1. Startseite
  2. Frankfurt

„Diese Kreuzung ist die Hölle“

Kommentare

Im Kreuzungsbereich vor dem Eschenheimer Tor geht es morgens hektisch zu. Die Situation wirkt unübersichtlich. Ist die Stelle deshalb auch gefährlich?
Im Kreuzungsbereich vor dem Eschenheimer Tor geht es morgens hektisch zu. Die Situation wirkt unübersichtlich. Ist die Stelle deshalb auch gefährlich? © Enrico Sauda

Am Eschenheimer Turm kommen sich Autos, Radler und Fußgänger ständig in die Quere. Vor allem im Berufsverkehr gibt’s Konflikte und Verwirrungen.

Frankfurt -An einem Montag kurz vor 8 Uhr in der Innenstadt: An der Kreuzung Eschersheimer Landstraße, Eschenheimer Anlage und Oeder Weg herrscht der allmorgendliche Wahnsinn. Zahllose Pkw, Lieferfahrzeuge, Radfahrer, Fußgänger und E-Scooter treffen im Berufsverkehr zeitgleich aufeinander. Angesichts der diffusen Masse verschiedener Verkehrsteilnehmer mit jeweils eigenen Zielen, Rollen, Tempi und Dringlichkeiten wäre Rücksicht gefragt, aber ein respektvolles Miteinander steht nicht für jeden auf der Agenda.

Die kleine Ampel am Ende der neuerdings „fahrradfreundlichen Nebenstraße“ Oeder Weg sehen viele Radfahrer jedenfalls eher als Empfehlung. Gefühlt jeder Zweite fährt bei Rot durch und wechselt dann entweder auf den Gehweg, fährt auf die Gegenspur oder reiht sich ein auf dem Anlagenring. „Als Radfahrer muss man beweglich sein“, erklärt ein Radler lapidar. Besonders Wagemutige schlängeln sich gar zwischen den Autos hindurch geradeaus Richtung Innenstadt, obwohl der Radweg an dieser Stelle nur nach rechts führt.

Viele Autofahrer wiederum stoppen in der Schlange auf dem Fußgängerübergang, obwohl sie Abstand halten und damit Platz für die Fußgänger machen könnten. Es ergibt sich das Bild einer Kreuzung an der Belastungsgrenze - überladen und hektisch, ob der ineinander verschmelzenden Verkehrsmasse irgendwie unübersichtlich. Aber ist die Kreuzung deshalb auch gefährlich? An Konfliktpotenzial mangelt es jedenfalls nicht. „Man sieht Sie sehr schlecht“, tippt eine Dame in neongelber Warnweste die Radfahrerin vor ihr an, um anschließend an der roten Ampel vorbei mitten auf den Gehweg zu wechseln. Einige Meter weiter reißt einer Passantin der Geduldsfaden. Eine dunkle Limousine blockiert den Fußgängerübergang. Mehrfach klopft die Dame auf die Scheibe und wirft einen bösen Blick in Richtung Fahrer.

Auch Leif Boysen ärgert sich über das rücksichtslose Verhalten. „Vor allem da vorne“, der Radfahrer deutet auf den Übergang am Eschenheimer Tor, „stehen die Autos im Weg.“ Generell sei die Kreuzung eine Katastrophe. „Es ist viel zu voll“, meint Boysen. Er selbst hat an der Ampel vorschriftsgemäß gestoppt. Das sei zwar keine löbliche Ausnahme, aber auch nicht die Regel, berichtet ein Passant. „Ich komme jeden Tag vorbei. Am Fußgängerübergang im Oeder Weg muss man aufpassen. Einige Male hätte es fast gekracht, seitdem lasse ich den Radfahrern den Vortritt“, sagt der 65-Jährige. Eine Frankfurterin im BMW pflichtet bei: „Es ist hier tricky. Die Radfahrer brettern erst über Rot und dann über die Kreuzung“, sagt die 33-Jährige. Andere sind entspannter. „Wenn sich einige nicht an die Regeln halten, ist das immer ein Problem. Aber grundsätzlich ist die Situation okay“, sagt ein Autofahrer.

Er hat recht. Am Knotenpunkt gibt es viel Frust, aber erstaunlicherweise ist die Kreuzung kein Hot-Spot, an dem es zu besonders vielen Verkehrsunfällen kommt. Wer den Unfallatlas der „Statistischen Ämter des Bundes und der Länder“ im Internet aufruft, sieht auf der Frankfurter Stadtkarte viele rote Markierungen, aber gerade der Kreuzungsbereich am dem Eschenheimer Turm ist auffallend leer.

Von den Grenzen der Regelbarkeit

Zwei Unfälle mit Personenschaden, in beiden Fällen mit Leichtverletzten, verzeichnet die Statistik im Jahr 2021 für den oberen Bereich direkt unterhalb des Kinos. Am Schnittpunkt Bleichstraße/Hochstraße/Eschenheimer Tor kommen zwei weitere (einer davon mit Schwerverletzten) hinzu. Zum Vergleich: Am Platz der Republik kam es im selben Zeitraum zu sieben Unfällen mit Personenschaden (einer mit Schwerverletzten), im Kreuzungsbereich am südlichen Ende der Alten Brücke gab es gar neun Vorkommnisse (alle mit Leichtverletzten).

Doch woher kommt die Differenz zwischen subjektivem Empfinden und tatsächlicher Gefahrenlage? „Das Problem ist, dass die Verkehrssituation ein bisschen unklar ist. Als Radfahrer weiß ich nicht, wie ich mich verhalten soll.“, sagt ein Anwohner, der mit seinem Rad vom Oeder Weg aus auf die Kreuzung trifft. „Alle wollen in Richtung Innenstadt, das ist für die Nutzer des Radwegs auf dem Anlagenring aber nicht vorgesehen. Nach links dürfen sie an der Kreuzung zur Eschersheimer Landstraße nicht abbiegen“, sagt er überzeugt - und täuscht sich damit selbst. Tatsächlich ist das Abbiegen nämlich möglich Zu sehen sind die Richtungs-Pfeile aber kaum.

Im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Frankfurt wünscht man sich daher Nachbesserungen. „Wir denken, dass die Verkehrsführung für Radfahrende noch nicht komplett durchdacht ist“, sagt Pressesprecherin Susanne Neumann. Radfahrer könnten kaum anständig über die Kreuzung kommen und müssten sich „in den Straßenverkehr mogeln“. So erlebe man auch immer wieder, wie Autofahrer die erweiterte Aufstellfläche für Radfahrer ignorierten. Zum Thema Radler und Ampeln haben die Rad-Lobbyisten eine klare Meinung. „Die Infrastruktur in Frankfurt ist verbesserungswürdig, aber das ist kein Grund, rote Ampeln zu ignoriereren.“

Monika Jiab empfindet das Verhalten der radelnden Rotfahrer als „Respektlosigkeit gegenüber den Fußgängern“. Sie erinnert sich an Zeiten, in denen es übersichtlicher zuging. „Das Problem ist die Abfahrt vom Anlagenring rechts hoch in die Eschersheimer Landstraße. Da ist es so eng, dass die meisten Autofahrer nicht verstehen, dass es zwei Spuren gibt. Deshalb kommt es zum Rückstau“, meint die 63-Jährige. Mangelnde Übersichtlichkeit beklagt auch Alex Baas. „Viel Straßenmalerei und - typisch deutsch - tausend Schilder: Für Ortsunkundige ist die Kreuzung die Hölle“, sagt der Servicefahrer, der mit „Straßenmalerei“ die rotgefärbten Fahrradspuren und die vielen Pkw-Spuren meint.

Das alles sei aber notwendig, betont die Stadt. „Eine sichere Verkehrsabwicklung in einem so komplexen Knotenbereich ist nur mit der entsprechenden Beschilderung und Markierung möglich“, heißt es vom Straßenverkehrsamt.

An anderer Stelle soll aber nachjustiert werden. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie prüft die Verwaltung die Einrichtung eines Zweirichtungsradwegs zwischen Oeder Weg und Großer Eschenheimer auf der Ostseite des Eschenheimer Tors. Der Anschluss vom Oeder Weg in die Innenstadt soll optimiert werden, so die Verwaltung, die die Radverkehrsführung im Bereich des City- und Anlagenrings grundlegend verbessern will. Der Bereich um die große Eschenheimer Straße habe dabei Priorität, so das Amt. Dadurch werde es künftig „eine sehr attraktive, direkte Verbindung in Richtung Innenstadt“ geben. Kurzfristig sei das aber nicht umzusetzen.

Dass bei diesem und anderen Projekten auch die Fußgänger nicht vergessen werden, darauf hofft Angelika Schneider. „Ich finde neue Radwege toll, aber für Fußgänger wird die Situation dadurch nicht immer leichter, wenn Radfahrer sich in der Vorfahrt wähnen und angebraust kommen, ohne nach links oder rechts zu schauen“, gibt die Mitgründerin der „Initiative für sichere Gehwege“ zu bedenken. Vom Fußgänger werde verlangt, den Radverkehr zu beobachten, und dann „huscht man schnell drüber“, sagt die Frankfurterin, die sich vor allem eins wünscht: Mehr Querungsmöglichkeiten entlang der Radwege.

Auch interessant

Kommentare