Flughafen Frankfurt: Jets sollen bald sauber abheben

Nahe des Flughafen Frankfurt entsteht eine Pilotanlage für sauberes Kerosin. Es soll eine Revolution der Luftfahrt antreiben.
Frankfurt -Mittel- und Langstreckenflüge, die mit elektrischer Energie aus Batterien angetrieben werden, werde es so schnell nicht geben, da ist sich Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) sicher. Auch werden sich Flüge nicht komplett durch den Schienenverkehr ersetzen oder gar ganz einsparen lassen. Für den Grünen-Politiker kann die Schlussfolgerung daher nur sein, synthetische Kraftstoffe einzusetzen, die aus erneuerbaren Energien erzeugt werden.
Minister: Das ist ein Meilenstein
Bei seinem gestrigen Besuch im Industriepark Höchst sprach er deshalb auch von einem Meilenstein. Denn eingeladen war zum ersten Spatenstich für eine Anlage, die aus Kohlendioxid und Wasserstoff flüssigen Treibstoff erzeugen soll, wie er etwa für Flugzeuge gebraucht wird. Die Anlage soll noch in diesem Jahr in Betrieb gehen und 2500 Tonnen des sogenannten E-Fuels herstellen.
Dahinter steckt Ineratec, ein 2016 gegründetes und in Karlsruhe ansässiges Unternehmen. Die Firma stellt synthetische Treibstoffe und auch Chemikalien her, die in der Industrie herkömmliche Produkte auf Kohlenstoffbasis ersetzen können. Bei den E-Fuels bietet Ineratec auch die technischen Produktionsanlagen an, und ein Pilotprojekt soll jetzt im Industriepark Höchst entstehen.
Erstmal reicht die Menge nur für 18 New-York-Flüge im Jahr
Geschäftsführer Tim Boeltken sprach auf dem Gelände der künftigen Anlage von einem optimalen Standort. Gebraucht wird für den Herstellungsprozess nämlich erstens Wasserstoff, und der fällt im Industriepark ohnehin an, als Abfallprodukt sozusagen. Ebenfalls kostenlos zu haben ist Kohlendioxid aus einer Biogasanlage nebenan - bisher entweicht das klimaschädliche Gas nutzlos in die Luft. Günstig für eine Pilotanlage ist der Standort auch wegen der Nähe zum Flughafen. Dabei spielt es weniger eine Rolle, dass dort mit dem Flugbetrieb voraussichtlich der größte Verbraucher von E-Fuels sitzt. Ohnehin deckt die voraussichtliche Produktionsmenge von 2500 Tonnen im Jahr den Bedarf am Airport lediglich für fünf Stunden oder für 18 Jumbojet-Flüge nach New York und zurück. Das fällt also einstweilen nicht ins Gewicht.
Interessenten aus der ganzen Welt erwartet
Der Flughafen ist aber ein Vorteil, weil nach Plänen Interessenten aus der ganzen Welt nach Höchst kommen sollen, um die Anlage zu besichtigen, sich zu informieren und diese Technik auch gleich zu bestellen. Geplant ist nämlich keine großtechnische Anlage, sondern eine aus vielen Modulen zusammengesetzte Fabrik. Diese Module kann man in beliebiger Stückzahl zusammensetzen und damit genau die Kapazität aufbauen, die gebraucht wird. Gedacht ist vor allem an Regionen mit viel Sonne oder mit viel Wind. Dort kann mit Solar- oder Windkraftanlagen jede Menge Strom produziert werden, der für ein Elektrolyseverfahren gebraucht wird. In diesem entsteht Wasserstoff, der wiederum nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren zum Herstellen von Kohlenwasserstoffen verwendet wird. Das Verfahren ist 100 Jahre alt, findet aber jetzt mehr Aufmerksamkeit, weil damit klimaneutrale Treibstoffe erzeugt werden können.
Technik aus dem Labor in die Großproduktion bringen
Von den ersten Arbeiten im Labor bis zum Bau einer Pilotanlage seien nur sieben Jahre vergangen, lobt auch Wirtschaftsminister Al-Wazir. Die Pilotanlage soll vor allem zeigen, dass die Technik in großem Maßstab eingesetzt werden kann. Die Module werden bereits seit dem vergangenen Sommer am Unternehmensstandort in Karlsruhe hergestellt - und deshalb kann es in Höchst mit dem Betriebsstart schnell gehen. Den soll es noch in diesem Jahr geben, und bis dahin möchte Ineratec mehr als 30 Millionen Euro verbauen.
„Es gibt eine richtige Aufbruchstimmung“, beschreibt Boeltke die Situation in der Branche, die eine wichtige Rolle spielen soll, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Al-Wazir wies auf die Größe der Aufgabe hin: Die Gesellschaft habe mit der Nutzung fossiler Brennstoffe in großem Maßstab vor 250 Jahren begonnen, das müsse nun in 25 Jahren beendet werden. Im Luftverkehr sei das besonders schwierig. Höchste Zeit also anzufangen. Der Minister vergaß natürlich nicht den Hinweis, dass die Förderung solcher Initiativen im Koalitionsvertrag festgeschrieben sei. (Manfred Becht)