch Frankfurt, sehen Sie eine Chance?

Ja. Der Ansatz ist richtig. Ich kann als Galeria nicht mit Amazon oder Alibaba konkurrieren. Die Häuser brauchen ihren Online-Channel, da führt kein Weg vorbei. Aber es ist eben auch physisch wichtig, Kleider anzuprobieren. Das ist noch immer die Chance des klassischen Einzelhandels und viel besser, als immer die Post hin- und herzuschicken. Es ist die Stärke, die Galeria nutzen muss. Ganz wichtig ist die Beratung, die geboten werden muss. Beispielsweise durch spezialisierte Verkäufer, die dem Kunden Tipps geben, wenn er Laufschuhe erwirbt. Das geht im Internet nicht.

Frankfurter Innenstadt: „Spezialisten fehlen heute in Kaufhäusern“

Aber das ist doch das klassische Kaufhaus, das wir noch aus unserer Kindheit kennen? Da gab es doch genau das?

Nein, die Qualität der Beratung stimmt heute nicht mehr. Es hat einen Personalabbau gegeben, die Spezialisten fehlen heute. Man muss heute auch das Kaufhaus noch viel stärker mit den Online-Angeboten verbinden. Ikea beispielsweise hat eine App entwickelt, die es ermöglicht, den eigenen Raum virtuell mit Möbeln zu füllen. Man sieht also, wie es später aussehen kann. Das ist das Neue.

Neues, das Geld kostet. Und Geld fehlt. Wie kann das sein? Der Signa-Eigentümer René Brenko soll Milliardär sein.

Aber er kommt ja eher aus der Ecke Immobilien. Die Galeria-Standorte, die ihm gehören, sind wohl von Schließung ausgenommen, während andere, die Galeria angemietet hat, auf der Kippe stehen könnten. Brenko versucht, aus dem Wirtschafts-Stabilisierungs-Fonds noch einmal Geld zu bekommen und die Kosten weiter zu reduzieren. Die Chance der Insolvenz ist, dass er dann auch langfristige Mietverträge kurzfristig kündigen kann.

Es kann also weitergehen mit der Galeria?

Ja, auf niedrigerem Level.

Ich sehe aber, dass das, was Sie für Galeria beschreiben, im Grunde für alle Einzelhändler gilt. Und wenn alle gleich reagieren, sind wir wieder dort, wo wir jetzt sind?

Die Zahl der Einzelhändler geht generell runter. Alle müssen sich spezialisieren. Galeria muss beispielsweise nicht an jedem Standort alles anbieten. Der Vollsortimenter funktioniert nicht mehr überall.

Welche Zukunft hat die Zeil in diesem Szenario?

Nur als Einkaufsstraße hat sie keine Zukunft. Ohne Events wird es nicht gehen. Man muss den Standort attraktiver machen, um in der Masse mehr Laufkundschaft zu bekommen. Das können die Einzelhändler nur gemeinsam.

Aber es sind heute meist Konzerne mit Zentralen irgendwo. Was interessiert dort die Zeil oder die Innenstadt?

Es gibt die lokalen Geschäftsführungen, die Spielraum haben. Die Händler müssen ihre Probleme gemeinsam lösen, Einzelkämpfer können das nicht.

Wie könnte das aussehen?

Man muss überlegen, welches Kundensegment man anspricht. Jugendliche? Familien? Ältere? Man könnte alle paar Wochen mal ein Event machen, mal mit Zirkus und Artisten, mal mit Musik und Bands, mal mit Musik für die Älteren. Da müssen die Kommunen mitziehen, das ist klar. Aber es braucht eine Strategie, wie man die Innenstadt attraktiver machen kann. (Thomas J. Schmid)

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