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Darts-WM in Frankfurt: „Gönndalf der Blaue“ trifft den „Black Prince of Wales“

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Ein Besuch bei der Darts-WM in der Eissporthalle in Frankfurt mit einem kleinen Abstecher auf das Schlachtfeld von Crécy: Von Hawaiihemden und Langbögen.

Frankfurt - Lobenswert bei der Darts-WM sind auch in diesem Jahr die vielen Hawaiihemden im Publikum. Das Hawaiihemd - in Würde getragen - ist seit Alters her ein starkes Zeichen sittlicher Reife und sinnlicher Toleranz. Gleiches gilt für die Propellermütze. An Hawaiihemden und Propellermützen herrscht am Samstagabend (17. Juni) in der Eissporthalle Frankfurt kein Mangel, die Sache mit der Würde ist noch optimierbar. Viele leicht als Männer lesbare Besuchende haben sich mit Kleid und Perücke als Frau verkleidet. Das geht in Ordnung, denn eine Darts-WM ist per se eine trans Veranstaltung: ein Massenbesäufnis, gefangen im Körper eines Sport-Events.

Identitätsprobleme sind hier keine Schande. „Halb Mensch - halb Bier“ steht auf den Shirts vieler Besuchender, woran niemand Anstoß nimmt. Andere geben sich per Shirt als „Gönndolf der Blaue“ zu erkennen, obwohl es von dem eigentlich nur einen geben kann. Den vielen Verkleidungen als Schlumpf:ine, Scheich, Super-Mario oder Sträfling haftet hingegen das ungute Odeur der kulturellen Aneignung an.

Darts-WM in Frankfurt: Deutscher Profi verzichtet auf Rammstein-Musik beim Einlauf

Die in der Mitte sind nicht verkleidet. Das sind die Athleten.
Einlauf der Profis in der Eissporthalle: Die in der Mitte sind nicht verkleidet. Das sind die Athleten. © Renate Hoyer

Ebenso wie den zahlreichen Maradonae (wenn es überhaupt einen Plural von Maradona geben sollte, es gibt ja nur einen Diego). Trotzdem ist so eine Darts-WM auch ganz schön woke: Der deutsche Profi Martin Schindler hat aus gegebenem Anlass seinen Rammstein-Walk-on-Song gecancelt, läuft jetzt leiser ein und gibt ein starkes Statement ab: „Ich will mich da einfach distanzieren und raushalten, fertig!“

Weniger divers geht es an den Getränkeständen zu. Angeboten wird Bier, Bier und Bier sowie ein „Frankfurt Spezial - 0,4 Liter Apfelwein (süß- oder sauergespritzt), fünf Euro plus zwei Euro Becherpfand“. Da staunt das internationale Publikum; So speziell kann Frankfurt sein. Der Pfand ist eigentlich nicht nötig, denn, so steht es überall geschrieben: „Becherwurf = sofortiges Getränkeverbot im Block!“ Das will nun wirklich niemand.

Wales und Dänemark liefern sich heiße Schlacht bei der Darts-WM in Frankfurt - Publikum feiert lautstark

Jubel, Trubel, Heiserkeit.
Jubel, Trubel, Heiserkeit. © Renate Hoyer

Auf der Bühne bieten sich Wales und Dänemark eine heiße Schlacht. Das Publikum, das eigentlich damit beschäftigt ist, die Ballerman-Playlist abzusingen, findet dennoch genug Muße, um mehrheitlich für Wales zu jubeln. Eigentlich logisch, weil der Prinz von Wales das Pfeilewerfen ja quasi erfunden hat. Aber um das zu erzählen, ist es hier drinnen zu laut.

Deutschland scheidet im Halbfinale aus

Deutschland ist bei der Darts-Team-WM im Halbfinale gescheitert. Gabriel Clemens und Martin Schindler verloren am Sonntagabend mit 5:8 in der Frankfurter Eissporthalle gegen die schottischen Ex-Weltmeister Peter Wright und Gary Anderson.

Vorher hatten sie im Viertelfinale gegen Topfavorit England mit Michael Smith und Rob Cross 8:3 gewonnen und zum zweiten Mal in der Geschichte das Halbfinale erreicht.

Halbfinalgegner Schottland hatte im Viertelfinale Frankreich 8:0 besiegt. Im Finale wartete Wales (Spiel bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) mit Jonny Clayton und Gerwyn Price, die im Halbfinale Dimitri van den Bergh und Kim Huybrechts aus Belgien 8:7 besiegt hatten. dpa/bö

Verlassen wir also die bierdunstige Eissporthalle und begeben uns an die frische Luft des Schlachtfelds von Crécy. Hier wird am 26. August 1346 der Hundertjährige Krieg ein- und das Rittertum ausgeläutet. Auf der einen Seite stehen sich die Franzosen, angeführt von ihrem König Philippe VI. aus dem Hause Valois und unterstützt vom böhmischen König Johann von Luxemburg. Auf der anderen die Engländer, angeführt von ihrem König Edward III aus dem Hause Anjou-Plantagenêt und dessen mit 16 Jahren ältestem Sohn Edward of Woodstock, heute (damals noch nicht) bekannt als Black Prince of Wales.

Das französische Heer ist etwa doppelt so groß, aber die Engländer haben eine neue Superwaffe: den Langbogen, deren Pfeile durch die geharnischten Ritter gehen wie das Messer durch den Plumpudding. Etwa die Hälfte der englischen Soldaten sind Langbogenschützen. Die Verluste der Gegner sind schrecklich, auch die Anführer kommen nicht ungeschoren davon: König Philippe wird das Pferd unter dem Hintern weggeschossen, er verlässt das Schlachtfeld per pedes. König Johann hat noch mehr Pech und stirbt im Pfeilhagel.

Von der Darts-WM in Frankfurt auf das Schlachtfeld von Crécy

Wo ein Scheich ist, da ist auch eine Bier-Oase in der Nähe.
Wo ein Scheich ist, da ist auch eine Bier-Oase in der Nähe. © Renate Hoyer

Das ist schade, weil der Böhme in ganz Europa als Ritter ohne Furcht, Tadel und Sehkraft gefeiert wird. Der ehemalige Kriegsheld, Turnierrecke und Schlagetot ist mittlerweile blind wie ein Maulwurf, was den Ritter lobesam aber nicht davon abhält, sich ins Schlachtengetümmel zu stürzen. Er ist allerdings auch als „Johann der Blinde“ und nicht als „Johann der Kluge“ bekannt.

Trotzdem schade. Als der junge Edward of Woodstock sich nach getanem Gemetzel beim Bodycount auf dem Schlachtfeld auf dem Schlachtfeld entspannt und Johann den Toten findet, sagt er laut Legende „There lies the Prince of Chivalry, but he does not die“, klaut als Respektsbezeugung drei Straußenfedern und den deutschen Wahlspruch „Ich dien“ aus Johanns Wappen und fügt sie seinem zu.

Darts-WM in Frankfurt: Dabeisein und Durstlöschen sind alles

All das ziert noch heute das Wappen des Prince of Wales. Hätte der junge Edward statt der Schlacht von Crécy die Darts-WM in Frankfurt besucht, fünden sich jetzt in seinem Wappen wohl Hawaiihemd, Propellermütze und der Wahlspruch „Who the fuck is Alice?“. Das wäre immerhin Englisch. Und damit zurück in die Eissporthalle.

Hier findet jede und jeder ihre oder seine Identität.
Hier findet jede und jeder ihre oder seine Identität. © Renate Hoyer

Wales schlägt die Dänen 8:2. Deutschland wirft auch noch mit. Aber das ist nicht so wichtig. Dabeisein und Durstlöschen sind alles. Und wer einmal dabei war, der kommt immer wieder. Die zahlreichen Gönndalfs die Blauen versprechen ihren Fans auf dem Shirt-Rücken: „Erwartet meine Rückkehr beim ersten Licht des fünften Tages, bei Sonnenaufgang, schaut nach Osten.“ Die Vorfreude ist jetzt schon groß. (Stefan Behr)

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