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Ein Osterhase mit Ecken und Kanten

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„Picasso“ heißt der 14 Zentimeter hohe der Schokoladenosterhase in kubistisch anmutender Form, den Anna Reckmann in ihrer Patisserie-Manufaktur mit Hand fertigt.
„Picasso“ heißt der 14 Zentimeter hohe der Schokoladenosterhase in kubistisch anmutender Form, den Anna Reckmann in ihrer Patisserie-Manufaktur mit Hand fertigt. © Michelle Spillner

Die Patisserie von Anna Reckmann verlässt die Pfade üblicher Formen und Geschmäcker.

Frankfurt. Was wäscht den Staub des Alltags von der Seele? Laut Pablo Picasso ist es Kunst - von ihm, dem spanischen Maler, stammt diese Aussage. Geht es hingegen nach Anna Reckmann, dann ist es Schokolade, die den Alltag entstaubt. Und wenn man beides miteinander kombiniert: Kunst und Schokolade, dann entsteht „Picasso“.

„Picasso“ heißt der Schokoladenosterhase in kubistisch anmutender Form aus der Griesheimer Patisserie-Manufaktur von Anna Reckmann. Denn da schließt sich der Kreis: Pablo Picasso gilt als einer der Begründer der Stilrichtung Kubismus. Statt des üblichen Osterhasens mit plüschigen Ohren, rundem Rücken, kugeligem Köpfchen und knubbeligem Stupsnäschen gibt es bei Anna Reckmann ein künstlerisches Schokoladenobjekt, das zwar auf seine geometrische Form reduziert, aber als Hase deutlich erkennbar ist und wie ein Kunstwerk wirkt. Sie möge es gerne geradlinig und klar, sagt Anna Reckmann - und das sieht man der Einrichtung ihres kleinen Lädchens, das im gut betuchten Westend liegt, auch an.

Das Eckige lässt den Schokohasen ein wenig knöchern wirken, dabei hat er es in sich. Die 14 Zentimeter Höhe setzen sich aus Valrhona-Bitterschokolade zusammen - für Kenner der Porsche unter den Schokoladen. Bis er fein verpackt in Cellophan auf der Theke der Patisserie steht, ist er in der Manufaktur in Griesheim etliche Male durch die Hände seiner Schöpferin gegangen. Gegossen wird er in zwei Hälften einer Form. Deren Innenseite wird vorher mit Watte poliert, damit die Oberfläche des fertigen Produktes schön glänzend wird. Damit die metallisch anmutende Marmorierung auf dem Kubismus-Hasen erscheint, wird die Form vor dem Eingießen der Schokolade eingefärbt - jedes Mal: polieren und einfärben. Die beiden fertigen Hälften werden zusammengefügt.

Alles in Handarbeit

Alles Handarbeit, auch die Ostereier mit Maracuja- oder Erdbeerkern, die aussehen, als seien sie aus purem Marmor. Jedes Teil in den Auslagen - jedes einzelne Macaron, jedes Törtchen, jede Praline - ist natürlich handgemacht. Und alle haben gemein, dass sie etwas Besonderes sind, entweder optisch oder geschmacklich - oder beides.

Anne Reckmann spielt gerne mit den Geschmacksnerven. Es gibt beispielsweise Pralinen mit Ziegenkäse, mit Rosmarin und Olivenöl, mit Haselnuss und Parmesankäse oder mit Sojasoße, Karamell und Sesam. „Das ist spannend, da kommt der Umami richtig raus“, sagt sie. Umami bezeichnet nach salzig, süß, bitter und sauer die fünfte Geschmacksrichtung. Es ist der Geschmack von Proteinen, genauer gesagt der Geschmack von Salzen der Aminosäure Glutamat. „Glutamat ist in vielen Dingen ganz natürlich drin“, ergänzt sie für alle, die bei dem Begriff eventuell zusammenzucken. Den Geschmack von Umami zu beschreiben ist schwierig - wie es überhaupt schwierig ist, Geschmack zu beschreiben: „Umami, das ist das, was es geschmacklich breit und lecker macht“, versucht es die Expertin.

Anna Reckmann experimentiert gerne, aber nicht etwa mit den Rohstoffen, sondern in ihrem Kopf. „Ich betrachte die Zutaten und die Gewürze und überlege mir, wie sie zusammenpassen könnten“, schildert sie. Es klingt wie bei einem Komponisten, der im Kopf eine Melodie kreiert und sie im nächsten Schritt mittels Noten zu Papier bringt.

Vor der Lehre Chemie studiert

Anna Reckmann hat Geschmäcker und Schokolade im Kopf. Dieser kreative Prozess ist es, der ihr gefällt - geschmacklich und gestalterisch. Es ist der Prozess, der ihr in ihrem ersten Beruf gefehlt hat. Die Patissière studierte zuerst Chemie, weil sie sich schon immer für Naturwissenschaft interessierte. Die Arbeit als Patissière und Chocolatière sei davon gar nicht so weit weg. „Man bringt auch verschiedene Dinge zusammen, erwärmt, kühlt, mischt, geht verschiedene Prozessschritte. Immerhin ist ja alles irgendwie Chemie, auch in der Küche.“ Als Patissière helfe es, zu wissen, was in den chemischen und physikalischen Prozessen genau passiere: „Warum wird die Sahne beim Schlagen steif?“ Und weil sie als Kind schon weder ihrer Oma noch ihrer Mutter in der Küche von der Seite wich, entschied sie sich für einen weiteren, einen neuen Beruf und ging nach Paris, um dort das Patisserie-Handwerk von der Pike auf zu lernen, ein Jahr lang. „Das war sehr inspirierend.“

Dann wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit, mit eigener Manufaktur und eigenem Geschäft im Westend. Um 3.45 Uhr ist ihre Nacht für gewöhnlich zu Ende, damit sie Hasen gießen und Törtchen bauen kann, Florentiner-Eier mit Mandel, Honig, Butter, Zucker und Kakaosplittern und komplett essbare Osterkörbchen. Von einem gewöhnlichen Job sei das hinsichtlich der Arbeitszeiten weit entfernt. Seither ernähre sie sich eigentlich nur noch von Schokolade, sagt sie lachend. Aber Schokolade macht - bei ihr - offenbar nicht dick und sie entstaubt den Alltag.

Michelle Spillner

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