Ein Grandhotel im Dornröschenschlaf: Der Hessische Hof soll wachgeküsst werden

Er war einst das erste Hotel in Frankfurt und soll es wieder werden: Seit zwei Jahren ist der Hessische Hof geschlossen. Ein Blick in das noch verlassene Innere.
Frankfurt – Ob die Rezeptionsglocke aus Messing auf dem Tresen im legendären Hessischen Hof irgendwann auf einem Flohmarkttisch landen wird? Das hängt davon ab, wie der künftige Betreiber das einst beste Hotel am Platze konzeptionieren wird. Die vergangenen gut zwei Jahre hat die Glocke „überlebt“. Auch wenn seit Schließung des Grandhotels am 13. November 2020 kein Livrierter mehr im roten Doppelreiher mit Goldknöpfen einen Hotelgast die Treppe hinaufgeführt und dem Concierge überstellt hat, damit dieser ihm den schweren Schlüssel zu einem der 121 Zimmer von der dunklen Täfelung reicht.
Wenn im Foyer des Hotels die Wände nicht kahl wären, könnte man meinen, es sei alles wie immer. Das Hotel wurde geschlossen, so wie es dastand, mit dem kompletten Inventar darin. Irgendwann ist nur jemand gekommen und hat die landgräfliche Porzellansammlung und den Kunstbestand aus hessischen Schlössern aus den Schränken und von den Wänden genommen und abgeholt. Das schwere Sofa, der Sekretär, Stühle und Glaslampen auf Beistelltischen im Foyer stehen nun einsam zwischen den Wänden voller Bilderschatten. Die Drähte der Bilderhängung baumeln von der Decke.
Hotel Hessischer Hof in Frankfurt: Die Betten sind bezogen
Ganz geschlossen war die Tür zum Gebäude nie - außer während der Corona-Einschränkungen, mit denen das Ende des Hotelbetriebs nach 68 Jahren begründet wurde. Im Haus wurde und wird ein Spa weiterbetrieben. Aber das Hotel ruht im Dornröschenschlaf.
Die drei aneinandergereihten Säle im Restaurantbereich sind verlassen. Stühle und Tische sind zum Teil an den Rand geräumt, Tischdecken abgezogen. Die Zimmer aber sind quasi bezugsfertig. Bettdecken und Kopfkissen sind bezogen, die Gardinen des Himmelbettes hängen glattgebügelt zu Boden, die Bäder sind blitzblank. Nur ein wenig Staub hat sich auf die Böden und Flächen gelegt. Es wirkt, als könne man mit ein paar Handgriffen innerhalb weniger Tage alles so herrichten, dass die Gäste kommen dürfen.
Der Hessische Hof ist ein Gebäude voller Überraschungen
Etwas länger werde es sicher dauern, so Boris Schran, Managing Partner der Peakside Capital Advisors AG, dem Investor, der den Hessischen Hof Anfang Dezember erworben hat und nun nach einem Betreiber sucht. „Das betreiben wir nicht selbst“, so Schran, während er durch einen schummerigen Flur geht.
Er macht im Halbdunkel einen großen Schritt über drei zusammengerollte Teppiche und sucht die Wände nach einem Lichtschalter ab. So ein Hotel stecke voller Überraschungen, so Schran. Etliche Male sei er schon über die 12 300 Quadratmeter Gesamtbruttofläche spaziert, über die vier Terrassen, durch den Wintergarten, die elf Veranstaltungsräume ..., und jedes Mal entdecke er etwas Neues. Schran öffnet die Doppelflügeltür zum Empiresaal, tritt ein, blickt sich um und atmet durch: „Hier haben wir fast auf den Tag genau vor 18 Jahren die Eiserne Hochzeit der Großeltern gefeiert“, erinnert er sich. Nicht nur deshalb ist das Objekt für den Investor ein besonderes. Nicht nur für ihn ist das Grandhotel ein Ort der Erinnerung.
Hessischer Hof in Frankfurt: „Behutsam in die heutige Zeit führen“
In zwölf Jahren habe Peakside 4,5 Milliarden investiert, in Wohnobjekte, Einzelhandel, Büros, Logistik und mehr und ist aktuell mit der Erweiterung der Hamburger Universität befasst, aber es habe noch keine Immobilien gegeben, zu der er so viele emotionale Reaktionen erhalten habe. Dem Schock der Schließung des einzigen privat geführten Luxushotels in Frankfurt steht jetzt eine große Erleichterung gegenüber, dass das Grandhotel ein Hotel bleiben wird, dass man weiterhin hineingehen wird dürfen, dorthin, wo man gefeiert und getagt hat, wo der Dalai Lama und das schwedische Königspaar in der 180 Quadratmeter großen Präsidentensuite hinter Panzerglasfenstern Wand an Wand zum Panic Room gewohnt haben.
Aber wie wird es künftig dort aussehen? Wird die Decke des Restaurants Sèvres erhalten bleiben, die eine Kopie des Antiksaals des Schlosses Fasanerie in Wiesbaden ist? Und wann wird wieder eröffnet werden? „Mein persönlicher Wunsch ist es, dass wir das Haus mit einer vorsichtigen Hand in die heutige Zeit überführen“, so Boris Schran.
Frankfurt: Noch ist viel zu tun im Hessischen Hof
Mit potenziellen Betreibern sei man im Gespräch. In drei Monaten könne er vielleicht mehr dazu sagen. Einen Wiederöffnungszeitpunkt möchte Schran nicht in Aussicht stellen. Das hänge davon ab, wie umfangreich die baulichen Maßnahmen ausfallen werden, „ob wir nur redekorieren oder größere Veränderungen umsetzen“. Zwölf Monate Warten stehen mindestens im Raum. Zu tun gebe es so oder so eine ganze Menge, so Schran.
Das beginnt mit der Haustechnik, geht weiter mit der Frage, ob schwere Messingschlüssel heutzutage mit programmierbaren Zimmerkarten mithalten können, bis zum Blick hinter die stoffbezogenen Wände und auf die Fototapeten im Speisebereich, die Szenen exotischer Kulturen abbilden. Das Grandhotel war im Besitz der Hessischen Hausstiftung, einer Stiftung des Hauses Hessen, dem die früheren Landgrafen, Kurfürsten und Großherzöge von Hessen entstammten. 1952 wurde es von dem Frankfurter Architekten Werner W. Neumann im Art-déco-Stil an der Stelle gebaut, an der 1944 durch einen Bombenangriff das Stadtpalais von Wolfgang Prinz von Hessen zerstört wurde.
Hessischer Hof in Frankfurt: Keine Aussage zur Investitionssumme
„Wir hatten uns das schon eine Zeitlang angeschaut, fanden das eine spannende Sache, im Spätsommer hat unser Partner Simon Lutz Einigkeit mit der Hessischen Hausstiftung erzielt und die Transaktion eingeleitet“, schildert Schran. Über die Investitionssumme wird diskret geschwiegen. Sebastian Junghans, Principal at Peakside Capital, werde sich von Investorenseite vornehmlich um das Haus kümmern.
Bei aller Nostalgie - am Ende zählen für einen Investor immer auch finanzielle Gesichtspunkte. Selbst, wenn es um eine Legende wie den Hessischen Hof geht. Eine Investition, ja, aber eine mit großer Geschichte, ein Gebäude, in dem viele kleine Geschichten geschrieben wurden. Die Frankfurter - und nicht nur die - haben einen Blick darauf. Und sie haben einen Blick auf den Investor, der das Fünf-Sterne-Haus mit den Tausenden Gegenständen darin gekauft hat, wie die 122 Sessel, 392 Buttermesser, 1042 Mittelgabeln, 345 verchromten Handtuchwärmer, 469 kleinen Handtücher, 99 Sofakissen ... und die Rezeptionsglocke. (Michelle Spillner)