Streit um Balkon-Blumen im Bahnhofsviertel: Vermieter will Pflanzen mit allen Mitteln entfernen
Ein Mieter hat seinen Balkon im Frankfurter Bahnhofsviertel zum kleinen Blumen-Paradies umgestaltet. Nach 13 Jahren sollen sie plötzlich weg - aus für ihn unverständlichem Grund.
Frankfurt - Pflanzen sind rar in der Moselstraße in Frankfurt. Klimaschutz und Schönheit ebenfalls. Seit 13 Jahren lebt Klemens Rolf (65) im Obergeschoss von Hausnummer 51, einer gelben Vorzeigeimmobilie, und hat seinen Balkon mit Kräutern, Blumen und anderen Pflanzen verziert. Jetzt will plötzlich seine Hausverwaltung die Pflanzen des ausgebildeten Gärtners und staatlich geprüften Technikers für Gartenbau loswerden, weil er damit angeblich die Verkehrssicherheit gefährdet.
„Ich verstehe die Welt nicht mehr“, so Rolf, der sich als Bahnhofsviertelkünstler einen Namen gemacht hat und bei der Deutschen Bahn arbeitet. Frustriert steht er zwischen Lavendel, Mönchspfeffer, Thymian und gelbäugiger Susanne, die, mit Seilen und Ketten doppelt und dreifach gesichert, fest angebracht sind und über der Straße leuchten. „In sechs Etagen haben drei Etagen ihre Balkone verschönert. Nie ist etwas passiert, die Leute freuen sich über ein Stück schönes Stadtbild - und jetzt das“, sagt der Mann völlig verstört.

Balkon-Blumen im Bahnhofsviertel: Vermieter will sie loswerden, Mieter soll Kosten tragen
Laut einem Schreiben der Hausverwaltung, das dieser Zeitung vorliegt, sollen die Pflanzen von der Attika entfernt und dafür der Hausmeister geschickt werden - für einen Stundenlohn von 40 Euro plus Anfahrt für 35 Euro. „Sollten Sie die Umsetzung der Pflanzen und den dadurch nötigen Zugang der Wohnung nicht dulden, werden wir die Arbeiten per Fremdfirma-Hubsteiger und dazu nötiger Straßensperrung vornehmen“, steht darin und auch, dass er die Kosten tragen soll.
Notfalls will der Vermieter sogar die Polizei hinzuziehen, da Rolf gegen die Verkehrssicherungspflicht verstoße. Ob die anderen Mieter mit den begrünten Balkonen ebenfalls ein solches Schreiben bekommen haben, weiß Rolf nicht. Vermieter und Hausverwaltung haben auf Anfrage dieser Zeitung nicht reagiert.
Rolf ist in das sechsstöckige Gebäude kurz nach Fertigstellung gezogen. Das Haus wurde 2010 vom Stadtmarketing als Prestige-Objekt des Städteumbaus im Bahnhofsviertel vorgestellt. Es hat geförderte Wohnungen, ein modernes Ambiente, es ist ein Lichtblick in der Moselstraße. Direkt nebenan ist das Café Fix, die Straße ist oft voller Drogenkranker.
Balkon-Blumen im Frankfurter Bahnhofsviertel: „So fest befestigt, dass absolut nichts runterfallen kann“
„Besucher kommen nicht gern in die Straße“, so Rolf. Erst oben in seinem Paradies fühlten sie sich wohl. „Das Haus ist ein Schmuckstück, jeder bewundert das Gebäude, das so freundlich strahlt, und auch das Grün auf dem Balkon, das ich seit eh und je habe und das so fest befestigt ist, dass absolut nichts runterfallen kann“, so Rolf. „Nie wurde gemeckert, alles ist sicher.“
Rolf vermutet ein zwielichtiges Geschäft in der Nähe als eigentlichen Treiber. „Ich habe mich öfter beschwert über Müll vor der Tür und Laubbläser, mit denen der Müll einfach mitten auf die Straße gepustet wurde. Die haben sich wohl an den Vermieter gewandt, um sich zu rächen.“
Müssen die Blumen vom Balkon weichen? Rechtslage ist schwammig
Gerichte entschieden in solchen Fällen mal so, mal so. Das OLG Köln sieht Blumenkästen an einer Fensteraußenbank als normalen Mietgebrauch an (AZ.: 316 S 79/04), das Landgericht München (Az.: 13 S 2348/01) und das Landgericht Hamburg (AZ.: 316 S 79/04) ebenso. Das Landgericht Berlin wiederum hat einem Vermieter recht gegeben. Fakt ist, dass es keine gesetzlichen Regelungen für befestigte Blumenkästen an der Brüstung gibt, dass die Verkehrssicherungspflicht in erster Linie bei den Mietern liegt. Im Idealfall würde in jedem Streitfall die konkrete Sachlage geprüft.
Für Klemens Rolf steht außer Frage, dass er dieser Pflicht voll und ganz gerecht wird. Der Vorstoß seines Vermieters ärgert ihn um so mehr, als dass er sich seit Jahren fürs Bahnhofsviertel einsetze, dafür, dass es etwas schöner ist. Unzählige Bilder hat er von seinem Viertel gemalt. „Wir leben in Zeiten des Klimawandels, kaum jemand in der Straße sorgt für besseres Klima und bei mir wollen sie die Wohnung stürmen, um das einzige Grün wegzumachen. Das ist doch völlig unverständlich.“ Am Montag sei bereits jemand gekommen, der in die Wohnung wollte, um die Pflanzen wegzumachen. (Sabine Schramek)
Ob das Blumenparadies auf Klemens Rolfs Balkon wirklich ein dringliches Problem im Bahnhofsviertel darstellt, ist fraglich. Andere Belange sind hingegen von großer Bedeutung und sollen von der Stadt Frankfurt angegangen werden.