Ein Schauspieler, der sich selbst spielt

Reiner Holzemer hat einen Film über Lars Eidinger gedreht
Jetzt muss er sich aber sputen. Denn es kann sein, dass er bald nichts mehr zu essen bestellen kann. Schauspieler Lars Eidinger war zu Gast in der Harmonie. Doch der Mime ist entspannt. Nachdem im Lichtspielhaus an der Dreieichstraße sein Film „Lars Eidinger: Sein oder nicht sein“ lief, stellte er sich mit Filmemacher Reiner Holzemer den Fragen des Publikums. Was auf etwa 20 Minuten angesetzt war, dauert eine Dreiviertelstunde.
Frankfurt ist die letzte Station einer langen Kinotour - elf Tage, 16 Städte, 20 Veranstaltungen, ungefähr 15 000 Zuschauer, großes Interesse und gute Gespräche. Erfolgreich kann man sie nennen, diese Kinorundreise. Und den beiden Männern, die da vor dem Publikum stehen, ist’s anzumerken, wie zufrieden sie sind. „Wir sind sehr glücklich“, sagt Reiner Holzemer, der schon Dokumentationen über den Fotografen Anton Corbijn, Regisseurin Caroline Link und Modedesigner Martin Margiela gemacht hat. 200 Stunden habe er in gut 50 Drehtagen zusammengebracht über Eidinger, erzählt Reiner Holzemer, der zeigen wollte wie Eidinger, ein außergewöhnlicher Schauspieler, jetzt lebt.
Die Kamera, die Eidinger begleitete, habe er „in keinem Moment“ vergessen, so der Schauspieler, der unter anderem durch seine Rolle des Alfred Nyssen in der Serie „Babylon Berlin“, seine Arbeit am Theater und Filmen wie „Die Blumen von gestern“ bekannt wurde. Sein wahres Gesicht habe er aber in dem Film nicht gezeigt. Auch in dem Moment von „Sein oder nicht sein“, in dem das vermutet werden könnte. Es sei eher umgekehrt. Der Moment hätte so gar nicht stattgefunden, wäre die Kamera nicht dabei gewesen, so der Mime. Es geht um eine Sequenz, die einen emotionalen Ausbruch während einer Probe in Salzburg zeigt, als ihm plötzlich die Wut ins Gesicht geschrieben steht und Eidinger Regisseur Michael Sturminger anschreit. Ohne diese Szene wäre der Film nur halb so viel wert und daran könne man alles verstehen, worum es bei der Schauspielerei gehe, findet Eidinger. Es sei zwar ein extremer Druck gewesen - bei allem Genuss -, so Eidinger, der sich eher als sehr harmoniebedürftigen Menschen sieht. Es gäbe nur eine Szene, die er nicht so gut fand in „Sein oder nicht sein“. Das verriet er Holzemer am letzten Abend der Kinotournee auf der Bühne. Es handele sich um eine der ersten des Films, als er erzählt, wie er seiner Tochter ein Eis gekauft habe. „Das stört mich, wenn ich drauf gucke, aber da bin ich großzügig“, scherzt Eidinger.
Es gäbe aber extrem intime Augenblicke (nicht im Film). Etwa wenn seine Tochter sich filme und er im Hintergrund zu sehen sei, wie er gerade etwas esse. Das wäre zu hundert Prozent Lars Eidinger, und den würde er hier niemals zeigen, das wäre ihm viel zu intim, so der Schauspieler. In „Sein oder nicht sein“ sehe er Lars Eidinger, der Lars Eidinger spiele. Auf die Frage, wie viel Prozent von seinem Kern in dem Film zu sehen sei, antwortete er: „Gar kein Kern.“
Dann ist die Fragerunde vorbei. Aber der Abend noch lange nicht. Denn er gibt noch Autogramme, macht Selfies, spricht mit Kinobesuchern draußen vor der Harmonie. Die Stimmung ist bestens. Eine Frau hält eine Platte in der Hand. Das Cover zeigt den Schauspieler in einem weißen Kleid wie er in ein Gewässer steigt. „Wo hast du die denn her?“, freut sich Eidinger und unterschreibt auf der Rückseite. Andere halten ihm Kinokarten, Ausschnitte aus Magazinen oder Fotografien hin. Eidinger nimmt sich Zeit, spricht mit jedem ein paar Sätze. Es wird immer später. Ins Fichtekränzi will er. Das kenne er noch aus seiner Zeit in Frankfurt, er habe hier in Sachsenhausen gewohnt. Um die Jahrtausendwende. Enrico Sauda