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Eine Berliner Schule als Vorbild

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Von: Julia Lorenz

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Margret Rasfeld leitet die innovative Schule seit 2007.
Margret Rasfeld leitet die innovative Schule seit 2007. © Holger Menzel

Die nach den Sommerferien eröffnende IGS Süd in Sachsenhausen soll ein einmaliges Schulkonzept in Frankfurt bekommen. Als Vorbild dient die Evangelische Schule Berlin Mitte. Wie dort der Alltag aussieht, haben nun die Schulleiterin Margret Rasfeld und zwei Schülerinnen berichtet.

Keine Schulnoten? Kein Frontalunterricht? Und jeden morgen selbst entscheiden, ob man gerade lieber Deutsch, Mathe oder Englisch pauken will? Was nach dem Traum eines jeden Schülers klingt, ist in der Evangelischen Schule Berlin Zentrum bereits Realität – und könnte es möglicherweise auch in Frankfurt werden.

„Schule neu denken“

Nach den Sommerferien soll die erste Integrierte Gesamtschule in Sachsenhausen, die IGS Süd, eröffnen (wir berichteten). Sie wird zunächst mit vier fünften Klassen in der Textorstraße 104 an den Start gehen und sukzessive ausgebaut. Als Vorbild gilt die Evangelische Schule Berlin Zentrum (ESBZ). „Das ist die spannendste Schule Deutschlands“, sagt Uwe Gehrmann, Schulleiter der IGS Nordend und Vorsitzender der Projektgruppe, die die IGS Süd aufbauen soll. Um aus ihrem Schulalltag zu berichten, hatte er deshalb nun die Leiterin der ESBZ Margret Rasfeld, die Achtklässlerin Finia (13) und die Siebtklässlerin Alena (12) in das Museum für Angewandte Kunst eingeladen.

„Wir müssen Schule neu denken“, sagt Rasfeld, die sich selbst als Visionärin bezeichnet. Man müsse weg von der Wissensvermittlung hin zum Erkennen der eigenen Potenziale. Die Aufteilung in Unterrichtseinheiten und die Vergabe von Schulnoten stammen für sie aus alten Zeiten. Dieser Leistungsanspruch, immer nur Einser schreiben und der Beste sein zu müssen, müsse verlassen werden. „Das macht krank“, sagt die Schulleiterin. „Die Wertschätzung des Menschen ist viel wichtiger.“ Die jungen Menschen müssten mutig werden, Visionen haben, Innovationswillen zeigen. „Sie müssen selbst Entscheidungen treffen können und nicht immer nur geführt werden. Wir brauchen Zukunftsgestalter, die die Welt verändern.“

Darauf abgestimmt hat Margret Rasfeld ein Konzept entwickelt, das an ihrer Schule seit der Gründung im Jahr 2007 angewandt wird. „Wenn ich morgens in die Schule komme, kann ich selbst entscheiden, was ich an diesem Tag lernen will: Deutsch, Mathe, Englisch oder Natur und Gesellschaft“, erzählt Finia. Hat sie eine Entscheidung getroffen, geht sie in das dafür vorgesehene Lernbüro, um sich den Lernstoff mit Hilfe von Karteikarten und Büchern selbst anzueignen. Die Fächer sind in verschiedene Bausteine aufgeteilt, die bearbeitet werden müssen. Die Lehrer helfen nur, wenn es nötig ist. „Erst fragen wir aber die anderen Schüler, wenn wir etwas nicht verstehen“, sagt Alena. Besonders gut könnten dabei die älteren Schüler helfen. Immerhin werden die Jahrgangsstufen 7, 8 und 9 (in Berlin geht die Grundschule bis zur sechsten Klasse) in einer Klasse unterrichtet.

Selbstbestimmte Tests

Ist ein Baustein beendet, steht ein Test an. Allerdings darf jeder Schüler selbst entscheiden, wann er diesen schreiben will. „Das ist super“, erzählt Finia. „Erst wenn man ein Thema wirklich kann, schreibt man den Test. Da kann man ganz anders lernen und hat keine Angst mehr.“

Ganz auf Kontrolle wird aber auch in der Berliner Schule nicht verzichtet. „Die Schüler müssen jeden Tag in ein Buch eintragen, was sie gemacht haben“, erklärt Rasfeld. Am Ende jeder Woche gibt es zudem ein Gespräch zwischen Schüler und Tutor, in dem darüber geredet wird, was gemacht wurde und was man sich für die kommende Woche vornimmt. „Tolles System. Mit dem Tutor kann man über alles reden, auch wenn man mal zu Hause Probleme hat“, sagt Alena.

Zum Stundenplan zählen auch Wahlpflichtfächer wie Spanisch, die Fächer „Werkstatt“, vergleichbar mit AGs wie Mediation oder Informationstechnik, und „Projekt“. Zudem gibt es noch das Fach „Verantwortung“, in dem jeder Schüler einmal in der Woche in Kindergärten, Altenwohnheimen oder vergleichbare Einrichtungen geht, um dort mitzuhelfen. So hilft Alena in einer Kita aus, Finia in einem Hort. Noch ungewöhnlicher erscheint das Projekt „Herausforderung“. Drei Wochen radeln die Schüler dabei etwa nach Kopenhagen oder wandern in Südfrankreich. Je nachdem, was sie sich ausdenken. Schulnoten gibt es bis zur Oberstufe übrigens nicht. Zum Halbjahr gibt es Gespräche zwischen Schüler, Eltern und Tutor, am Ende des Schuljahres erhalten die Kinder einen Lernbericht.

Für Uwe Gehrmann steht fest: Das Konzept kann auch in Frankfurt funktionieren. Doch es gibt noch Probleme. An hessischen Schulen müssen Noten vergeben und vorgegebene Lehrpläne eingehalten werden. „Alles andere wäre hier noch ein Tabubruch. Aber es gibt den Weg, eine selbstständige Schule anzumelden“, sagt Gehrmann. „Dann kann man über die Gesetzesgrenze hinweggehen, auf Noten verzichten und Lerngruppen einrichten.“ Diesen Weg wolle man den Eltern der künftigen Schüler vorschlagen. „Das geht aber nur, wenn wir das alle zusammen entscheiden.“

Informationen zur IGS Süd gibt es im Internet unter .

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