Dieb stiehlt Fotografen-Paar Papiere, Festplatten und 50 000 Fotos
In ihrer letzten Urlaubswoche werden Sarah Pour und Christian Saatmann ausgeraubt. Mit einem Aufruf auf Social Media versucht das Fotografen-Paar die Festplatten mit rund 50 000 Fotos zurückzubekommen. Ein anonymer Absender behauptet, im Besitz der Fotos zu sein.
Es ist die letzte Woche ihres Roadtrips durch Europa. Gerade sind sie mit der Fähre von Albanien nach Bari in Italien übergesetzt. Beim Verlassen der Fähre muss es schnell gehen, der Hund wird hinten in den VW-Bus gesetzt, die Rucksäcke werfen sie aufs Bett. Die Leidenschaft für die Fotografie und das Reisen hat Sarah Pour und Christian Saatmann zusammengebracht. Nun wollen die zwei Frankfurter die Welt entdecken, ihre Reisen fotografisch dokumentieren und damit andere inspirieren. Die fast dreimonatige Europatour im Campingbus ist Teil dieser Mission.
Bus aufgebrochen
Kaum haben sie die Fähre verlassen, machen sie sich auf die Suche nach einem Supermarkt. Google-Maps lotst sie zu einem Penny-Markt in der italienischen Hafenstadt Molfetta. Der Einkauf dauert nicht mal eine Stunde. Als sie zurückkommen, steht die Schiebetür des Busses ein Stück auf. Ein ungutes Gefühl macht sich breit. Halb im Scherz fragt Pour ihren Freund, ob er vergessen habe, abzuschließen. Dabei laufen sie routinemäßig immer zweimal um den Bus herum und checken alle Türen. Der Verdacht bestätigt sich: Das Schloss der Beifahrertür ist zerstört. Das Handschuhfach ist durchwühlt worden. Auch die Rucksäcke sind weg – und damit zwei Laptops, zwei Kameras, verschiedene Objektive, Kopfhörer, Sarah Pours Portemonnaie mit Personalausweis, Geldkarten, Führerschein und beide Festplatten – mit 50 000 Fotos von ihrer Reise und der Hochzeit eines Freundes. „Es ist, als wären wir nie auf Reise gewesen“, sagt die 29-jährige Art Direktorin über den Verlust der Fotos. „Und als hätte unser Freund nie geheiratet.“
Es dauert rund vier Stunden, bis Pour und Saatmann das verantwortliche Polizeirevier ausfindig machen können. Die Hilfsbereitschaft der Beamten hält sich in Grenzen. „Es wurden keine Spuren genommen, keine Notizen gemacht, gar nichts“, ärgert sich Saatmann über den „unorganisierten Schuppen.“ Auch die Anzeige wird von den Beamten falsch übersetzt. Aus teuren Marken-Kopfhörern werden „Kopfhörer“, die 3000 Euro teure Kamera kostet plötzlich nur noch 1000 Euro. Selbst die Tatzeit wird falsch übernommen.
Was nun? Schnell wird dem Paar klar, dass sie selbst aktiv werden müssen, wenn sie ihre Fotos jemals wieder bekommen möchten. „Wir wollten unsere Situation so schnell wie möglich publik machen“, sagt der 30-jährige Fitnessstudio-Manager. Mit Hilfe eines Freundes übersetzen sie ihren Hilferuf auf italienisch, posten ihn auf Facebook und Instagram und kontaktieren italienische Lokalzeitungen. 500 Euro Finderlohn schreiben sie aus. Innerhalb weniger Tage erreichen sie so rund 30 000 Menschen. Neben viel Mitleid und Trost erreicht sie die Nachricht eines skurrilen Instagram-Accounts, der nach ihren E-Mail-Kontakten fragt.
Anonyme E-Mails
Kurz darauf erhalten sie eine Mail: „Ich habe die Festplatten (...) Ich hoffe, ihr antwortet schnell.“ Saatmann findet heraus, dass der Absender eine E-Mail-Adresse verwendet hat, die sich nach 60 Minuten selbstständig löscht. Vom Fachkommissariat für Internetkriminalität in Dreieich erhalten sie eine Anleitung, um die IP-Adresse des Absenders ausfindig zu machen. Der Versuch scheitert, da wichtige Details des Absenders verschleiert sind. „Wir kommen uns vor wie in einem extrem schlechten Tatort“, sagt Saatmann. Polizei-Pressesprecherin Andrea Ackermann bestätigt, dass das Paar Anzeige wegen Diebstahls gestellt hat. Wegen der dubiosen Mail könne aber kein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, da sie zum jetzigen Zeitpunkt keine Straftat darstelle. „Sollte sich herausstellen, dass diese Person tatsächlich im Besitz der Fotos ist, kann wegen Hehlerware ermittelt werden“, sagt Ackermann.
Das Paar hat noch mehr Mails von dem anonymen Absender erhalten, jedes Mal von einer anderen Adresse; er habe die Festplatte auf einem Markt gekauft und die Fotos wiederherstellen können, schreibt er. Doch das Paar bezweifelt, dass es sich um einen ehrlichen Finder handelt. Doch sie wollen ihre Fotos zurück. Über Instagram fragten sie nach einem Beweis. Die Antwort stand bis zur Veröffentlichung dieses Berichtes noch aus. „Eine Person hat es geschafft, in wenigen Sekunden das Leben von vier Personen zu zerstören“, sagt Sarah Pour.