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Firmen in Frankfurt buhlen verzweifelt um Azubis

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Von: Katja Sturm

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Wäre das Groß- und Außenhandelsmanagement etwas für Kommunikationstalent Julia Herdt (links)? Am Stand der Marx GmbH beim Azubi-Speed-Dating der IHK im FSV-Stadion informiert sich die junge Frau - und vereinbart auch gleich ein Kurzpraktikum.
Wäre das Groß- und Außenhandelsmanagement etwas für Kommunikationstalent Julia Herdt (links)? Am Stand der Marx GmbH beim Azubi-Speed-Dating der IHK im FSV-Stadion informiert sich die junge Frau - und vereinbart auch gleich ein Kurzpraktikum. © Rainer Rüffer

Goldene Zeiten für junge Leute: Firmen werben händeringend um sie als Lehrlinge - sogar in einem Frankfurter Stadion.

Frankfurt -Julia Herdt hatte eine klare Vorstellung. Etwas Kaufmännisches sollte es sein. In diesen Bereich hat die 17-Jährige bereits hineingeschnuppert, sie hätte bei einer Versicherung sogar einen Vertrag unterschreiben können. Doch während eines Praktikums merkte die Babenhäuserin, dass sie weiterziehen wollte, um etwas anderes, vielleicht Kreativeres für sich zu finden.

Am Mittwoch schaute sie beim Azubi-Speed-Dating der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Frankfurt vorbei. Dort, wo sich sonst die VIP-Gäste des FSV Frankfurt rund um die Spiele des Fußball-Regionalligisten vergnügen, im ersten Stock des Stadions am Bornheimer Hang, hatten an kleinen Tischen die Vertreter von etwa 50 Unternehmen Platz genommen. Sie wollen bei geeigneten Kandidaten für sich werben. Genau so herum muss man das sehen, da derzeit allein die IHK für Frankfurt, den Main-Taunus- und den Hochtaunuskreis noch mehr als 1000 freie Ausbildungsstellen auf ihrer Liste aufführt.

Corona hat die Lage noch verschärft

Die Coronavirus-Pandemie habe die zuvor schon schwierige Lage noch verschärft, erklärt Florian Volke, der Leiter der Ausbildungsberatung. Nicht mehr nur die arg gebeutelte Hotel- und Gastronomiebranche finde kaum geeignete Lehrlinge. "Vielleicht gibt es kleine Nischen, bei denen es gut aussieht." Aber allgemein herrsche Kandidatenmangel.

Dabei eröffnen sich gerade in Frankfurt und Hessen den Absolventen weitere attraktive Wege: So können sie auch ohne Abitur bei einem Notendurchschnitt von mindestens 2,5 an öffentlichen Universitäten studieren. Nicht alle, aber viele Studiengänge stehen dabei offen. Auch die Verdienstmöglichkeiten seien deutlich besser als ihr Ruf, stünden in vielen Bereichen denen der Studierenden nicht nach. "Viele wissen das gar nicht", sagt Volke.

Schichten bis in die Nacht? Klappt nicht, weil die Öffis nicht fahren

In einem großen Hotel in Frankfurt hatte sich auch Julia beworben. Nach späten Schichten dort wäre sie nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause gekommen, sagt sie. Deshalb kam das nicht infrage.

Beim Studieren des Lageplans der Azubi-Messe, die erstmals mit dem bislang separaten Personalforum Inklusion für Menschen mit Behinderung zusammengeführt wurde, kam Julia mit IHK-Ausbildungsberater Ronald Feige ins Gespräch. Der riet der kommunikativen jungen Frau, die seit einem Jahr einen guten Realschulabschluss in der Tasche hat, "den Horizont zu öffnen". Vielleicht nicht gleich das Naheliegendste in den Blick zu fassen, sondern die Gelegenheit zu ergreifen, sich umfassend über die verschiedensten Ausbildungsmöglichkeiten zu informieren.

Kurzpraktikum zum Kennenlernen

Jetzt sitzt Julia bei der Wilhelm Marx GmbH, bei der ein Schwerpunkt auf intelligenter Gebäudetechnik liegt. Mehrere Gespräche hat die Kandidatin bereits hinter sich, hätte schon zwei Vertragsabschlüsse machen können. Der Dialog mit Janosch Geiger und Felix Falk läuft ebenfalls gut. Nach einer Viertelstunde wird vereinbart, dass die Interessentin am Standort Frankfurt so bald wie möglich ein Kurzpraktikum von drei bis fünf Tagen absolvieren wird, um den Betrieb kennenzulernen und dann besser entscheiden zu können, ob Groß- und Außenhandelsmanagement sie reizt. "Das Zwischenmenschliche hat mir gut gefallen", wird sie das begründen. Das sei ihr wichtig.

Ähnlich sehen das die beiden Arbeitgebervertreter; sie hätten beim "Beschnuppern" einen "positiven Ausschnitt" gesehen. Die Sanduhren, die auf allen Tischen stehen, werden dabei kaum genutzt. Eigentlich sollen sie die Gesprächszeiten auf zehn Minuten begrenzen. Doch der Andrang an diesem Vormittag ist nicht so groß, dass das nötig wäre, obwohl auch ganze Schulkassen durch die Gänge flanieren. Niemand möchte sich hetzen.

"Ich muss mir zu Hause erst mal einen Überblick verschaffen", sagt Julia. Der Tipp, sich auch über Bereiche zu informieren, die sie vorher nicht im Kopf hatte, sei sehr hilfreich gewesen. Eine Unterhaltung bei Bookwire dauerte besonders lange. Der Beruf der Medienkauffrau war für Julia neu. Wo auch immer sie irgendwann landen wird: "Es hat Spaß gemacht." (Katja Sturm)

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