Die Übergabe genau geplant

Alte Apotheke in neuer Hand - Ehemalige Chefin will dennoch weiterarbeiten
Vielleicht werden sie es im neuen Jahr erst mal gar nicht merken, die treuen Kunden der Alten Apotheke von Niederrad, dass ein Wandel eingetreten ist. Denn Dagmar Ludwig wird weiterhin für sie da sein, Salben mixen, Medikamente verkaufen und ausführlich und freundlich beraten. Nur dass die 64-Jährige, die viele schon lange kennen, dann nur noch die Hälfte der Zeit in dem Eckhaus in der Odenwaldstraße 18 arbeiten und dass sie dann nicht mehr die Chefin sein wird.
Geschwister übernehmen
Zum 1. Januar 2023 wird die gebürtige Frankfurterin das Geschäft an ihre beiden Nachfolgerinnen, die Schwestern Sybille Kimmel und Simone Scheckel, abgeben. „Aus Altersgründen“, wie Ludwig betont. Den Entschluss, noch vor Erreichen des Rentenalters die Verantwortung zu übergeben, hatte sie bereits vor fünf Jahren gefasst und sich auf die Suche nach passenden Kandidaten gemacht. Die zukünftigen Führungskräfte hat sie erst mal als Mitarbeiterinnen eingestellt. Nun freut sie sich vor allem darauf, die Bürokratie loszuwerden.
Am 2. Januar 2001 hatte Ludwigs selbst die Apotheke von ihrer Schwiegermutter übernommen. „Damals war die Welt noch in Ordnung“, sagt sie. Heute seien sie und ihre Kolleginnen mehr damit beschäftigt, die notwendigen Medikamente zu besorgen, als sich dem zu widmen, was ihr am meisten am Herzen liegt: die fachliche Beratung derjenigen, die den Verkaufsraum betreten.
Das pharmazeutische Gespräch bleibe auf der Strecke, weil das „Beschaffungsmanagement“ überhand genommen habe. Manches, was zur Grundausstattung zähle, wie Fiebersaft für Kinder, Bluthochdruckmittel oder Antibiotika, sei immer schwerer zu bekommen, weil es an entsprechenden Rohstoffen fehle und vieles nur im Ausland produziert werde. Was sie sich nie habe nehmen lassen, betont Ludwig, das seien die „pharmazeutischen Dienstleistungen“ wie das Ermitteln der Blutdruckwerte oder das Beibringen der richtigen Inhalationstechniken. Unabhängig davon, dass das lange nicht vergütet wurde.
Ihre Noch-Chefin sei immer auf dem neuesten Stand und wisse über alles genau Bescheid, lobt Kimmel. Gerade auch während Corona. So fiel die Alte Apotheke unter anderem mit der Ampel auf, die bis heute anzeigt, ob man eintreten darf oder lieber noch warten sollte, bis jemand herauskommt, um ausreichend Abstand zu halten.
Kinder kennen das Versteck mit Spielwaren und Süßigkeiten, von denen sie sich bei jedem Besuch jeweils ein Stück aussuchen dürfen. Die mit kleinen Ringen, Bällen, Tieren gut gefüllte Schublade an der Seite der Verkaufstheke ließen Ludwig und ihre Schwiegermutter extra einbauen, als sie die Apotheke von der Familie Frings übernahmen. Deren Sohn hatte zusammen mit der heutigen Eigentümerin an der Goethe-Universität Pharmazie studiert, aber keinen Abschluss gemacht. Ohne Nachfolger mussten seine Eltern verkaufen.
Ludwig selbst sah in dem Beruf ihre Zukunft, weil Chemie in der Schule ihr Lieblingsfach und Apothekerin ein Beruf für Frauen war, den sie auch mit Familie gut ausführen konnten. Mittlerweile sind alle drei Söhne erwachsen. Die demnächst neu gewonnene Freizeit will die Mutter damit verbringen, Haus und Garten „schöner zu machen“ - sowohl im Schwanheimer Eigenheim als auch im und am Apotheken-Gebäude. Zudem freut sich die leidenschaftliche Tänzerin, die sowohl der Paarvariante frönt als auch der zur Faschingszeit auftretenden Frauen-Playback-Gruppe der Goldsteiner Schlippcher angehört, im Frühjahr endlich mal wieder in den Urlaub fahren.
Wann Ludwig sich ganz zurückziehen wird, steht nicht fest. Derzeit wird sie schon deshalb dringend gebraucht, weil Scheckel sich in Elternzeit befindet. „Wir werden sehen“, sagt sie, „was die Zukunft bringt.“ Katja Sturm