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Ein Verleger, zwei Gründe zum Feiern

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Von: Dierk Wolters

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Treffen mit Autoren: Thomas Hettche (v. l.), Paulus Böhmer, Wolfgang Holbein und Axel Dielmann.
Treffen mit Autoren: Thomas Hettche (v. l.), Paulus Böhmer, Wolfgang Holbein und Axel Dielmann. © prviat

Der Axel-Dielmann-Verlag wird 30 und wurde jüngst mit dem V. O. Stomp-Preis ausgezeichnet

In Höchst wurde er geboren, Physik wollte er studieren, Astrophysiker werden. Sonst unauffällig. Womöglich einer, der von den Sternen träumte. Das war es dann aber doch nicht ganz, stellte er bald fest, und gründete eine Zeitschrift, „Schritte“. Denn das war sein zweiter großer Traum: Schriftsteller zu werden, mit dem Wort zu arbeiten. Erst einmal eine Zeitschrift, sicherheitshalber. Und siehe da: An 1400 Cafés in Deutschland wurde sie ausgeliefert, dort jeweils von unzähligen Kunden gelesen. Das zeigt erstens: Axel Dielmann hat einen Riecher dafür, wie sich Reichweite erzeugen lässt; und zweitens: ein begnadetes Talent, Kontakte zu knüpfen. Jahrelang ging das gut - mit Optimismus, Begeisterung und einer offensichtlich nie versiegenden Laune.

Jährlich erscheinen bis zu 20 Titel

Daraus erwuchs 1993 sein eigener Verlag: Somit blickt Axel Dielmann dieser Tage auf ein 30-jähriges Verlegerleben zurück - ein mehr als kleines Wunder in einer Branche, die seit Urzeiten von einer Krise zur nächsten taumelt. Dass Dielmann Risiken je scheute, kann man wahrlich nicht sagen: Gleich das erste Buch, Alban Nikolai Herbsts „Wolpertinger oder das Blau“ war ein 1000-Seiten-Trumm - und erhielt prompt den Grimmelshausen-Preis.

Seither erscheinen bei ihm jährlich 15 bis 20 Titel. Ob er einer sei, der das Risiko suche, wurde er jüngst im Hessischen Rundfunk gefragt. In der Kultur etwas zu bewegen, gehe nicht ohne Risiko, war Dielmanns Antwort. Kultur bedeute schließlich, etwas Neues zu wagen. Ein Selbstzweck ist ihm Risiko aber nicht. Ungewöhnliche Wege beschreiten jedoch gehört zu seinem verlegerischen Selbstverständnis. Ohne Bohei tut er das, als wäre nichts dabei. Und verbreitet dabei, quirlig, nimmermüde, sprühend vor Ideen und stets bereit anzupacken, wenn Not am Mann ist, einen mitreißenden Optimismus.

Immer fand Dielmann Wege, um machen zu können, was er machen wollte. Die Reihe Etikett zum Beispiel: Zur Verlagsgründung, fast ohne eigenes Kapital, brauchte er Sponsoren - und fand sie in großen Partnern, zum Beispiel der Bahn. Da wurde dann ein Buch, das von einer Bahnfahrt erzählte, mit einem Ticket gedruckt. Die Bahn schmückte sich damit - und Dielmann stellte fest: Wenn die Deutsche Bahn eine Mitteilung verschickt, hat das einen ganz anderen Effekt, als wenn er das tut, als unabhängiger kleiner Verlag.

Um die Bücher, für die er brannte, an den Mann und die Frau zu bringen, war Dielmann sich auch nichts zu schade, sich einen Bauchladen umzuspannen und damit im Zug von Abteil zu Abteil zu tingeln. Seit jeher ist es ihm wichtig, dass sein Verlag nahbar ist. Den Kontakt zu seinen Lesern schätzt er sehr. Das ist immer wieder zu spüren.

Auch in der 16er-Reihe, einer „Spielwiese“ für kleine Texte, die ihm wichtig war. Sie heißt deshalb, wie sie heißt, weil ihre Bücher 16 Seiten umfassen. Kleiner geht es nicht. Und schöner auch nicht. Fadengeheftet, werden die Werke in Karton eingestichelt. Das „Ansticheln“ wurde prompt zu einer eigenen Veranstaltungsreihe, bis heute gepflegt: Eine tolle Gelegenheit, dem Publikum zu erzählen, wie so ein Werk entsteht, schwärmt Dielmann. Wie sehr er diese Termine mag, weiß jeder, der einmal einer Veranstaltung beiwohnte. Von der Grafik bis zum Buchhändler: Wenn man alles zusammenzähle, seien immerhin fast 50 Menschen an der Entstehung eines einzigen Buches beteiligt, sagt Dielmann.

Sogar die Corona-Jahre hat der Verlag gut überstanden. Im kleinen Team hätten sie früh die Social-Media-Arbeit intensiviert, kurze Filme der Autoren ins Netz gestellt - und die Direktverkäufe so mehr als verdoppelt. Das gleiche noch heute die immens gestiegenen Papier- und Herstellungspreise aus.

Leben und arbeiten unter einem Dach

Seit Jahren residiert der Verlag im Wohnhaus von Axel Dielmann in Alt-Niederrad. Leben und arbeiten voneinander zu trennen, hat ihm noch nie eingeleuchtet. Dass der kleine Verlag sich vor großen Aufgaben nicht scheut, hat er mehrfach bewiesen: jüngst mit einer vierbändigen Werkausgabe des unabhängigen Verlegers und Autors V. O. Stomps. Für sie wurde er in der vergangenen Woche in Mainz mit diesem Verleger benannten und alle zwei Jahre vergebenen Buchpreis ausgezeichnet.

Im Gespräch betont er immer wieder, wie sehr ihm die Lyrik am Herz liegt: Hier werde all das benannt, was uns in unserer turbulenten Gegenwart umtreibt, ist Dielmann überzeugt. Und so ist auch sein jüngstes Programm ein Statement: acht Titel, und alle acht Lyrik. „Harakiri“, hätten ihn Kollegen gewarnt, sagt er. Aber Dielmann wagte es trotzdem: und hatte auch damit Erfolg. Astrophysiker ist Axel Dielmann zwar nicht geworden. Aber nicht unwahrscheinlich, dass sein Weg als Buchmensch und Verleger der schönere Weg zu den Sternen war. Dierk Wolters

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