Durchatmen in der grünen Lunge

Tag der offenen Gärten auf dem umkämpften Areal - Viele geschützte Arten
Sonnenschutz unter Blätterdächern, Blüten, so weit das Augen reicht und statt stechender Hitze angenehme Temperaturen: Die Gärten der grünen Lunge im Nordend haben am Samstag viele Besucher mit Natur pur überrascht.
Schweißperlen trocknen schon nach wenigen Schritten auf den schmalen Naturwegen. Dort, wo nichts asphaltiert ist, sondern die Wege weiche Trampelpfade sind, riesige Bäume Schatten spenden und sich Hobbygärtner kleine Paradiese geschaffen haben. Ob Kräutergarten oder Rosen-Meer, ob Gemüseheldinnen oder Insektenblumenwiesen-Liebhaber, ob Spaziergänger oder Entdecker. Die grüne Lunge im Nordend hat für jeden etwas zu bieten. Vor allem ein Klima, das selten ist in der Stadt.
Hier geht es der Natur noch gut
Seit mehr als 100 Jahren gedeihen hier Pflanzen, die Bäume sind grün bis in die Spitzen. „Trotz Trockenheit und Starkregen geht es der Natur in den mehr als 200 Gärten gut“, sagt Katharina Bornscheuer. Sie kennt das Gelände in- und auswendig und führt Besucher in entlegenste Ecken. Einen Garten hat sie hier nicht. „Die Natur ist mein Garten. Das ist mein Motto“, sagt die Frau, die sich von Anfang an in der Bürgerinitiative für den Erhalt der grünen Lunge engagiert.
Auf 16 Hektar Fläche oberhalb des Günthersburgparks ist nichts zubetoniert. Vögel zwitschern, Insekten krabbeln, schwirren, brummen und summen, Schmetterlinge tanzen um die Wette. Knallrote Kirschen hängen himmelhoch. Mehr als 1000 Bäume spenden Schatten und sind Heimat von Fledermäusen, Vögeln, Käfern und allem, was kreucht und fleucht. Uralte Totbäume sorgen mit für das biologische Gleichgewicht, neben Beeren und Farnen, Orchideen und Gräsern, Unterholz und Moos. 46 Vogelarten leben hier. 30 Brut- und 16 Zugvogelarten, dazu drei Fledermaus-, elf Tagfalter- und mindestens ebenso viele Nachtfalterarten. „Das Senckenberg-Institut hat hier 73 geschützte Tier- und Pflanzenarten gelistet“, erzählt Bornscheuer. Von Zaunkönig über Gelbhalsmaus, Siebenschläfer und Rosenkäfer bis zum Wintergoldhähnchen, von der gestreiften Weinbergschnecke bis zu Wildbienen, blauen Holzbienen, Hummeln, Hornissen und der blaugrünen Mosaikjungfer.
„Das ist das reinste Paradies hier“, sagt eine junge Frau, die zum ersten Mal hier ist. „Es wirkt wie eine Mischung aus Urwald und Feengärten“, staunt sie. Die Permakultur der Gemüseheldinnen mit unterschiedlichsten Gärten, in denen alles selbst angebaut und essbar ist, lässt sie ebenso wenig los wie Kunstwerke, die in Gärten stehen und sich voll in die Natur integrieren. „Es ist für alle. Von Menschen für Menschen“, hört sie immer wieder.
Suche nach Kornblume und Löwenzahn
Am Tag der offenen Gärten gibt es selbst gemachten Kuchen und Kaffee, Limonaden, Wein, Live-Musik, Führungen und Bilder. Sabine Hoffmann hat großformatige Blumenfotos aus den Gärten an Zäune und Bäume gehängt, die Makro-Details zeigen. Kinder suchen die Pflanzen, die sie darauf sehen und jubeln, wenn sie Kornblumen, Sonnenblumen oder Löwenzahn finden. Erwachsene loben die stimmungsvollen Bilder. Man lauscht Erzählungen über Kräuter von Gudrun Jung oder diskutiert über den vorerst gestoppten Plan, hier 1500 Wohnungen zu bauen, den Klimaentscheid und die Energiewende. Einig sind sich alle in einem Punkt: „Die grüne Lunge bleibt.“
Wer vom Günthersburgpark oder der Friedberger Landstraße aus kommt, weiß warum. Die Temperatur im Grünbereich ist deutlich niedriger. „Hier kann man noch richtig durchatmen. Die Luft ist weich, nicht staubig und einfach gut“, sagt Leonard Dresch, der bei Freunden in der Stadt zu Besuch ist und aus der Nähe von Köln kommt. „Frankfurt im Sommer ist echt heftig. Auf Straßen und Plätzen denke ich oft, jetzt schmelze ich gleich. Hier in der grünen Lunge ist es gut. Auch im Stadtwald ist es schön kühl. Aber der vertrocknet immer mehr, und es gibt da Stellen, die fast so heiß sind wie auf der Hauptwache. Das macht keinen Spaß.“ sabine schramek