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Es ist noch Suppe da, wer hat noch nicht, wer will noch mal?

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Eitel Sonnenschein herrschte unlängst im Frankfurter Römer, als es um „Budgetübertragungen“ verschiedener Dezernatshaushalte ging, wobei immerhin die stolze Summe von 109 Millionen Euro im Raum stand. FOTO: dpa
Eitel Sonnenschein herrschte unlängst im Frankfurter Römer, als es um „Budgetübertragungen“ verschiedener Dezernatshaushalte ging, wobei immerhin die stolze Summe von 109 Millionen Euro im Raum stand. © Oeser

Die Stadt Frankfurt hat ein Gute-Laune-Stimulans entdeckt - in Höhe von 109 Millionen Euro.

Frankfurt – Eine gute Freundin pflegt jedes Jahr beim Wechsel von der Winter- auf die Sommergarderobe ein kleines Ritual: Sie steckt einen 20-Euro-Schein in eine Tasche des Wintermantels, bevor sie ihn im Keller einmottet. Und es gelingt ihr jedes Jahr, das Scheinchen zu vergessen. Kommen dann nach des Sommers brütender Glast die ersten grauen Herbsttage und holt sie den Mantel wieder hervor, findet sie irgendwann - meist beim Warten an der zugigen Bushaltestelle - die 20 Euro und zaubert sich so selbst ein Lächeln ins Gesicht.

Wie wir jetzt wissen, hat die Stadt Frankfurt eine ähnliche Gute-Laune-Stimulans für sich entdeckt - nur nicht mit 20, sondern mit 109 000 000 Euro. Zwar weiß der Kämmerer, dass die kommunalen Einnahmen nächstes Jahr sinken werden, aber das Spiel „Rechte Tasche, linke Tasche“ ist doch zu verlockend. Da kann man sich nämlich in trauter Magistratsrunde vor der Presse versammeln, fröhlich einhaken und im Gedenken an den Kölner Karnevalisten Jupp Schmitz das Lied anstimmen: Es ist noch Suppe da, es ist noch Suppe da, wer hat noch nicht, wer will noch mal . . .

Woher kommen die Millionen im Frankfurter Haushalt?

Wie weggeblasen sind sofort alle Verstimmungen; man habe sich „intensiv“, aber mit gutem Ergebnis über die Verwendung der Gelder unterhalten, die aus „Budgetübertragungen“ verschiedener Dezernatshaushalte stammen. Sprich: Es ist Geld, das aus diesem oder jenem Grund zur Ausgabe vorgesehen war, aber doch nicht ausgegeben worden ist. Hm, Moment mal: Ist es wirklich Geld, real existierendes Geld, oder handelt es sich nur um Zahlen in einem ungedeckten Wirtschaftsplan? Egal! Gutes kann man damit tun, etwa rund ein Viertel - 27,5 Millionen Euro - in einen zu gründenden Energiehilfefonds stecken, der Menschen zugute kommt, die ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr zahlen können.

Das kommt an beim Wahlvolk, das knapsen muss, um seine Rechnungen begleichen zu können - etwa bei der Mainova. Größter Anteilseigner des Energiedienstleisters ist übrigens mit 75,2 Prozent die „Stadtwerke Frankfurt am Main Holding“, sprich die Stadt. Linke Tasche, rechte Tasche . . . Irgendwann taucht der 20-Euro-Schein wieder auf, und - wer hat noch nicht, wer will noch mal - die Freude ist groß.

Frankfurt: „Neue Kultur“ im Römer spricht gegen Haushaltsgrundsätze

Der grüne Kämmerer Bastian Bergerhoff spricht von einer „neuen Kultur“, die diese Koalition mit ihren Budgetübertragungen pflege. Das kann man ihm nicht absprechen: Früher wurde in den Ämtern alles Geld, das am Ende des Wirtschaftsjahres übrig zu bleiben drohte, einfach ohne Verluste rausgeballert. Denn wer noch Geld übrig hatte, zeigte damit, dass bei ihm prima gekürzt werden kann. Dezemberfieber nennt man dieses Verwaltungsphänomen.

Das verstößt elementar gegen zwei Haushaltsgrundsätze: Erstens dürfen Ausgaben nur getätigt werden, wenn sie notwendig sind, und zweitens auch erst dann, wenn sie fällig sind. Denn nimmt man es genau, wird Behörden kein Geld zugewiesen, sondern sie werden über die Haushaltsansätze lediglich dazu ermächtigt, eine bestimmte Summe zulasten der öffentlichen Kasse zu verbuchen. Das Geld gibt es - anders als beim Steuerzahler auf dem Girokonto - eigentlich nicht: Das Dezemberfieber erhöht lediglich die Verschuldung, und so ist es auch - genau besehen - bei den Budgetübertragungen. Im Gegensatz dazu ist der 20-Euro-Schein im Wintermantel real existierendes Kapital, hat einen echten Nährwert. Oder: Es ist noch Suppe da, es ist noch Suppe da! Ich stifte eine Runde für den ganzen Saal!

Holger.Vonhof@fnp.de

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