Erfolgreicher Tempo-30-Versuch wird in Frankfurt nicht umgesetzt

Eineinhalb Jahre lang hatte die Stadt geprüft, ob durch ein nächtliches Tempo 30 die Lärmbelastung an Hauptverkehrsstraßen spürbar sinkt. Die Auswertung war positiv. Dennoch warten die Anwohner seither vergeblich darauf, dass aus dem Modellversuch ein Dauerzustand wird. Das wollen sie nun ändern.
Tagsüber ist die Rothschildallee im Nordend eine vielbefahrene Hauptverkehrsstraße. Vierspurig. Ein Auto nach dem anderen rast an Martina Lansky, ihrem Mann Christian und Karin Wittstock vorbei. Gemeinsam mit anderen Anwohnern der Straße haben sich zu der Arbeitsgruppe „Tempo 30 bei Nacht“ zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie dafür kämpfen, dass es auf der Rothschildallee, aber auch auf anderen Hauptverkehrsstraßen in der Innenstadt künftig ein Tempolimit zwischen 22 und 6 Uhr gibt.
Deutlich leiser
Die Idee ist nicht neu. Es hat vor drei Jahren gar einen groß angelegten Modellversuch gegeben. Damals sollte herausgefunden werden, ob ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern den Anwohnern von Hauptverkehrsstraßen nachts mehr Ruhe bringen kann. Ab Juni 2015 durften in der Nibelungen- / Rothschildallee, in der südlichen Eschersheimer Landstraße, in der Lange Straße sowie am nördlichen Mainufer zwischen Untermainbrücke und Ignatz-Bubis-Brücke für eineinhalb Jahre zwischen 22 und 6 Uhr nur noch höchstens Tempo 30 gefahren werden. Das Ergebnis war positiv: Die Autofahrer waren tatsächlich langsamer als sonst unterwegs, der Lärm konnte um 4,5 Dezibel reduziert werden. Dazu muss man wissen: Ein Rückgang um drei Dezibel wird von den Anwohnern bereits wie eine Halbierung der Verkehrsmenge wahrgenommen und ist die Voraussetzung dafür, dass ein Tempolimit angeordnet werden darf. Dennoch wurden die Tempo-30-Schilder nach Ende des Verkehrsversuchs wieder abmontiert.

„Das ist für uns als Anwohner völlig unverständlich“, sagt Monika Lansky. Gemeinsam mit ihrer Familie ist sie 2016 an die Rothschildallee gezogen. „Es war uns natürlich bewusst, dass dies eine vielbefahrene Straße und es laut ist“, sagt Lansky. „Aber wir hatten die Straßenschilder gesehen, die auf das nächtliche Tempolimit hinwiesen und dachten: Na, dann kann der Lärm ja nicht so schlimm sein.“ Aber sie sollte sich täuschen. „Es wurde immer lauter, als die Schilder dann weg waren.“ Mit gekipptem Fenster zu schlafen, ist mittlerweile wieder undenkbar. Karin Wittstock sagt: „Nachts rasen die Autos hier manchmal mit 120 Stundenkilometern vorbei. Das ist extrem laut.“ Einige Anwohner seien mittlerweile so genervt von dem nächtlichen Straßenlärm, dass sie überlegten, wegzuziehen. „Der Lärm ist ja nicht nur störend, er wirkt sich auch auf die Gesundheit aus“, sagt Martina Lansky.
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Die Anwohner wollen sich aber nicht vertreiben lassen. „Wir leben bewusst in der Stadt. Da nimmt man alle Vor-, aber eben auch Nachteile in Kauf“, sagt Karin Wittstock. „Aber hier wäre es wirklich einfach, mit einem geringen Aufwand und ohne spürbare Nachteile für andere, eine echte Verbesserung für viele zu erwirken, wenn man einfach nur wieder die Tempo-30-Schilder für die Nacht aufstellen würde.“ Um sich dafür stark zu machen, haben sich rund 30 Anwohner nach einem Nachbarschaftsfest im Sommer zusammengetan. Sie haben eine Facebook-Gruppe gegründet und eine Online-Petition gestartet. Innerhalb von kurzer Zeit wurde diese schon von 172 Unterstützern unterzeichnet.
Keine Einigung
Bisher haben sich die drei Koalitionspartner im Römer nämlich nicht darauf einigen können, ob man ein nächtliches Tempolimit dauerhaft haben möchte oder nicht. Trotz des als positiv bewerteten Modellversuchs plädiert die CDU für häufigere Geschwindigkeitskontrollen. Auch die SPD hält dies für sinnvoller. Die Grünen im Römer hingegen erachten ein nächtliches Tempolimit als sinnvoll – sie unterstützen Martina Lansky und ihre Mitstreiter.
Doch Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) macht den Anwohnern wenig Hoffnung, dass es in Frankfurt an den Hauptverkehrsstraßen in der Innenstadt nachts Tempo 30 geben wird. Im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und Grünen wird zwar Tempo 50 als Regelgeschwindigkeit auf Hauptverkehrsstraßen festgelegt, doch Abweichungen sind „im Einzelfall“ aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Lärmschutzes möglich. Die Formulierung lässt Spielraum für Interpretationen. „Wo Einzelfälle vorliegen, darauf haben wir uns noch nicht geeinigt“, sagt Oesterling auf Nachfrage dieser Zeitung. Und dann bringt er noch eine ganz neue Begründung mit ins Spiel.
„Unser Schwerpunkt liegt derzeit darauf Maßnahmen zu prüfen, wie wir das uns drohende Dieselfahrverbot noch verhindern können“, sagt Oesterling. Das Land Hessen ist gegen das Urteil vom Verwaltungsgericht Wiesbaden in Berufung gegangen. „Wir müssen jetzt noch ergänzende Vorschläge machen, wie die Luft in Frankfurt besser werden könnte“, sagt Oesterling.
Eine Möglichkeit wäre eine generelle Geschwindigkeitsreduzierung vom Tempo 50 auf 30. „Davor hat uns das städtische Umweltamt aber schon gewarnt“, sagt Oesterling. „Dies könne eine Erhöhung der Stickoxidbelastung mit sich bringen. Und genau das wollen wir natürlich nicht. Wir müssen Maßnahmen, die solche Gefahren nach sich ziehen können, vermeiden.“