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Ein Schatz, den keiner haben will

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Von: Brigitte Degelmann

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Nachlassverwalter Hans Kumpfmüller, der sein Gesicht nicht in der Zeitung sehen will, in dem Keller, in dem mehr als 3000 Bücher des Frankfurter Mundartdichters und Verlegers H. P. Müller lagern. FOTO: brigitte degelmann
Nachlassverwalter Hans Kumpfmüller, der sein Gesicht nicht in der Zeitung sehen will, in dem Keller, in dem mehr als 3000 Bücher des Frankfurter Mundartdichters und Verlegers H. P. Müller lagern. © Brigitte Degelmann

In einem Frankfurter Keller ruhen gut 3000 Bücher des Mundartdichters H. P. Müller

Für Liebhaber Frankfurter Mundart sind sie ein Schatz. Doch seinem Hüter bereiten sie einige Sorgen: Denn Hans Kumpfmüller kümmert sich um den Nachlass seines Schwiegervaters, des Frankfurter Mundartdichters, Verlegers und Fastnachters Heinz Philipp Müller, meist nur H. P. Müller genannt. Dazu gehören auch Tausende von Büchern, die Müller einst verlegt hat. Etwa „Römerberg - Frankfurter Geschichte, Geschichten, Bilder“. Oder „Frankfurt märchenhaft - fröhliche Märchen und Geschichten“. Oder sein Klassiker „Frankfurter Leut’ fröhliche Menschen“.

Sie alle ruhen seit Jahrzehnten in einem Keller im Nordend. Dort allerdings sollen sie nach Kumpfmüllers Willen nicht mehr lange bleiben. Seit Monaten bemüht er sich darum, einen Platz für die Bände zu finden. Doch das ist nicht so einfach. Einrichtungen wie das Institut für Stadtgeschichte und das Historische Museum sind bereits im Besitz von Werken des gebürtigen Heddernheimers, der sich schon früh als Autor von Büttenreden einen Namen gemacht hat und an den heute noch der H.-P.-Müller-Platz in Heddernheim erinnert.

Kartons voller Bücher am Straßenrand

So war es nur logisch, dass Heddernheimer Fastnachter einige Kartons mit Büchern holten. Auch Schauspieler Michael Quast und die Autorin Sabine Hock, Verfasserin einer Biografie über Volksschauspielerin Liesel Christ, stöberten schon durch den Nachlass. Einigen Buchhandlungen habe er ebenfalls Kisten mit Büchern zum Verschenken überlassen, erzählt Kumpfmüller. Und manchmal, bei schönem Wetter, stellte er einige Kartons voll mit Druckwerken an den Straßenrand - in der Hoffnung, dass Passanten den einen oder anderen Band mitnehmen.

Irgendwann kam er sogar auf die Idee, sein Glück bei Apfelweinwirtschaften zu versuchen - schließlich findet sich in den Kellerregalen auch Müllers „Frankforter Ebbelwei-Bichelche“. Doch die winkten ab: kein Interesse. So stehen trotz aller Mühen immer noch mehr als 3000 Bücher des Frankfurter Originals in dem Nordend-Keller - mit launigen Texten und Reimen über dies und das: vom „Kerchgang“ bis zum Künstler-Weihnachtsmarkt, von der Frankfurter Schlankheitskur bis zur Feldbergwanderung.

Mangels Alternativen freunde er sich inzwischen mit dem Gedanken an, sie einem professionellen Entrümpler zu überlassen, sagt der Nachlassverwalter: „Der Markt für die Bücher ist einfach nicht mehr da. Und irgendwann ist Schluss, da muss man so etwas beenden.“

Humor als Lebenselixier

Ein Schritt, der ihm trotzdem schwer fallen würde. Schließlich handelt es sich um das Lebenswerk seines Schwiegervaters, der ein besonderer Mensch gewesen sei. „Humor war für ihn das Lebenselixier“, beschreibt Kumpfmüller. Wohl auch deshalb, weil H. P. Müller, Jahrgang 1921, als junger Mann in die Wehrmacht eingezogen wurde, in der Sowjetunion kämpfen musste und dort schreckliche Dinge erlebte. Lachen und Fröhlichkeit seien wohl seine Art gewesen, damit fertigzuwerden, vermutet der Nachlassverwalter.

Zeit seines Lebens widmete sich Müller, der im Hauptberuf ein Elektrogeschäft führte, dem Thema Humor in allen Facetten - und der Frankfurter Lokalgeschichte. Mindestens 60 Kartons hätten in seinem Arbeitszimmer gestanden, erinnert sich Kumpfmüller. Ihr Inhalt: Zeitungsausschnitte zu allen möglichen Frankfurter Themen wie Zoo, Palmengarten, aber auch Politik, die Müller akribisch archivierte. Als Erfinder des „Frehlichen Frankfort Telefons“ machte er sich ebenfalls einen Namen: ein beliebter Telefon-Ansagedienst, den die Stadt Frankfurt in den 1980er und 1990er Jahren anbot, mit Nachrichten, Anekdoten und Rezepten auf Frankforterisch, wo neben H. P. Müller noch Liesel Christ und Börsenguru Frank Lehmann babbelten. Nicht zu vergessen sein „Frankforter Kalenner für Uzer un Schenner“, den er jährlich herausgab und in dem sich wunderbare Wortschätze wie „Großduher“, „Schmachtlabbe“ und „Quadratsimbel“ finden.

Insgesamt 20 Bücher gab er heraus, die letzten erschienen Ende der 1980er Jahre. 1998 starb H. P. Müller. Seine Beerdigung auf dem Frankfurter Hauptfriedhof sei ein besonderes Erlebnis gewesen, erzählt Hans Kumpfmüller. Nicht nur deshalb, weil so viele Menschen dorthin strömten, dass die Trauerhalle gar nicht alle fassen konnte. Sondern vor allem darum, weil es eine der wenigen Bestattungen war, bei der gelacht wurde - als nämlich ein Gedicht Müllers vorgetragen wurde, in dem er sich vorstellt, wie er nach seinem Tod als Taube über sein geliebtes Frankfurt fliegt und dabei manchem Zeitgenossen ein Häufchen auf den Kopf setzt.

Was ganz in seinem Sinn gewesen sein dürfte. Denn wie sagte er einst? „Frehlich gelebt und selig gestorwe / is em Deiwel die Rechnung verdorwe.“

Ein kutureller Wert

Für die Rettung der Bücher von H. P. Müller setzt sich auch Michael Damm, Wirt der Frankfurter Kult-Jazzkneipe Mampf im Sandweg, ein. Schließlich seien die Bände ein „kultureller Wert“, sagt er - Zeugnis für die Vielfalt der Frankfurter Mundart, die mehr und mehr in Vergessenheit gerate. Um sie am Leben zu erhalten und die Bücher zu bewahren, schwebt ihm die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft vor, die auch entsprechende Mundart-Veranstaltungen durchführen könnte. Wer Interesse an einem solchen Projekt beziehungsweise an den Büchern H. P. Müllers hat, kann sich per E-Mail an Michael Damm wenden: mischi@mampf-jazz.de. brigitte degelmann

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