1. Startseite
  2. Frankfurt

Enorm effektiv gegen Krebs

Erstellt:

Von: Sarah Bernhard

Kommentare

„Als Forscher kann Ihnen nichts Schöneres passieren“, sagt Florian Greten, Sprecher des Frankfurt-Cancer-Institute, nach ermutigenden Ergebnissen bei Patienten mit Dickdarnkrebs. FOTO: enrico sauda
„Als Forscher kann Ihnen nichts Schöneres passieren“, sagt Florian Greten, Sprecher des Frankfurt-Cancer-Institute, nach ermutigenden Ergebnissen bei Patienten mit Dickdarnkrebs. © Enrico Sauda

Ein 2019 gestartetes Forschungszentrum am Uniklinikum kann bereits erste Therapieerfolge vorweisen

Frankfurt -Ganz neu war die Idee, die Professor Florian Greten und seine Mitstreiter vor knapp zehn Jahren hatten, nicht: Interdisziplinäre Zusammenarbeit in kleinen Teams sollte den Kampf gegen Krebs effizienter machen. Denn zwischen den Bedürfnissen von Klinikärzten und der Arbeit von Grundlagenforschern liegen oft Welten.

Die Idee der drei Frankfurter Spitzenforscher: Die einen erklären, was sie brauchen, die anderen entwerfen passende Therapiemodelle. Die einen organisieren Patientenproben, die anderen testen daran die Modelle. „Wie in einem Pingpong-Spiel“, sagt Greten, von Haus aus Mediziner, Tumorbiologe und Sprecher des „Frankfurt Cancer Institute“ (FCI), das nach sechs Jahren Vorbereitung 2019 seine Arbeit aufnahm.

Der Weg von der Idee zur passenden Therapie verkürze sich dadurch enorm. „Wir waren nicht die Ersten, die das gemacht haben, und es ist keine Raketenwissenschaft. Aber so strukturiert und stringent wie wir machen das nicht viele.“ Und genau das sei es, was das Projekt so erfolgreich mache, dass es jetzt schon erste Erfolge vorweisen kann.

Drei Schwerpunkte suchten sich Greten und seine zwei Co-Gründer für die Anfangsphase aus: Blutkrebs, Dickdarmkrebs und Hirntumore, Krebsarten, für die es am Frankfurter Universitären Centrum für Tumorerkrankungen (UCT) besonders erfahrene Spezialisten gibt. Sie stellten ein technisches Grundinstrumentarium zusammen, das allen Forschergruppen grundsätzlich zur Verfügung steht. Dann wählten sie die Teams aus, die in der Regel aus Grundlagenwissenschaftlern, Klinikärzten, Pharmazeuten und Biochemikern verschiedener Frankfurter Institute und Kliniken bestehen.

Die Ausgangspunkte der Arbeitsgruppen unterschieden sich deutlich: Die Hirntumor-Forscher etwa hatten bereits einige neue Therapieansätze entwickelt, die die Teams seitdem testen und bewerten. Bei Enddarmkrebs hingegen waren die Wissenschaftler mit dem Problem konfrontiert, dass eine Bestrahlung des Tumors, die ihn normalerweise schrumpft, bei manchen Patienten keinerlei Effekt hatte. Die beteiligten Forscher fanden heraus: Das liegt an einem bestimmten Botenstoff, der den umliegenden Bindegewebszellen falsche Informationen liefert. Die These: Könnte man ihn blocken, wäre die Eindämmung des Tumors deutlich einfacher.

Die beteiligten Pharmakologen fanden heraus: Der besagte Botenstoff ist auch für rheumatische Arthritis verantwortlich - und es gibt bereits ein Medikament, das ihn blockt. Das heißt allerdings nicht, dass es auch bei Tumoren im Darm hilft. Doch dank der Zellproben von Patienten, die die beteiligten Kliniker beisteuerten, konnten die Forscher direkt mit den Experimenten beginnen - und es gelang ihnen, den Botenstoff auch in Proben aus dem Enddarm zu blocken. Noch während der Aufbauphase des FCI entwickelte das Team so einen neuen, erfolgversprechenden Therapieansatz.

Ermutigende Wirkung bei Probanden

„Wir hatten Glück, dass es schon eine verträgliche Substanz gab“, sagt Greten: Die Gefahr unerwarteter Nebenwirkungen war deutlich niedriger als bei Substanzen, die noch nicht zugelassen sind. Deshalb konnten relativ schnell auch Patienten mit einbezogen werden. Neun Personen haben bisher eingewilligt, es zusätzlich zur Standardtherapie mit dem Arthritis-Medikament zu versuchen. „Und im Vergleich zu anderen Patienten hat dessen Einsatz auch schon zu einer Verbesserung geführt“, sagt Greten. Natürlich müsse die Therapie bei noch sehr viel mehr Patienten anschlagen, um eine offizielle Zulassung zu bekommen. Doch die Ergebnisse seien so ermutigend, dass sich der Tumorbiologe relativ sicher ist, dass das klappen wird. „Als Forscher kann Ihnen nichts Schöneres passieren.“

Die Erfolge des FCI bleiben nicht ungesehen: Das Land Hessen, das über das Forschungsförderprogramm Loewe bereits die ersten vier Jahre FCI-Forschung mit knapp 24 Millionen Euro gefördert hat, hat vor Kurzem für die kommenden drei Jahre weitere 18 Millionen Euro zugesagt.

Eigentlich sollte das FCI mit seinen mehr als 100 Mitarbeitern in diesem Jahr auch in einen neuen Prestigebau zwischen den Gebäuden des Uniklinikums und dem Georg-Speyer-Haus, der Wirkstätte Gretens, umziehen. Das sollte unter anderem die Vernetzung einfacher und die Wege kürzer machen. Insgesamt 52,1 Millionen Euro hatten Bund und Land für den Bau bereitgestellt, plus 20 Millionen Euro von der Deutschen Krebshilfe. Doch dort, wo das Gebäude in die Höhe wachsen sollte, stehen bisher nur einige Baucontainer im Matsch.

Durch Corona und Lieferengpässe werde sich die Fertigstellung um etwa fünf Jahre verzögern, sagt Greten. Das sei zwar etwas ärgerlich, aber nicht allzu schlimm. „Das Projekt ist sowieso langfristig angelegt. Und wir sind ja bisher auch ein virtuelles Zentrum und es klappt trotzdem.“ Nur über die Finanzierung der gestiegenen Kosten werde derzeit nachverhandelt. „Aber das Land Hessen und die Goethe-Universität unternehmen unglaubliche Anstrengungen, dass es vorangeht, das ist fantastisch!“, sagt Greten.

Erste Erfolge, Unterstützung für die Zukunft: Florian Greten ist mit dem bisher Erreichten ziemlich zufrieden. „Und ich bin überzeugt davon, dass wir das FCI in Zukunft als Zentrum der Hessischen Krebsmedizin etablieren können.“ Ein erster Schritt ist schon getan. Seit Jahresbeginn beschäftigen sich zusätzliche Teams mit einem vierten, noch elementareren Schwerpunkt: den grundlegenden Mechanismen der Metastasenbildung. Sarah Bernhard

Auch interessant

Kommentare