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Verkehrsversuch in Frankfurt: Easy-Busse sind fast alleine unterwegs

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Bus bestellen und chauffiert werden. Und das sogar kostenlos. Seit einigen Wochen läuft in Frankfurt das Pilotprojekt „Easy“ mit autonomen Bussen.

Frankfurt – Es ist eine Premiere. Irmgard Wirth (88) will zum ersten Mal mit dem autonomen Mini-Bus, der seit geraumer Zeit im Frankfurter Stadtteil Riederwald unterwegs ist, fahren. Doch eine hohe Stufe steht ihr im Weg. Als der Fahrer Daniel das sieht, eilt er ihr aus dem Bus entgegen und reicht ihr ganz galant den Arm hin. Wirth ist beeindruckt und lacht. Dankend greift die Seniorin nach der Hilfe. Zusammen schaffen es die beiden in den autonomen Bus. Daniel ist eine gute Stimmung in seinem Bus wichtig. Deshalb duzt er auch gerne.

Mit 15 Kilometern pro Stunde fährt das futuristische Gefährt von RMV, VGF und traffiQ durch das Wohngebiet. Es bedient einen Umkreis von 2,7 Kilometern zwischen Engelsplatz und Iselinstraße. Jeder, der reinschaut, sieht, dass das Lenkrad und der Fahrersitz fehlen. Nur Daniel steht vor einem der sechs Sitze. Er hat eine große Fernsteuerung in der Hand. Die Funktionen gleichen einer Fernbedienung wie bei einem Spielzeug-Auto: Vorne, hinten, rechts, links und bremsen. Wenn wenig Platz ist, nutzt Daniel diese Funktionen oft. „Ich bin ein sehr vorsichtiger Fahrer. Viele machen sich darüber lustig. Aber es ist sicher. Das zählt.“

Vielleicht ist das auch ein Grund, warum sich viele Fahrgäste wohlfühlen. Auch Justus (13) fährt gerne mit Daniel. Schon dreimal war er mit dem stets gutgelaunten Fahrer unterwegs. „Eine Tour mit mir ist wie eine Stunde Therapie“, sagt Daniel und grinst. Ihm mache der Job einfach Spaß.

Begleitfahrer David (l.) und seine neuen Kollegen. Mit der Fernbedienung in seinen Händen kann er im Notfall bremsen oder die Richtung des ansonsten selbstständig fahrenden Busses korrigieren. FOTO: nikolai kuhnert
Begleitfahrer David (links) und seine neuen Kollegen. Mit der Fernbedienung in seinen Händen kann er im Notfall bremsen oder die Richtung des ansonsten selbstständig fahrenden Busses korrigieren. © Nikolai Kuhnert

Verkehrsversuch in Frankfurt: Bisher unfallfrei unterwegs

Schon Daniels Kindheitstraum war es, Bahnfahrer zu werden. Den hat er gleich nach seinem Schulabschluss umgesetzt. Seitdem fährt er U- und Straßenbahnen in Frankfurt. Ihm gefallen besonders die Morgenfahrten ab vier Uhr, wenn noch alles schläft. Auch in seiner Freizeit beschäftigt er sich gerne mit den unterschiedlichsten Zügen. Für das Projekt mit dem autonomen Mini-Bus hat sich Daniel freiwillig gemeldet. „Wir gewinnen hier wichtige Erkenntnisse für die Zukunft. Da wollte ich unbedingt dabei sein.“ Immer wenn Daniel einen Verbesserungsvorschlag hat, ruft er die Informatiker an. Sie können die Programmierung ändern.

Besonders spannend wird es auf den Fahrten. Viele Autofahrer verlieren die Geduld und wollen den kleinen Bus überholen. Dann ist Konzentration gefragt. Besonders schockiert ist Daniel, als ein Auto kurz vor dem Zebrastreifen ausschert. Sofort bremst er manuell den Bus vor dem Zebrastreifen. „Wenn da jemand drüber gelaufen wäre, gäbe es Verletzte. Solche Situationen erkennen die Sensoren noch nicht. Dann greife ich ein.“

Bisher gab es noch keinen Unfall. Um zu beweisen, dass die Sensoren perfekt funktionieren, führt Daniel gerne den Beweis selbst vor. Auf einem Parkplatz stellt er sich etwas entfernt neben den Bus und fährt ferngesteuert mit ihm los. Kurz bevor der Mini-Bus an Daniel vorbeifahren würde, läuft er vor das Gefährt. Sofort löst eine Bremse aus. Daniel und der Bus stehen sich Nase an Nase gegenüber. Keine Verletzungen. Keine Berührung. „Es ist absolut sicher. Wir haben sogar durch Laubblätter oder bei starkem Nebel Probleme, weil die als Hindernis erkannt werden.“

Verkehrsversuch in Frankfurt: Angebot ist kostenlos

Seit November fährt der Mini-Bus mit dem Namen EASY durch das Wohngebiet am Riederwald. Jeder kann das autonome Gefährt kostenlos über die App „RMV EASY“ zu rufen. Schon von der U-Bahn-Haltestelle Schäfflestraße sind dafür extra Bodenmarkierungen aufgemalt, die zu einer digitalen Haltestelle führen. Von dort holt auch Daniel seine Fahrgäste ab. Insgesamt gibt es über 30 dieser digitalen Haltestellen im Quartier.

Der Riederwald ist der dritte Einsatzort von EASY. Zuvor fuhren ältere Versionen des Mini-Busses schon am Mainkai und der Stadtbahnzentralwerkstatt. „Wir haben uns für den Riederwald entschieden, weil es hier im Wohngebiet noch keine andere Anbindung gibt“, erklärt die VGF-Sprecherin Aleksandra Malczewski. Im vergangenen Monat seien schon 538 Fahrgäste befördert worden, erzählt sie.

Wegen der großen Nachfrage wurden vor Kurzem zu den drei bisherigen Fahrern vier neue Kollegen für das zum autonome (bei-) fahren ausgebildet. Die Weiterbildung dauert fünf Tage. Grundvoraussetzung ist ein Personenbeförderungsschein. Deshalb sind auch alle, die sich freiwillig gemeldet haben, Bus- oder Bahnfahrer in Frankfurt.

In fünf Tagen Ausbildung lernen die künftigen Fahrer die Technik und Fahrzeugführung kennen. Am Ende gibt es eine theoretische und praktische Prüfung.

Im Moment ist der EASY-Bus von 8 bis 15 Uhr von Montag bis Samstag über die RMV-EASY-App oder telefonisch unter (069) 24 24 80 24 im begrenzten Gebiet buchbar. Das Zeitfenster soll sich durch das neue Personal ausweiten. Ab dem 2. Februar gilt auch im EASY keine Maskenpflicht mehr. Erste Erkenntnisse aus dem Versuch, autonomes Fahren mit einem Rufbus-System zu verbinden, gibt es noch nicht. Erst nach neun Monaten werden die gesammelten Daten ausgewertet und veröffentlicht. Auch Daniel sammelt Daten. Wenn es mal länger keine Fahrten gibt, schreibt er seine Erlebnisse mit dem Mini-Bus nieder und arbeitet so mit, die Zukunft zu gestalten. (Nikolai Kuhnert)

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