Gaststätte „Stalburg“ schließt: „Wieder stirbt ein Stück Frankfurt“ – Schwere Vorwürfe von Mitarbeiterin
Die 1879 gegründete Gaststätte schließt zum Jahresende. Auch dem Stalburg-Theater steht das Wasser bis zum Hals. Aber etwas Neues ist in Planung – „nordendschonend“.
Update vom Montag, 20. November, 9.42 Uhr: Nach der Nachricht, dass die Traditionswirtschaft „Zur Stalburg“ zum Jahresende ihre Tore schließt, ist die Trauer in den Sozialen Medien bei vielen groß. „Wieder stirbt ein Stück Frankfurt“, schreibt etwa ein Nutzer auf X (ehemals Twitter). „Ich bin sprachlos, so traurig“, heißt es bei einer anderen auf Facebook.
Als einen Grund für die Schließung der Traditionsgaststätte hatte Michael Herl gegenüber der FR unter anderem erklärt: „Es wird zu wenig getrunken – aber damit verdienst du das Geld.“ Bei X erklärt ein Nutzer mit Blick auf den fehlenden Getränkeabsatz: „An mir lag es nicht.“ Ein anderer sieht das Aus für die Traditionswirtschaft auf Facebook als Zeichen der Zeit: „Trinken? Wie unzeitgemäß. Digitale Arbeiterbienen sollt ihr sein. Selters euer Wein, Chiasamen euer Brot, der Bildschirm eure Bühne und am Ende IKEA euer Hades.“ Auf X heißt es derweil: „Gentrifizierung: Wo sollen die Nichtsuperverdiener:innen und die ohne fettes Erbe noch hin?“
Über 144 Jahre hatte die „Stalburg“ das Frankfurter Nordend geprägt. Für so manchen geht ein lebenslanger Begleiter verloren: „Schon als Kinderwagenbenutzer saß ich mit Mama im Sommergarten“, schreibt eine Nutzerin auf Facebook.
„Stalburg“ macht nach 144 Jahren dicht – Schwere Vorwürfe von Mitarbeiterin
Update vom Sonntag, 19. November, 13.45 Uhr: Nach Bekanntwerden der Schließung des Traditionslokals wurde seitens der Beschäftigten allerdings harsche Kritik an der Geschäftsführung laut. Das Aus liege nicht allein an der schlechten Konjunktur für Gaststätten. „Lohnkürzungen, Kündigungen per Mail, fehlende Arbeitsverträge, kein Wasser für die Mitarbeitenden während der Arbeit als Sparmaßnahme. Das alles ist im Hintergrund passiert!“, schrieb eine Mitarbeiterin auf X (ehemals Twitter).
Zudem habe der Investor „einen Geschäftsführer ohne jede Gastroerfahrung“ eingesetzt, hieß es.
Die Belegschaft will sich zusammensetzen, beraten, was die nächsten Schritte sein sollen, und dann ausführlich mit der FR sprechen. Die Geschäftsführung war am Wochenende nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Aus für die „Stalburg“: Nordend verliert eine der letzten Traditionsgastros
Erstmeldung vom Samstag, 18. November: Frankfurt - Die Traditionswirtschaft „Zur Stalburg“ schließt zum Ende des Jahres. Damit verliert das Nordend eine seiner letzten verbliebenen historisch-charismatischen Gaststätten. Vor 144 Jahren eröffnet, prägte die Gartenwirtschaft gleichermaßen das Ortsbild wie auch das Nacht- und das Kulturleben, unter anderem mit dem angeschlossenen Stalburg-Theater. Die Bühne ist von der Schließung nicht betroffen, doch geht es auch dem Theater finanziell nicht gut, wie Leiter Michael Herl am Wochenende erklärte.
Herl berichtete, die Betriebsgesellschaft „Zur Stalburg GmbH“ habe den Schritt zur Schließung wegen der aussichtslosen finanziellen Situation vollzogen – eine „vernünftige betriebswirtschaftliche Entscheidung“, wie er betonte: „Es ging nicht mehr.“ Die Gaststätte habe nicht mehr genug Geld erwirtschaftet. Den rund 25 Beschäftigten seien am Freitag die Kündigungen ausgesprochen worden.
„Stalburg“ in Frankfurt schließt: „Es wird zu wenig getrunken“
Dabei genoss die Stalburg stets einen hervorragenden Ruf. „Die Küche steht auch immer noch sehr gut da“, sagt Herl, „alles bio.“ Doch sei seit einiger Zeit – und nicht erst seit Corona – nur noch zu Spitzenzeiten viel los gewesen im Lokal. Zudem sei der Umsatz bei den Getränken zurückgegangen. „Es wird zu wenig getrunken – aber damit verdienst du das Geld“, sagt Herl. Geld, das die Gäste offenbar auch nicht mehr hätten. „Oder nicht mehr ausgeben wollen.“ So gehe es inzwischen den meisten Wirtschaften. Hinzu komme die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants, die zum Jahreswechsel wieder auf 19 Prozent steigen soll, nach der zeitweisen Absenkung während der Corona-Flaute. „Es wird viele andere auch erwischen.“

Gerade erst hat in der Kegelbahn der „Stalburg“ eine Ausstellung begonnen, die Entwürfe für eine völlig neue Gestaltung dieses Ortes zeigt. Studierende der Fachhochschule haben für einen Ideenwettbewerb vorgeführt, was alles möglich wäre. Diese Entwürfe werden nicht verwirklicht werden, aber dass sich etwas tut im Karree zwischen Glauburg- und Humboldtstraße, das steht fest. Die Gespräche sind schon ein Stück weit gediehen. „Wir werden da nordendschonend was machen“, hat Herl schon im Sommer angekündigt. Das sei unabdingbar, weil seit 50 Jahren nichts mehr an dem Bau passiert sei.
Gentrifizierung im Nordend: Stammpublikum an den Stadtrand verdrängt
Und das Theater? „Hat nichts mit der Schließung zu tun“, sagt Herl, aber dass der Theaterbetrieb grundsätzlich nicht auf Rosen gebettet ist, weiß jede und jeder in Frankfurt: Das „Stoffel“-Open-Air-Festival im Sommer ist schließlich gegründet worden, um dem Theater unter die Arme zu greifen. Hilft aber auch nur bis zu einem gewissen Grad. Immer häufiger höre er von Leuten aus dem Stammpublikum, dass sie inzwischen zu weit draußen wohnten und „mal“ zum Stoffel kämen, aber eben nicht mehr fünfmal die Woche. Auch ein Effekt der Gentrifizierung, die das Nordend für viele Normalverdienende unbezahlbar gemacht hat. „Und die, die jetzt drinnen wohnen, haben oft den Geist des Stoffels, den Spirit nicht verstanden.“ Nicht nur den. „Die verstehen halt auch nicht diese alte Hütte aus dem 15. Jahrhundert.“ Die Stalburg, seit 1415 vor Ort nachgewiesen, einst edler Landsitz.
Fürs Theater läuft eine Spendenaktion (stalburg.de). Um die gekündigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gaststätte müsse man sich keine Sorgen machen, hofft Herl: „Das sind Superleute, die finden anderswo einen Job.“ Nur halt keinen wie den in der Stalburg.
Das Gesamtprojekt Stalburg, sagt der Theatergründer und Veranda-Stammplatz-Raucher Herl, sei nicht gefährdet. „Perspektivisch tut sich ja was.“ Aber von Januar an steht das Lokal vorerst leer. Bis dahin ist noch Gelegenheit zu zeigen, wie viel ein Kneipenpublikum heutzutage trinken kann. (Thomas Stillbauer)
Fehlende Arbeitskräfte, steigende Kosten und sinkende Nachfrage bereiten Wirten Sorgen – gerade jetzt in der Hochsaison. Mehrere Hundert Arbeitnehmer fehlen.