Fernbahntunnel Frankfurt: Milliardenprojekt wird konkret

3,5 Milliarden Euro will der Bund ausgeben, damit das größte Schienennadelöhr Deutschlands verschwindet. Das ist für den Hauptbahnhof geplant.
Frankfurt -Von Anfang 2023 an geht die Deutsche Bahn in die konkrete Planung des Fernbahntunnels unter dem Hauptbahnhof und der Innenstadt. Dafür hat das Unternehmen jetzt die Planung europaweit ausgeschrieben. Bisher ist der Hauptbahnhof das zentrale Nadelöhr des deutschen Fernverkehrs auf der Schiene - der Fernbahntunnel soll das Problem ab Anfang der Vierzigerjahre lösen.
Ein erheblicher Teil der Fernzüge durch Deutschland rollt via Frankfurt, daher profitieren auch sehr viele von den 40 Prozent mehr an Kapazität durch den Tunnel. "Ohne dieses Projekt funktioniert der Deutschlandtakt nicht", erklärt Gerd-Dietrich Bolte, Leiter Infrastrukturprojekte Mitte bei DB Netz. Mit dem Deutschlandtakt gibt der Bund vor, welche Kapazität auf den Schienen im ganzen Land nötig ist. Schon bis Ende dieses Jahrzehnts will der Bund so die Fahrgastzahlen im Fernverkehr verdoppeln - Ziel: Klimaschutz.
Doppelter Tunnel könnte Offenbach und Hanau ein Großprojekt ersparen
So zahlt der Bund auch den Tunnel unter Frankfurt komplett. Der wird mindestens 3,5 Milliarden Euro kosten und wohl noch etwas mehr, da die ursprünglichen Schätzungen nur einen östlichen Tunnelausgang einpreisten. Die Bahn will den Tunnel aber nun zugleich an beide Strecken nach Hanau anschließen, nord- und südmainisch. So spart sich der Bund nämlich eine zusätzliche, zweigleisige Neubaustrecke von Offenbach über Mühlheim nach Hanau.
Den aktuellen Stand der Planung präsentierte die Bahn am Montag Vertretern diverser Interessengruppen, etwa von Verbänden, aus Stadtpolitik und Ortsbeiräten. Das Unternehmen bittet um Rückmeldung, wie es den Bürgerdialog gestalten soll. "Hier wird Transparenz groß geschrieben", betont Bahn-Sprecherin Julia Katzenbach-Trosch. Sämtliche Planungsunterlagen seien bereits im Internet öffentlich einsehbar. "Wir haben von Stuttgart 21 gelernt", sagt Alexander Nolte von DB Netz.
Querpassage soll Gallus und Gutleutviertel verbinden - mit S-Bahn und ICEs
Die Vorhaben sind ohnehin nicht vergleichbar: Wird in Stuttgart der Hauptbahnhof unter die Erde verlegt, wird er in Frankfurt "nur" unterirdisch erweitert und schrumpft oberirdisch nicht, sondern wird selbst dort vergrößert. Da vor allem unterirdisch gebaut wird, rechnet Bauherr Bahn mit deutlich weniger Widerstand als bei oberirdischen Ausbauvorhaben wie den Schnellfahrstrecken nach Mannheim oder Fulda, erklärt Gerd-Dietrich Bolte.
So entsteht der westliche Tunnelmund dort, wo das ungenutzte Bahnbetriebswerk 1 steht: mitten im Gleisvorfeld westlich der Camberger Brücke. Es werde beim Bürgerdialog wohl eher um "operative Themen wie die Baustellenlogistik" gehen, schätzt Bolte. Gerade am Hauptbahnhof werde man deutlich spüren, wenn zehn Jahre lang gebaut werde. So soll der 450 Meter lange Tiefbahnhof in 27 Metern Tiefe unter der südlichsten der Bahnhofshallen sowie der Mannheimer Straße entstehen.
Neue B-Ebene unter dem Hauptbahnhof vorgesehen
Damit sich die Fahrgastströme verteilen können, soll eine 450 Meter lange B-Ebene über dem Tiefbahnhof entstehen. Zu dieser gelangen Fahrgäste entweder vom Querbahnsteig der Haupthalle aus, direkt von der B-Ebene unterm Bahnhofsvorplatz sowie von einer neuen Querpassage. Diese soll östlich des Hafenstraßentunnels die Hauptbahnhofgleise unterqueren: Zugänge Richtung Gallus/Messe im Norden, ins Gutleutviertel im Süden und Abgänge zum S-Bahn-Tiefbahnhof sind vorgesehen sowie - falls technisch machbar - auch zu einigen oberirdischen Bahnsteigen.
Die ganz exakte Lage der unterirdischen Bauten sollen die nächsten Planungsschritte ergeben, erklärt Alexander Nolte. In einem ersten Schritt hatte die Bahn bereits per Machbarkeitsstudie aus 31 Varianten die einzige technisch mögliche Trasse gefunden. "Das hat uns drei bis vier Jahre gespart" im Vergleich zum sonst üblichen Verfahren, erklärt Gerd-Dietrich Bolte. Die nächste Phase für Planung und Genehmigung werde nun acht bis zehn Jahre dauern. Indem drei Planungsphasen en bloc vergeben werden, ein Novum, spare man bis zu zwei Jahre.
Ausbau oberirdisch? Die Folgen wären drastisch in Sachsenhausen
In der Region wird der Fernbahntunnel breit unterstützt, etwa von Land, Stadt, Messe, RMV, Fraport, Studierenden, Fahrgastverbänden, Umweltverband BUND. Nur die Initiative "Frankfurt 22" lehnt den Tunnel und jeden Dialog darüber ab, wie sie in einer Presseerklärung bekräftigt. Der "umweltverseuchende, Feinstaub und hunderttausende Tonnen CO2 produzierende, brandgefährliche Tunnel dient einzig der Tunnelbaulobby." Es genüge ein Ausbau zwischen Haupt- und Südbahnhof auf vier Gleise, behauptet die Initiative.
Dem widerspricht die Bahn: Mehr als 50 Häuser in Sachsenhausen müssten für einen solchen Ausbau abgebrochen werden, erklärt Alexander Nolte. Auch die Stadt hat diesem Vorschlag bereits eine Abfuhr erteilt. Eine "Optimierung" der Strecke via Südbahnhof sei zusätzlich zum Fernbahntunnel nötig und werde zuvor umgesetzt, um schnell Kapazitäten zu schaffen, betont Nolte. So entstehen ein neuer Bahnsteig an Gleis 10 am Süd- sowie an Gleis 25 am Hauptbahnhof, dazu diverse zusätzliche Gleisverbindungen, damit ICEs Gleise und Bahnsteige flexibler anfahren können. Auch sollen lange Bahnsteige künftig von zwei Zügen hintereinander genutzt werden können. Ende 2025 sollen erste Erweiterungen in Betrieb gehen, kündigt Nolte an. Dann geht der neue Stuttgarter Tiefbahnhof in Betrieb - und das ganze ICE-Netz wird auf einen 30-Minuten-Takt verdichtet. Dann wird es auch in Frankfurt voller. ( Dennis Pfeiffer-Goldmann)