1. Startseite
  2. Frankfurt

Drei Jahre Rio de Janeiro auf 500 Seiten

Kommentare

Immer dabei:Wenn Andreas Nöthen aus seinem Buch über die Auswanderung liest, hört Mischling Tito aufmerksam zu. Seit 2021 macht er die Familie komplett.
Immer dabei:Wenn Andreas Nöthen aus seinem Buch über die Auswanderung liest, hört Mischling Tito aufmerksam zu. Seit 2021 macht er die Familie komplett. © Judith Dietermann

Mit Sack und Pack nach Südamerika: Buch erzählt vom größten Familienabenteuer

Andreas Nöthen lebt gerne in Rödelheim. In dem kleinen Reihenhäuschen nahe der Nidda. Mit dem verwilderten Garten und den bunt gestrichenen Räumen. Trotzdem hat er Fernweh. Immer wieder. Wie auch 2015. Die Zwillinge Ella und Edgar waren gerade sechs Jahre alt geworden und sollten bald eingeschult werden. „Das war der beste Zeitpunkt um Deutschland den Rücken zu kehren und für ein paar Jahre in einem fremden Land zu leben“, sagt Nöthen.

Leidenschaft fürs Reisen

Seine Frau Wiebke musst er von seinem Plan nicht überzeugen, sie war sofort dabei. Verbindet das Ehepaar, dass sich in den 1990er-Jahren in einem Studentenwohnheim in Manchester kennenlernte, doch die Leidenschaft fürs Reisen und fremde Kulturen. Und so stand der Entschluss der Nöthens schnell fest: Wir wollen auswandern. Auf Zeit.

Aber wohin? Erst stand Frankreich als Wunschziel oben auf der Liste, dann wurde es Brasilien. An einer deutschen Schule hatte sich Wiebke, die als Lehrerin arbeitet, beworben und war angenommen worden. Andreas konnte derweil als freier Journalist quasi weltweit arbeiten. Die Technik macht’s möglich. Und die Kinder? Die, sagt er, habe man schnell von diesem großen Familienabenteuer überzeugen können.

Das ist seit mittlerweile vier Jahren beendet. Aber nicht vergessen. Wie damals sitzt Andreas Nöthen in dem kleinen Reihenhaus in Rödelheim. Immer noch sind die Räume bunt gestrichen. Nicht weniger bunt ist das Buch, das vor ihm auf dem kleinen Balkontisch liegt. 500 Seiten dick ist es und trägt den Titel „Hallo, Rio! Mit Sack und Pack nach Brasilien“. Das ist die Auswanderungsgeschichte der Nöthens, die jetzt in Form dieses Buches erschienen ist. Es erinnert die Familie stets daran, welch tolle und prägende Erfahrungen sie drei Jahre lang in Südamerika sammeln konnten. „Es scheint schon so lange weg zu sein und trotzdem ist es ganz nah“, sagt Nöthen, der in dieser Zeit eine enge Verbindung zu dem siebtgrößten Staat der Erde - rund 215 Millionen Menschen leben in Brasilien - aufbaute. So eng, dass er diesen Sommer wieder dorthin flog. Aber nur für den Urlaub.

Auch wenn das Buch den Zusatz „Mit Sack und Pack nach Brasilien“ trägt - ganz so ist das nicht richtig. So behielt die Familie doch ihr Reihenhaus, auch die Möbel blieben in Deutschland. Möglich war das, weil sie in Rio de Janeiro eine Wohnung samt Mobilar übernehmen konnte. „Das war wirklich eine große Erleichterung, man hatte eine erste Infrastruktur“, sagt Andreas Nöthen. In Sachen Portugiesisch fingen alle bei Null an. Am leichtesten fiel es freilich den Zwillingen, die eine deutsche Schule besuchten. Aber auch empört waren. Angelogen hätten die Eltern sie, es würde an der Schule ja gar kein Deutsch gesprochen klagten sie. Ein Jahr, sagt Andreas Nöthen, hätte es gedauert, bis die Kinder „wirklich angekommen“ seien. Vor allem Ella habe sich schwer getan, sie sei zunächst zurückhaltender als ihr Bruder gewesen. „Man hat gemerkt, dass sie an die Situation nagen müssen“, sagt Nöthen.

Pünktlich zu Olympia

2016 kamen sie in Rio de Janeiro an - das Jahr, in dem dort die Olympischen Sommerspiele stattfanden. „Unglaublich“ sei es gewesen, diese zu erleben. Und selbst Teil davon zu sein. Tickets für die Top-Sportarten bekam die Familie allerdings nicht, dafür waren sie „einfach zu spät dran“. Lediglich für den Modernen Fünfkampf und weniger populäre Sportarten ergatterten sie noch Karten.

Die Olympischen Spiele waren aber nur einer der zahlreichen Höhepunkte, die die Nöthens in drei Jahren Brasilien erlebten. Nicht fehlen durfte freilich auch der „Carnaval do Rio“ mit seiner bunten Parade durch die gesamte Stadt. Oder der Besuch des Zuckerhuts und der Favela Rocinha - die größte Favela (Armens-/Elendsviertel) Lateinamerikas. Größer könnten die Gegensätze wohl nicht sein.

Was in dem Buch von Andreas Nöthen allerdings nur einen kleinen Teil einnimmt. Ist dies doch aus einem Blog entstanden, den er ursprünglich für Familien und Freunde geschrieben hatte, um sie über ihr neues Leben zu informieren. Das nun eben zum Buch wurde. Und daher eine Mischung ist aus praktischen Tipps und kleinen Reiseberichten, lustigen Stücken, wie der Vergleich von Rio mit Köln - für Nöthen die beiden schönsten Städte der Welt - aber auch Berichte über die politische Lage und Entwicklung des Landes in Südamerika.

Etwas Mut gehört dazu

Ein Buch, das Lust auf eine Auswanderung macht und zugleich auch die Angst davor nimmt. „Man muss schon ein bisschen Mut mitbringen, oft einen langen Atem haben und in vielen Situationen hartnäckig bleiben. Aber wenn man das möchte und das Fernweh einen treibt, dann sollte man es unbedingt versuchen. Anstatt eine solche Chance zu verpassen“, sagt Andreas Nöthen. Die Rückkehr nach mehr als drei Jahren sei zwar „etwas holprig gewesen“, aber trotzdem eine gefühlte Heimkehr. „Wir haben ja alle Möbel dagelassen“, sagt Nöthen und grinst.

Und das Fernweh? Das ist immer noch da, sagt er. Und wird wohl auch immer bleiben. Gibt es schon neue Pläne? Vielleicht, sagt Nöthen nur und streichelt den kleinen Hund, der neben ihm sitzt. Tito, ein Mischling, der die Familie seit 2021 komplett macht. Der Name ist kein Zufall, sondern erinnert die Familie Nöthen immer an eines ihrer größten Abenteuer.

Und bringt zugleich ein wenig Brasilien in das kleine bunte Reihenhaus in Rödelheim.

Die Favela Rocinha - das größte Armutsviertel in Lateinamerika. 250 000 Menschen leben dort, schätzen die Bewohner.
Die Favela Rocinha - das größte Armutsviertel in Lateinamerika. 250 000 Menschen leben dort, schätzen die Bewohner. © privat
Die Nöthens vor dem Fußball-Stadion Maracanã - dort wurde Deutschland im Juni 2014 Weltmeister.
Die Nöthens vor dem Fußball-Stadion Maracanã - dort wurde Deutschland im Juni 2014 Weltmeister. © privat

Auch interessant

Kommentare