Carsten wird als der Frankfurter „Bershka“-Tänzer auf Tiktok gefeiert

In einem Frankfurter Klamottengeschäft ist regelmäßig Tänzer Carsten zu sehen. Auf Tiktok werden seine „good Vibes“ gefeiert.
Frankfurt – Ein 30-jähriger Frankfurter ist bekannt geworden, weil er statt im Club viel lieber mehrmals die Woche im Klamottenladen auf der Zeil fröhlich stundenlang tanzt. Nicht er selbst postet die Videos auf Tiktok, sondern junge Menschen, die seine „good Vibes“ feiern. Mittlerweile bitten sie ihn auch darum, mit ihm tanzen zu dürfen.
Im Frankfurter Einkaufszentrum My Zeil dröhnt im Bekleidungsgeschäft des spanischen Modelabels Bershka wie immer Popmusik aus den Boxen, die zum Shoppen motivieren soll. Wer das Erdgeschoss des Ladens betritt oder die Rolltreppe hinunterfährt, sieht sofort einen blonden, sehr schlanken Mann tanzen – mit einem glücklichen Lächeln.
Carsten geht als „Bershka-Tänzer“ aus Frankfurt auf Tiktok viral
Seit einem Jahr ist das Carstens Tanzfläche, immer an der gleichen Stelle: in der Nähe einer Säule, vor einem Spiegel. Seine kleine Umhängetasche hängt schräg über der Schulter. Für seinen Tanzstil, den der Frankfurter als eine Mischung aus Breakdance und Freestyle bezeichnet, wird er auf Tiktok seit Monaten als der „Bershka-Tänzer“ gefeiert. Das Besondere: Nicht er selbst teilt die Videos von sich. Junge Leute, die hier einkaufen, fingen irgendwann an, den „Bershka-Tänzer“ zu filmen.
In einem der ersten Videos hört man die Stimme einer jungen Frau, sie jubelt ihm zu: „Only good vibes. Geil. Ich liebe so was.“ Darunter schreibt sie: „Lasst uns den Brudi mal berühmt machen für seine good vibes.“ Unter dem Suchbegriff: „Bershka Frankfurt Tänzer“ finden sich auf Tiktok zahlreiche Videos, die betitelt sind mit Sätzen wie: „Ganz Frankfurt kennt ihn.“ Aber er wird nicht nur gefilmt: Junge Frauen und Männer bitten ihn auch, für ein Video mit ihm tanzen zu dürfen.
„Bershka-Tänzer“ wird in Frankfurt überall erkannt
Carsten, der als selbstständiger Kommunikationsdesigner arbeitet, sagt, dass er selbst erst mal gar nichts von dem Hype um ihn wusste. „Irgendwann hat mich ein Mädchen angesprochen und mir gesagt, dass ich auf Tiktok bin, und da habe ich mir das angeschaut.“ Wie findet er diesen Hype um seine Person? „Es ist interessant, wie die Menschen reagieren“, sagt er und lächelt. Er ist ein ruhiger Typ, spricht leise. Beim Gespräch ist Carsten sehr freundlich, aber auch schüchtern. Im Alltag sei er ein „introvertierter Mensch“, der auch gern zeichne oder jongliere. Seinen Nachnamen möchte der 30-Jährige lieber nicht veröffentlicht sehen.
Nicht nur im Laden wird er erkannt, sondern auch auf der Dippemess, im Hafenpark an der EZB oder auf der Freßgass, wo eine junge Frau ihn in einem Video zum Tanz auffordert und sich darüber freut, dass es „endlich“ geklappt hat.
Vor fünf Jahren erst hat Carsten das Tanzen für sich entdeckt. Videos, zum Beispiel von Chris Brown und Michael Jackson, hätten ihn inspiriert. Allein im Laden loszutanzen, sei keine Überwindung mehr. „Tanzen macht Spaß, befreit den Geist. Je öfter ich es mache, desto komfortabler wird es.“ Das gelte auch für die Momente, in denen fremde Menschen mit ihm tanzen wollten.
Aus dem Odenwald nach Frankfurt: Carsten hat selbst keinen Tiktok-Account
Im Odenwald ist er aufgewachsen, in Frankfurt lebt er seit 2014. Anders als unter den Tiktok-Videos zu lesen ist, tanzt er nicht täglich im Bershka. „Zwei- bis dreimal die Woche bin ich hier, aber dann immer für zwei, drei Stunden – mit Pausen, denn das Tanzen ist ziemlich anstrengend.“ Die meisten Menschen reagierten positiv auf ihn. Aber klar, zwischendurch gäbe es auch negative Kommentare wie: „Was ist mit dir los?“ Aber davon „lasse ich mich nicht beirren, ich tanze einfach weiter“. Er betont, dass er ein positiver Mensch sei: „Wenn man negativ denkt, ist das nicht gut für die Psyche.“
Wie aber kam er überhaupt darauf, in einem Bekleidungsgeschäft stundenlang zu tanzen? Vor einem Jahr habe er hier zum ersten Mal getanzt, es sei eine spontane Entscheidung gewesen. „Ich mochte die Musik im Laden, die Atmosphäre hat mir zugesagt und dann habe ich es einfach ausprobiert.“ Geld bekomme er dafür nicht. Seine Moves präsentiert er auch mal an der Hauptwache, aber „hier tanze ich am meisten“. In Clubs oder bei Konzerten trifft man ihn nicht: „Da ist es meist total eng und mir fehlt der Raum zum Tanzen.“ Carsten überlegt noch, ob er sich doch mal einen eigenen Tiktok-Account erstellt. Am 24. September hat er aber erst mal einen Auftritt beim Spiel der Skyliners, unter anderem mit dem Tänzer Breezy Jay, mit dem er bereits auf Tiktok zu sehen war. „Diesmal wird das eine Choreographie mit anderen Leuten. Das ist eine Herausforderung. Ich tanze ansonsten immer Freestyle.“
Momentan sei er nur unter der Woche im Bekleidungsgeschäft. „An den Wochenenden helfe ich meinen Eltern, ihren Hof zu pflastern.“ Im Odenwald sei er bislang noch nicht angesprochen worden. Ganz anders in Frankfurt. Eine Ladenmitarbeiterin sagt zu ihm: „Ich habe dir doch gesagt, du bist berühmt in Frankfurt.“ Carsten lächelt. Eine andere Kollegin meint: „Er sorgt für eine super Stimmung.“ Eingekauft habe er hier bislang aber noch nie etwas, gesteht er später und lacht. (Kathrin Rosendorff)
Auf Social Media ist allerdings nicht alles gute Laune. Die Dragqueen und Influencerin Electra Pain hat zuletzt ein queerfeindliches Video zugesendet bekommen.