Ein Bus ohne Fahrer im Linienbetrieb

„On-Demand“-Angebot bindet den Stadtteil Riederwald an und schließt eine Lücke
Sechs Sitzplätze hat der Elektrobus des Typs EZ 10. Mit bis zu 20 Kilometern pro Stunde ist er autonom unterwegs, also ohne Fahrer. Nach Testläufen bei den Helios-Kliniken Wiesbaden, am Frankfurter Mainufer, in Bad Soden-Salmünster, im Kloster Eberbach und in der Stadtbahnzentralwerkstatt Frankfurt kommt der kleine Bus jetzt erstmals im regulären Betrieb in Einsatz: Als „Easy Shuttle On Demand“ im Riederwald. Und kostenlos für die Riederwalder. „Wir brauchen für die Verkehrswende mehr Innovationen“, forderte Frankfurts Verkehrsdezernent Stefan Majer (Grüne) gestern bei der Eröffnung der Linie. Bis Ende Juli 2023 läuft der Probebetrieb. „Wir werden sehen, ob alles funktioniert“, sagte Majer. Im Riederwald, genauer im östlichen Teil zwischen dem Engelsplatz und der Inselinstraße, sollen künftig von 8 bis 16 Uhr Passagiere ein- und aussteigen können.
Markierung auf dem Boden
Rund alle 150 Meter weisen Markierungen auf dem Boden auf die Haltestellen hin. Einen Fahrplan jedoch gibt es nicht. Die Idee: Wer zur U-Bahn will oder zum Einkaufen, muss nicht mehr laufen, sondern bestellt sich per Handy-App - der neuen RMV-Easy-App - den Bus per Knopfdruck. Dieser errechnet dann seinen Standort, die Fahrtroute, optimiert die Strecke und kommt dann.
„Wir haben die ganze Strecke ausgemessen, sie ist im Rechner des Busses repräsentiert“, sagt Dennis Greim. Der Straßenbahnfahrer der Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) hat die Aufgabe, als „Operator“ mitzufahren. Den so ganz und gar autonomen Systemen traut der deutsche Gesetzgeber noch nicht über den Weg. Wirklich wirtschaftlich können solche Angebote nur werden, wenn diese gesetzliche Hürde überwunden werden kann.
André Kavai, Geschäftsführer beim Rhein-Main-Verkehrsverbund, betonte: „Wir gehen mit festen Schritten in die Zukunft“ - die Zukunft des Nahverkehrs on demand. Die erste Fahrt - zwei Stunden nach der offiziellen Vorstellung - sei schon ausgebucht, die App könne problemlos heruntergeladen und verwendet werden.
Da gab es dann doch leichte Zweifel. Eine Bürgerin, Ricarda Grünberg, fragte: „Geht das auch ohne App? Ich wohne in einer Seniorenwohnanlage. Viele Mitbewohner haben mich gefragt, ob sie das nutzen können, auch wenn sie diese Technik nicht so gut beherrschen wie junge Leute.“ Stefan Majer antwortete: „Wir wollen das Angebot gerade für Ältere attraktiv machen.“ Vielleicht könnte das Personal ja helfen, die App zu betätigen.
Michael Rüffer, Technik-Geschäftsführer der VGF, ergänzte: „Es ist sicher möglich, einfach auf den Bus zu warten und dann einzusteigen, wenn Platz ist.“ Das Problem sei nur, dass man unter Umständen länger warten muss und zudem nicht einsteigen könne, wenn der Bus an dem Haltepunkt nicht anhält.
Rüffer, ein Techniker, sprach mit großer Begeisterung von dem Projekt. „Drei Unternehmen - RMV, VGF und die Traffiq - arbeiten hier zusammen, um einer neuen Technik zum Start zu verhelfen. Neben allem, was wir sonst tun, sind wir nun auch in der Forschung und Entwicklung aktiv.“ Das größte Problem beim autonomen Fahren seien die enormen Datenmengen, die jederzeit verarbeitet werden müssen.
Der Kleinbus ist denn auch mit Sensoren vorne, hinten und an den Ecken ausgestattet. Er weiß jederzeit, wo er ist und wo er sein sollte. Er weicht Hindernissen aus, bremst und beschleunigt nach Verkehrslage und bleibt bei einem Not-Stop stehen, bis der Operator ihn wieder anstellt.
Projekt kostet 1,2 Millionen Euro
Öffentlicher Verkehr on demand, also nach Anforderung, ähnlich wie der Taxiverkehr - das ist für Tom Reinhold, Geschäftsführer der städtischen Nahverkehrsgesellschaft Traffiq, nicht Neues. „Da sind wir schon im Frankfurter Norden unterwegs mit „Knut“ - dort noch mit Fahrern.“ Die Zukunft aber gehöre dem autonomen Fahren. Die Entwicklung ist jedoch teuer. Wie André Kavai erklärte, kostet das Projekt im Riederwald 1,2 Millionen Euro. Es wird zu 70 Prozent von der EU gefördert. Den Rest zahlen die drei beteiligten Unternehmen. Für die Fahrgäste ist das Angebot kostenlos. „Es gab Neun-Euro-Tickets“, sagte Majer, „es gibt vielleicht ein Nachfolgeprojekt.“ Doch jenseits des Regional- und Fernverkehrs, der noch beträchtliche Investitionen erfordere, sei es auch wichtig, in den ganz nahen Nahverkehr zu investieren - in die Wohnquartiere und Stadtviertel. Easy ist ein erster Schritt: Ein kleines Fahrzeug, das eine geringe Passagierzahl auf kurzer Strecke befördert. Damit kann die Lücke geschlossen werden, die zwischen der Haustür und der nächsten U-Bahn-Haltestelle klafft. tjs