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Polizeigewalt: Nackt in Zelle  gesperrt - Bundespolizist belastet angeklagte Kollegen

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Eine Personenkontrolle am Hauptbahnhof in Frankfurt (Symbolbild).
Eine Personenkontrolle am Hauptbahnhof in Frankfurt (Symbolbild). © picture alliance / Boris Roessler

Frankfurt: Ein leitender Beamte zeigt sich im Prozess gegen mehrere Bundespolizisten erschüttert, weil ein Tatverdächtiger nackt in eine Zelle gesteckt wurde.

Im Prozess gegen mehrere Bundespolizisten wegen gemeinschaftlicher Nötigung und unterlassener Hilfeleistung hat ein Kollege die Angeklagten am Mittwoch indirekt belastet. Das Vorgehen der Beamten, einen 21-Jährigen über mehr als zwei Stunden nackt in eine Gewahrsamszelle zu sperren, bezeichnete der 58-Jährige als „nicht erklärlich“.

Sieben aktuelle und ein ehemaliger Bundespolizist sollen laut Anklage im Dezember 2017 einen schwer verletzten Mann nackt in eine Zelle in der Inspektion des Frankfurter Hauptbahnhofs gesperrt und ihm die medizinische Hilfe verweigert haben. Zuvor hatten sie ihn in der B-Ebene kontrolliert, weil er nach Marihuana gerochen habe. Der 21-Jährige hatte Widerstand geleistet und soll dabei auch ein Messer gezückt haben. Im Zuge der Festnahme erlitt der Mann einen Rippenbruch und einen Pneumothorax. Dabei handelt es sich um eine Lungenverletzung, die der dringenden medizinischen Hilfe bedarf.

Klinik verständigte Polizei

Die angeklagten Beamten hatten am Dienstag ausgesagt, sie hätten dem Verletzten mehrfach medizinische Hilfe angeboten, dieser habe jedoch abgelehnt und nur nach Hause gewollt. Die Tatsache, dass er splitternackt gewesen sei, begründeten die Beamten damit, dies sei eine gängige Vorsichtsmaßnahme, um die Personen vor sich selbst zu schützen. Dem widersprach der 58-Jährige am Mittwoch. Die Gewahrsamsordnung sehe das nicht vor. Es sei „nicht der Normalfall“, jemanden nackt in die Zelle zu stecken. 

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Der 58-Jährige ist Leiter des Ermittlungsdienstes der Bundespolizei am Hauptbahnhof. Er selbst war am fraglichen Tag nicht im Einsatz und hatte von dem Vorfall erst gut einen Monat später erfahren. Als er dann die Videoaufnahmen aus der Gewahrsamszelle mit dem nackten und offensichtlich verletzten Mann vorgespielt bekam, sei er „erschüttert“ gewesen, sagte er damals der Polizei.

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Ebenjene Videoaufnahmen aus der Zelle schauten sich die Prozessbeteiligten am Mittwoch an. Sie zeigen den jungen Mann, der splitternackt ist, sich krümmt und sich immer wieder an die rechten Rippen fasst. Mehrmals in den zwei Stunden erscheinen Beamte in wechselnder Besetzung in der Zelle; was gesprochen wird, ist nicht zu hören. Seine Bekleidung erhält der Mann erst zur Feststellung seiner Identität wieder zurück, die Unterhose sogar erst danach. 

Polizeigewalt in Frankfurt: Ermittlungen gegen Bundespolizisten laufen

Die Beamten hatten ausgesagt, die Unterhose sei dem Tatverdächtigen verweigert worden, weil er sich damit am Türknauf seiner Zelle hätte aufhängen können. Allerdings hat die Zellentür, wie in dem Video ersichtlich ist, überhaupt keinen Knauf.

Die Ermittlungen gegen die Bundespolizisten waren ins Rollen gekommen, nachdem Mitarbeiter der Uniklinik, die den 21-Jährigen danach behandelten, das 8. Revier in Sachsenhausen verständigt hatten. Einer der Bundespolizisten, der zum Zeitpunkt des Vorfalls noch in der Probezeit war, hat seine Anstellung dadurch verloren. Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.

Von Oliver Teutsch

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