Dunkel war’s, die Oper schien helle

Seit dem 1. September heißt es: Licht aus, Strom sparen - Ein Rundgang durch das nächtliche Frankfurt
Der Dom ist weg. Das gleißende Gelb vom Commerzbankturm ist verschwunden. Der Messeturm ebenfalls. Die Detektivwerbung auf einem Dach an der Konstablerwache ermittelt ab 22 Uhr im Dunkeln. Nur das Fitnesscenter im Maintower leuchtet rot-blau wie ein Ufo, das im Himmel zu schweben scheint. „Das ist ein ganz komisches Gefühl, so als sei man gar nicht in Mainhattan, sondern irgendwo im Nirgendwo“, sagt Anette Wagner (52). Fremd sieht die Stadt aus, die seit dem 1. September das Licht ausknipst. Denkmäler, Leuchtreklame und Werbetafeln sollen dunkel bleiben, um Energie zu sparen. Auch viele Schaufenster sind stockdunkel. In der Breiten Gasse im Allerheiligenviertel verrät nachts nur rotes Licht in Fenstern die Laufhäuser. Gedimmt lila-rot ist nur noch die Eingangshalle des Gesundheitsamtes, in der ein Mann Wachdienst schiebt. In der Allerheiligenstraße leuchtet fast nichts mehr, es wirkt gespenstisch.
Erleuchtete Schaufenster in der Goethestraße
An der Konstablerwache sind Polizeiautos geparkt, Beamte gehen Streife im finsteren Karree. Auf der Zeil wirken die Laternen doppelt hell, weil die meisten Schaufenster dunkel sind. „Gemeinsam Energie sparen“ steht an den dunklen Eingängen des Kaufhofs und „Wir sparen Energie“ am My Zeil, das innen Licht an hat, weil der Supermarkt noch geöffnet ist. Die Reklameschilder an der Außenwand sind dunkel.
Gegenüber flimmern auf einem Bildschirm Rabatt-Werbungen in einem Schuhladen. Einige Leuchtreklamen sind noch an, einige Logos ebenfalls. Der Blick Richtung Hochhäuser bleibt irritierend. Baukräne tragen LED-Ketten, die Hochhäuser sind an ihren Spitzen mit roten Leuchten für den Flugverkehr zu erkennen und an hellen Fenstern dort, wo noch gearbeitet wird. Im völligen Kontrast zur Zeil steht die Goethestraße. Beinahe jedes Schaufenster strahlt taghell. Die Auslagen in teuren Schmuckgeschäften sind weitgehend leer geräumt, die Läden einsehbar. Nichts in der edlen Einkaufsstraße sieht nach Energiesparen aus. Schaufensterbummel wie eh und je. In die Energiespar-Regelung fallen Schaufenster auch laut Wirtschaftsministerium ausdrücklich nicht. Dennoch bleiben in den meisten Einkaufsstraßen die Schaufensterdekorationen weitgehend im Dunkeln.
Die Alte Oper leuchtet und spiegelt sich stolz im Wasser des Brunnens. Auf der Restaurant-Terrasse wird noch gegessen, getrunken und gefeiert - der Blick fällt auf dunkle Fenster und Häuser und auf einen letzten grün angestrahlten Baum im Gibson-Beach. Das Tor ist geschlossen, Mitarbeiter räumen dahinter auf. Das Gutenberg-Denkmal und das Goethe-Denkmal auf dem Rathenau- und Goetheplatz sind im Schein der Laternen nur zu erahnen. Die Hochhauskulisse strahlt nicht dahinter, sondern versteckt sich scheu.
Am Willy-Brandt-Platz hüllt sich das Schauspiel in finstere Nacht. Die Euro-Skulptur leuchtet gelb-blau. In der Dunkelheit wirkt die knallige Farbe fast grotesk. Die Polizei fährt Streife. In der Taunusanlage huschen Futter suchende Kaninchen im Laternenschein über die ausgetrocknete Wiese. Selbst das Bahnhofsviertel wirkt fast verschlafen. Auf der Kaiserstraße sind nur wenige Leute unterwegs. Die meisten Leuchtreklamen sind ausgeschaltet, Lokale bewirten ohne Leuchtwerbung, Schaufenster sind schwarz.
Das Rotlicht bleibt an
Straßenprostituierte stehen an Laternen und an Straßenecken und rauchen. Obdachlose, die auf der Straße schlafen, sind erst aus der Nähe zu erkennen. Prächtig dominiert die erleuchtete Fassade des Hauptbahnhofs schon von Weitem und lenkt das Auge als Blickfang vom Elend auf der Straße ab. Das Rotlichtviertel bleibt seinem Namen treu. In der Taunus-, Mosel- und Elbestraße leuchten Fassaden, Reklamen und Fenster um die Wette. Hier die Lichter auszuschalten wäre keine gute Idee, fürchtet ein Bewohner, der anonym bleiben möchte. „Das würde vielleicht Strom sparen, dafür aber jede Menge Probleme machen. Solange sich die Stadt nicht darum kümmert, die Verelendung der Menschen zu verhindern, soll es hier taghell bleiben. Sonst kann man sich im Dunkeln nicht mehr raustrauen.“