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Eine rollende Küche für die Nachbarschaft

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Von: Sabine Schramek

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Rollende Küche für die Nachbarschaft: Malte Stieber und Janina Albrecht leimen sie zusammen.
Rollende Küche für die Nachbarschaft: Malte Stieber und Janina Albrecht leimen sie zusammen. © flieth

Selbermachen und mitanpacken: Im Nachbarschaftszentrum in der Heinrich-Lübke-Siedlung in Frankfurt-Praunheim hat das Quartiersmanagement zusammen mit den Bewohnern eine Outdoor-Küche gebaut. Auf Rädern versteht sich.

Essen auf Rädern bekommt in der Heinrich-Lübke-Siedlung eine ganz neue Bedeutung. Ein ganzes Wochenende lang wurde vor und im Nachbarschaftsbüro „Bolle“ gebaut. Eine rollende Küche, die Treffs zum gemeinsamen Kochen und Kennenlernen fast überall möglich macht.

Gemeinsam wird gekocht

Neugierig gucken die Leute Malte Stieber zu, der in praller Sonne im T-Shirt merkwürdig aussehende Holzteile schleift. Es brummt und staubt ein bisschen auf den Stufen zur Heinrich-Lübke-Straße 7. Der Quartiersmanager lächelt. „Es ist der erste richtig schöne warme Tag und wir bauen eine rollende Küche, mit der wir überall zum gemeinsamen Kochen hinfahren können“, sagt er. Birgül Dagistan will eigentlich einkaufen gehen und überlegt es sich sofort anders. „Ich habe etwas darüber gelesen“, erinnert sie sich und die dreifache Mutter und vierfache Oma, die als Hauswirtschafterin in einer Jugendeinrichtung arbeitet und seit 30 Jahren in der Siedlung wohnt, ist sofort mit Feuereifer dabei, die unzähligen Holzstücke abzuwaschen und zum Trocknen in die Sonne zu stellen.

Aktive Nachbarschaft, wie sie sein sollte. Mit einem Projekt, das das Wort Essen auf Rädern neu definiert. „Bolle“ heißt die rollende Küche, die ein Wochenende lang gebaut wird und künftig als mobiler Anlaufpunkt bei schönem Wetter einladen soll. „Es gibt keine Cafés, in denen man miteinander ins Gespräch kommen kann. Und beim gemeinsamen Kochen kommt man immer gut ins Gespräch“, so Stieber.

„Essen verbindet“, weiß auch Stiebers Kollegin Tanja Göller, die zum ersten Mal Stechbeitel in der Hand hat, mit denen sie noch einen Millimeter Birkenholz an vorgesägten Einkerbungen per Hammer vorsichtig abschlägt.

Dagistan holt mit dem Fingernagel die winzigen abgeschlagenen Splitter aus den Ritzen und pustet den Rest weg, während Produktdesignerin Janina Albrecht im Jugendtreff die gewaschenen und geschliffenen Holzteile verleimt und gekonnt mit Zwingen zusammenpresst.

Vier Felder und ein Gewürzregal

Der Bau der rollenden Küche mit vier Gaskochfeldern, Arbeitsflächen, die zu einer Tischplatte verwandelt werden können, Stauraum, Gewürzregal und Hockern ist ein Abenteuer für alle. „Bolle“ ist ein Open-Source Projekt der Industrial Designerin Ute Peppersack aus Köln, die die Küche für ihre Bachelor-Arbeit an der Uni Wuppertal entworfen hat und mit dem Verein „Über den Tellerrand“ den gesamten Bauplan für jedermann als nicht kommerzielles Projekt kostenlos ins Netz gestellt hat.

„Nach uns baut auch das Nachbarschaftsbüro im Gallusviertel nächsten Monat einen Bolle“, erzählt Stieber, der weiter begeistert die Schleifmaschine brummen lässt. Das Holz haben sie nach der Anleitung zuschneiden lassen und alles besorgt, was sonst noch dazu gehört. Wer vorbeikommt, bleibt stehen und guckt. Immer wieder werfen Leute ihre Pläne über den Haufen und machen mit beim Abwischen, Schleifen, Zusammenstecken, Leimen, Klemmen und Schrauben. Wie viele Teile es genau sind, die zusammengebaut werden müssen, weiß niemand so genau. Albrecht schätzt mehrere Hundert Teile und Teilchen. Sie haben alles sorgfältig nach der ausgedruckten Bauanleitung sortiert und arbeiten sich Stück für Stück an den einzelnen Komponenten ab. Ab und zu ist eine Kaffeepause drin und Zeit, ein Plätzchen zu knabbern.

Schmerzende Erinnerungen

Ein Schreinermeister in Rente, der hier „seit Ewigkeiten wohnt“, will alles genau wissen. Er checkt den Leim, gibt Tipps zum Hämmern und betrachtet fachmännisch jedes einzelne Werkzeug. Beim Anblick des nagelneuen Sets Stechbeitel kommen ihm Erinnerungen hoch. „Uiuiui. Wenn man das nicht geübt hat, kann das richtig wehtun. Ich weiß noch genau, wie oft ich mir in der Lehre auf die Finger gekloppt habe“, mahnt er und nickt anerkennend zu dem Projekt. „Eine schöne Idee. Da komme ich dann auch vorbei, wenn der Küchenwagen in der Siedlung unterwegs ist.“

Jugendliche halten an und lassen sich erzählen, was das Quartiersmanagement vom Caritasverband Frankfurt vorhat. „Stabil“, sagen sie und fragen neugierig, wann es losgeht. „Spätestens im Mai zum Nachbarschaftstag. Aber wir hoffen, dass es schon vorher klappt“, versprechen Göller und Stieber. SABINE SCHRAMEK

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