Ein Ständchen als Dankeschön

Familie aus dem Ahrtal revanchiert sich in Bornheim auf musikalische Weise für Spenden.
Frankfurt. Leichtes Mitschunkeln bei der „Kleinen Kneipe“, Klatschen zu „Rosamunde“ - auf den ersten Blick schien das, was sich jetzt im Bistro der Wohnanlage in der Falltorstraße 18 abspielte, ein ganz normales Sommerfest mit kleiner Blaskapelle zu sein. Doch es war weit mehr als das: Das Ehepaar Yvonne und Richard Knipp war mit seiner 17-jährigen Tochter Viktoria und drei Musikfreunden aus Altenahr-Altenburg im Ahrtal gekommen, um sich bei den Senioren aus Bornheim für die insgesamt 5000 Euro zu bedanken, die diese der von der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 stark betroffenen Familie gespendet hatten. Eine neue Küche für das von der Flut bis zum Rohbau geschädigte Haus, in das das Wasser selbst durch die Dachfenster vorgedrungen war, wurde damit gekauft. „Wir hatten alles verloren“, sagt Yvonne Knipp. Sie seien sehr dankbar für die Hilfe.
Wissen, wohin das Geld geht
Achim Bassler, der in dem Komplex des Beamten-Wohnungs-Vereins lebt, in den eine Seniorenwohnanlage der Arbeiterwohlfahrt (Awo) integriert ist, hatte die Unterstützung damals initiiert. Einfach nur Geld an ein Spendenkonto zu überweisen, das kam für ihn nicht infrage. „Ich wollte das anders machen“, erzählt Bassler, wollte wissen, wohin genau das Geld fließen würde. Er recherchierte, landete über eine Koordinationsstelle bei der Leiterin eines Hilfslagers, und die verwies ihn an einen Pfarrer aus Altenahr. Über diesen kam der Kontakt mit Knipps zustande.
An der Tür zum Wohnmobil, in dem die Familie, zu der noch die ältere Tochter Jennifer zählt, sieben Wochen lang lebte, fand sie eines Tages nach der täglichen Arbeit am Haus einen Zettel vor, sie möge den Geistlichen mal anrufen. Sie wüssten nicht, warum ausgerechnet sie ausgewählt wurden, sagt Yvonne Knipp.
Von den 159 Häusern in Altenburg seien 150 genauso beschädigt worden wie das eigene, 70 davon mussten sogar abgerissen werden.
Über die eigene Hauszeitung, Aushänge und Flyer hatte Bassler zusammen mit weiteren Bewohnern und Monika Dembinski vom Sozialdienst der Anlage zu Spenden aufgerufen, bei Festen wurde Geld gesammelt. Die persönliche Patenschaft sorgte unter den etwa 100 Senioren für großes Engagement. Eine Spenderin, die anonym bleiben wollte, gab 500 Euro, eine Sozialhilfeempfängerin zweigte von dem wenigen, was sie selbst hat, zehn Euro ab. „Jeder Euro zählt“, das hatte Bassler versucht allen klarzumachen.
Im Laufe der Monate tauschte er sich regelmäßig mit Yvonne Knipp aus. Mit Fotos wurden die Frankfurter über die Fortschritte bei der Sanierung informiert. Um die dritte und letzte Spenden-Rate zu übergeben, fuhr eine kleine Delegation Ende März 2022 vom Main aus nach Rheinland-Pfalz und schaute sich die Folgen der durch Starkregen verursachten Katastrophe vor Ort an. Die Ausmaße seien damit erst richtig klar geworden, erzählt Dembinski.
Vier Tote hatte es in Altenburg gegeben, erzählt Yvonne Knipp. Auch für sie und ihre Familie hätte es schlimmer ausgehen können. Zwar hatten sie nicht mit so einer dramatischen Zuspitzung ihrer Lage gerechnet. Das eigene Wohnmobil parkten sie jedoch schon früher auf einer Anhöhe, und einer „Eingebung“ folgend, holten sie am Schicksalstag 14. Juli eine Leiter ins Haus. Nur dank dieser hätten sie sich und einen in der Anliegerwohnung lebenden Nachbarn, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist, in der Nacht über ein Dachfenster auf den Hang retten können, an dem das Gebäude liegt. „Dort haben wir 15 Stunden lang gelegen“, erzählt Yvonne Knipp, bis das Wasser wieder zurückgegangen war. Ohne eine Versicherung, die den entstandenen Schaden auch nur annähernd abdeckte, hätten sie danach „jede Chance ergriffen“, Hilfe zu bekommen. Neben staatlichen Mitteln und dem, was Freiwillige als Handwerker leisteten, stelle das Geld aus Frankfurt für sie etwas ganz Besonderes dar. Beide Seiten gehen davon aus, dass man den Kontakt weiter pflegen wird.
Seit November lebt die Familie Knipp wieder in ihrem Haus. Auf die Frage hin, ob sie keine Angst vor einer weiteren Hochwasserkatastrophe hätten, sagt Yvonne Knipp: „Wir wissen ja jetzt, wie wir reagieren müssen.“ Und: „Leben ist Risiko.“ Katja Sturm