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Nach Anschlag in Halle: Mahnwache vor der Frankfurter Synagoge

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Von: Sabine Schramek

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Gestern Abend gegenüber von der Westend-Synagoge. Mitglieder der jüdischen Gemeinde begegnen nach dem Gottesdienst zum Feiertag Jom Kippur den mehr als 30 Teilnehmern der Mahnwache.
Gestern Abend gegenüber von der Westend-Synagoge. Mitglieder der jüdischen Gemeinde begegnen nach dem Gottesdienst zum Feiertag Jom Kippur den mehr als 30 Teilnehmern der Mahnwache. © Foto: Leonhard Hamerski

Nur wenige Stunden nach dem Anschlag in Halle, bei dem zwei Menschen erschossen und zwei weitere schwer verletzt wurden, trafen sich mehr als 30 Frankfurter zur Mahnwache vor der Westend-Synagoge - "um zu zeigen, dass wir zusammenstehen". Auch vor dem Römer versammelten sich gut 80 Menschen.

Frankfurt - Aus Frankfurts größter Synagoge strahlt gelbes Licht auf die Freiherr-vom-Stein-Straße. Es wird gebetet. Die Straße ist von der Polizei beidseitig der Westend-Synagoge für den Verkehr gesperrt an diesem wichtigsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Gegenüber der Synagoge versammeln sich Bürger mit Kerzen und Zetteln. Darauf steht "In Solidarität", "Nie wieder!" und "Ich bin sehr traurig". 

Während aus der Synagoge Stimmen dringen, ist es draußen sehr still. Jeder zündet eine Kerze an, hält eine Hand an sie, damit der Wind sie nicht auspustet. Die Teelichte und Kerzen auf den am Boden liegenden Zetteln werden durch einen Regenschirm davor geschützt, auszugehen.

Frankfurt: Mahnwache vor Synagoge - Stadtverordnete spricht

Es sind erst einige Stunden vergangen, seitdem klar ist, dass die tödlichen Schüsse an einer Synagoge in Halle von einem rechtsextremen Täter ausgeführt wurden. Ausgerechnet an Jom Kippur. Dem jüdischen Fasten- und Versöhnungstag. Zwei Menschen wurden getötet, zwei weitere schwer verletzt. 

Der 27-Jährige hatte auch Sprengsätze vor der Synagoge abgelegt. Er versuchte, in das jüdische Gotteshaus einzudringen. "Es ist schrecklich, dass das passiert ist", sagt die grüne Stadtverordnete Beatrix Baumann. "Ich bin hier, um Solidarität zu zeigen. Um zu zeigen, dass wir zusammenstehen. Aus jeder Glaubensrichtung. Wir wollen uns schützen und bestärken."

Mahnwache vor Synagoge in Frankfurt: "Vielfältig und offen"

David Edelmann hält ebenfalls eine Kerze in der Hand. Auch er ist kein Jude. Heute trägt er eine Kippa. "Nicht nur die Polizei und die ermittelnden Staatsanwaltschaften müssen die Religionen schützen. Auch wir, als Bürger und Nachbarn, egal welcher Glaubensrichtung, müssen zeigen, dass wir zusammenstehen", sagt er. Heute sei die Mahnwache ein spontanes Symbol, "ab morgen müssen wir strukturell überlegen, wie wir alle täglich leben und zeigen, dass wir in Frankfurt vielfältig und offen sind. Und schon gar nicht antisemitisch."

 Viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde haben das Attentat nicht mitbekommen. Den ganzen Tag waren viele in der Synagoge. An Jom Kippur wird 25 Stunden lang gefastet und gebetet. Es ist ein erster Feiertag. Die Ursprünge von Jom Kippur liegen im 3. Buch Mose im hebräischen Teil der Bibel, der Tag ist vergleichbar mit dem Buß- und Bettag. 1973 griffen ägyptische und syrische Einheiten an zwei Fronten am Jom Kippur Tag Israel an. Der Krieg dauerte 40 Tage lang.

Mahnwache vor Synagoge in Frankfurt: "Eine wunderbare Geste"

Auch daran denken die mehr als 30 Teilnehmer der Mahnwache. Um 19.36 Uhr endet die Fastenzeit und das ganztägige Gebet. Aus der Synagoge kommen Gläubige, sehen sich um. Sie sind leise und ernst. Einige schauen misstrauisch auf die Gestalten auf der anderen Straßenseite und die Lichter ihrer Kerzen. Nach und nach nähern sich Frauen, Männer und Kinder. Als sie merken, dass sich die Leute versammelt haben, um ihnen zu zeigen, dass sie zu ihnen stehen, sagen sie "danke".

Eine Frau hat Tränen in den Augen. "Das bedeutet uns so viel. Eine wunderbare Geste." Ein Mann berichtet, dass seine Frau nicht wollte, dass er heute in die Synagoge geht. "Aus Angst", sagt er. "Die Kinder durfte ich auch nicht mitbringen. Sie hatte zu große Angst um sie. Aber was soll ich tun? Mich verstecken? Niemals." Auch er bedankt sich bei den stillen Menschen mit Kerzen in der Hand.

Manche Gläubige umarmen Teilnehmer. "Eine wunderbare Geste. Das brauchen wir jetzt. Diese Anteilnahme." Ein Mann bedankt sich zweifelnd. "Das ist ein schönes Zeichen, aber es reicht nicht. Die Politik darf nicht nur reden", sagt er gerührt und voller Schmerz. "Toda raba. Gmar chatima towa", sagen viele, es ist der Gruß zum Feiertag. "Danke. Möge deine Einschreibung (ins Buch des Lebens) gut abgeschlossen werden." Sie sagen es zu jenen in der Mahnwache. Auch sie haben Tränen in den Augen.

Mahnwache vor Synagoge in Frankfurt: Entsetzen über Anschlag in Halle

Auch auf dem Römerberg gibt es eine Mahnwache. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft hat dazu aufgerufen, etwa 80 Menschen sind gekommen. Uwe Becker (CDU), Frankfurts Kämmerer und Antisemitismusbeauftragter des Landes Hessen, kann selbst nicht vor Ort sein, aber er äußert sich. "Dieser feige antisemitische Anschlag ist auf das schärfste zu verurteilen. Die Tat zeigt den Hass, den Jüdinnen und Juden in unserem Land auch 74 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz erfahren, wenn sie nicht mehr und nicht weniger tun, als ihre Religion zu praktizieren. Als Reaktion sollten wir alle als Gesellschaft zusammenstehen und unsere Solidarität mit jüdischem Leben in unserem Land zeigen. Auch wenn ich heute selbst nicht vor Ort in Frankfurt sein kann, unterstütze ich diese Solidaritätsaktion und bin in Gedanken dabei. Jüdisches Leben ist Teil der Identität unseres Landes. Kein Platz für Antisemitismus."

Stephan B. soll vor seinem Angriff auf die Synagoge in Halle ein zehnseitiges Dokument im Internet veröffentlicht haben. Das berichten zahlreiche Medien. In dem Dokument bestätigt der 27-Jährige seine rechtsextremen Motive. 

Rund 900 Menschen haben vor der Westend-Synagoge in Frankfurt ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinde nach dem Anschlag von Halle. Redner hatten klare Botschaften. Klare Worte gab es in Richtung AfD

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