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Dorina möchte eine Sterilisation: „Schwanger habe ich mich schmutzig gefühlt“

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Dorina (33) wünscht sich eine Sterilisierung, um keine Angst mehr vor einer Schwangerschaft zu haben.
Dorina (33) wünscht sich eine Sterilisierung, um keine Angst mehr vor einer Schwangerschaft zu haben. © Foto: Luis Teschner

Dorina weiß, dass sie keine Kinder will und hat große Angst vor einer Schwangerschaft. Trotzdem ist ihr Weg zur Sterilisation alles andere als einfach.

Frankfurt – Seit fast 20 Jahren weiß Dorina (33) aus Frankfurt, dass sie nie im Leben Kinder haben möchte. Seit fast 20 Jahren wird Dorina mit diesem Wunsch von vielen Mitmenschen nicht ernst genommen. Inzwischen ist ihr das egal und sie ist sicher, sie will eine Sterilisation, um endlich mit dem Thema abschließen zu können. Doch leichter gesagt, als getan.

Eine freiwillige Sterilisation muss in Deutschland fast immer selbst gezahlt werden, außerdem bieten nur wenige Ärzte den operativen Eingriff an. Vor allem für Frauen gilt das Kinderkriegen als grundlegendes Element der Lebensführung, das man nicht leichtfertig aufgeben sollte. Doch Dorina hat eine starke Angst vor einer Schwangerschaft und ihre Fruchtbarkeit bedeutet für sie großen Stress.

Im Interview erzählt Dorina, warum eine Schwangerschaft für sie der pure Albtraum wäre, dass eine Sterilisation für sie die einzige Option ist, und wann sie den Schritt endlich wagen möchte.

Dorina (33): „Ich fand Babys immer nur nervig und nicht süß.“

Warst du dir schon immer sicher, dass du keine Kinder möchtest?

Schon im Kindesalter war ich nie dieses typische Mädchen, das mit Puppen spielt. Beim Vater-Mutter-Kind-Spielen war ich immer der Vater und habe mich nie für Kinder interessiert. Als ich in die Pubertät kam und meine Freundinnen über Heirat und Kinderkriegen geredet haben, habe ich das nie gefühlt. Ich fand Babys immer nur nervig und nicht süß. Aber das hat niemand ernst genommen. Jeder hat gesagt: „Du bist 16, werde erst mal älter. Das ist ganz normal.“

Hat sich das auch auf dein Liebesleben ausgewirkt?

Anfang 20 bin ich in eine Beziehung gekommen, in der Kinderkriegen ganz klar Teil des Plans war. Er kam vom Land, ich sollte Kinder kriegen, mit in die Firma einsteigen. Für mich war das nicht okay, aber es war halt der erste Freund. Alle um mich herum sagten: „Das kommt schon, das kommt schon“. Und eines Tages dachte ich, ich wäre schwanger. Es war ungeplant.

Wie war das für dich?

Da ist für mich eine Welt zusammengebrochen und ich habe mich schmutzig gefühlt. Am liebsten wäre ich von einer Brücke gesprungen und habe gar keinen Ausweg gesehen. Ich konnte mit niemandem darüber sprechen. Ich habe mich noch nie so eklig gefühlt, als wäre ich nicht mehr Herr meines Körpers. Beim Frauenarzt hat es sich zwar als Fehlalarm herausgestellt, aber ab da wusste ich, dass ich niemals ein Baby möchte. Daran ist die Beziehung auch zerbrochen.

Was stört dich an der Vorstellung, ein Kind zu haben? Hast du Angst vor der Geburt?

Nicht so sehr, das gehört ja dazu. Ich kann mir einfach in keinster Weise vorstellen, Mutter zu sein. Aber Abtreibung wäre für mich auch keine Option. Vor dieser Entscheidung hätte ich große Angst. Entweder mit einer Abtreibung leben zu müssen oder das Kind zu bekommen und ihm nicht gerecht zu werden. Alle Möglichkeiten wären schlimm für mich, selbst Adoption.

Sex bedeutet für Dorina Stress: „Oft kann ich nächtelang nicht schlafen“

Nach diesem Erlebnis warst du dir also sicher. Warum hast du dich trotzdem noch nicht sterilisieren lassen?

Ich war 25 und wollte es direkt erledigt haben. Aber meine damalige Frauenärztin war komplett dagegen. Sie meinte, das gebe es nicht in Deutschland. Ich müsste viel Geld bezahlen und nach Osteuropa gehen. Ich habe schnell mitbekommen, dass man mit Mitte 20 da nicht ohne Weiteres herankommt. Meine Frauenärztin war für mich eine Vertrauensperson, der ich geglaubt habe.

Wie hast du dann weitergemacht?

Ich bin nie wieder eine Beziehung eingegangen. Auch Sex habe ich nur sehr selten und es ist immer mit großem Stress verbunden. Und wenn, war es erst so ein Dreivierteljahr später wieder gut, weil erst dann der Druck abgefallen ist. Weil ich erst dann sicher sein konnte, dass ich nicht schwanger bin. Oft konnte ich nach dem Sex nächtelang nicht schlafen.

Erhoffst du dir von einer Sterilisation also auch eine Partnerschaft und ein stressfreieres Sexleben?

Das ist eine gute Frage. Ich bin glücklicher Single und ein sehr unabhängiger Mensch. Ich brauche keinen Mann. Trotzdem glaube ich, dass definitiv ein gewisser Ballast wegfallen wird, dass ich befreiter sein kann und diese Blockade nicht mehr da sein wird.

Sterilisation

Bei einer Sterilisation werden die Eileiter verlötet, durchtrennt oder mit einem Clip verschlossen. Die OP kann entweder als Bauchspiegelung oder als Bauchschnitt durchgeführt werden. Während die Bauchspiegelung ambulant vorgenommen werden kann, bedeutet ein Bauchschnitt einen mehrtägigen Krankenhausaufenthalt. Die Kosten einer Bauchspiegelung liegen bei ungefähr 800 Euro. Nur selten übernehmen gesetzliche Krankenkassen die Kosten.

Die Sterilisation gilt als sicherste Verhütungsvariante, bietet aber keinen hundertprozentigen Schutz. Sie kann unter Umständen rückgängig gemacht werden, auch wenn die Wahrscheinlichkeit, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, danach deutlich geringer ausfällt. Der Menstruationszyklus bleibt von der Sterilisation unberührt und findet unverändert weiter statt. Ungefähr zwei Prozent der deutschen Frauen lassen sich sterilisieren, die meisten davon über 40 Jahre alt. (Quellen: selbstbestimmt-steril.de, tk.de)

Mitmenschen können Dorina nicht verstehen: „Ich kann es 10.000 Mal sagen“

Wie reagieren die Menschen in deinem Umfeld auf dein Vorhaben?

Meine Familie und engsten Freunde sehen, wie sehr es mich belastet und akzeptieren daher meine Entscheidung. Ansonsten werde ich oft nicht ernst genommen. Ich kann es 10.000 Mal sagen, und trotzdem wird oft gesagt, ich müsste nur den richtigen Mann kennenlernen. Ich wäre dann im Alter alleine. Da denke ich mir: Wie schlimm wäre es denn, ein Kind zu bekommen, nur damit ich später nicht alleine bin?

Hattest du jemals das Gefühl, für dich als Frau gehört es dazu, Kinder zu haben?

Nein. Ich kann voll und ganz Frau sein, ohne dass ich ein Kind kriege.

Denkst du, die Ablehnung wird weniger, wenn du sterilisiert bist?

Ich denke schon. Wenn mich jemand fragen wird, ob ich Kinder will, werde ich sagen, dass ich keine Kinder kriegen kann. Vielleicht fällt ihnen dann auf, dass es eine sehr unfreundliche Frage ist. Das ist dann einfach endgültig und sie müssen es ernst nehmen.

Gibt es Aspekte der Sterilisation, die dir unangenehm sind?

Teilweise schon. Zum Beispiel, wenn ich sehe, wie es bei anderen nicht klappt und sie darunter leiden, ich mich aber sterilisieren lassen will. Das ist ein Konflikt, den ich habe. Meine Mama ist letztes Jahr Großmutter geworden und sie geht total darin auf. Sie akzeptiert mich zwar komplett, aber es ist schon traurig, dass ich ihr dieses Geschenk nicht geben kann.

Dorina plant noch dieses Jahr ihre Sterilisation

Hast du schon mal Gleichgesinnte getroffen?

Nein, aber ich kenne es nicht anders. Ich habe inzwischen eine neue Frauenärztin, die dem Thema ganz offen gegenüber steht und sagt, jede Frau solle mit ihrem Körper das machen, was sie möchte. Sie hat mir den Verein Selbstbestimmt Steril empfohlen, wo Menschen wie ich Informationen finden können.

Ist die Sterilisation damit für dich wieder greifbarer geworden?

Genau. Auf der Website des Vereins gibt es eine Karte mit Ärzten, die eine Sterilisation anbieten. Bei einer Klinik in Offenbach mit sehr guten Rezensionen habe ich mich dann gemeldet und hatte ein Vorstellungsgespräch. Eigentlich muss ich jetzt nur noch den Termin vereinbaren. Wahrscheinlich so im Oktober oder November werde ich das dann machen.

Du wirst es selber zahlen müssen.

Genau. Obwohl, eigentlich ist es noch nicht ganz klar. Es könnte sein, dass ich Endometriose habe, die würde der Arzt in der OP mit wegmachen. Dann könnte ich einen Teil von der Krankenkasse zurückbekommen. Aber eigentlich muss man es selbst zahlen.

Was würdest du Frauen empfehlen, die über eine Sterilisation nachdenken, aber nicht wissen, wo sie anfangen sollen?

Es kommt sehr darauf an, an wen man gerät und man kann total Glück haben. Bei Selbstbestimmt Steril gibt es sehr viel Informationsmaterial zu ganz vielen Bereichen. Da habe ich mich eingelesen und mich dann nicht mehr ganz so allein gefühlt. Es gibt Menschen, die ähnlich fühlen und die gleichen Erfahrungen gemacht haben. (lute)

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