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Bordell-Schließungen: Straßenprostitution nimmt zu – Stimmung droht zu kippen

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Von: Sabine Schramek

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Seit Schließung der Bordelle durch die steigenden Corona-Fallzahlen nimmt im Bahnhofsviertel in Frankfurt die Straßenprostitution wieder zu. (Archivbild)
Seit Schließung der Bordelle durch die steigenden Corona-Fallzahlen nimmt im Bahnhofsviertel in Frankfurt die Straßenprostitution wieder zu. (Archivbild) © Boris Roessler/dpa

Seit der Schließung der Bordelle nimmt im Sperrgebiet Bahnhofsviertel Straßenprostitution zu. Bordell-Betreiber und Nachbarn sind sauer. Die Stadt kämpft um Kontrolle.

Frankfurt – Es ist ein Déjà-vu. Seit der Schließung der Bordelle stehen ab mittags wieder junge Frauen in Sneakers, Leggings und knappen Oberteilen scheinbar teilnahmslos dort, wo potenzielle Kundschaft ist. Vor Geschäften, an Straßenecken und an Kreuzungen. In der Nähe der Frauen parken Autos, in denen Männer mit Handys sitzen und das Geschehen beobachten. „Das sind ihre Zuhälter“, vermutet ein Anwohner und Szenekenner. Die meisten Sexarbeiterinnen, die in Bordellen arbeiten, hätten die Stadt verlassen, um in Bundesländern zu arbeiten, wo Bordelle offen bleiben dürfen.

In einer Bar sitzen Männer beim Bier. „Die Frauen sind arbeitslos, wir sind arbeitslos und draußen geht der Punk ab“, schimpfen die Türsteher, die nichts zu kontrollieren haben. Seit Beginn der Pandemie waren Bordelle in Frankfurt 15 Monate lang geschlossen. Ende Juni durften sie unter strikten Auflagen wieder öffnen. Ein Mann spricht leise eine junge Frau auf der Kaiserstraße an. Sie nickt, lächelt und geht in eine Seitenstraße. Sie blickt sich um, bevor sie schnell in einer Eingangstür verschwindet, über der das Wort „Hotel“ steht. Der Mann tritt seine Zigarette aus und folgt. An der Rezeption bleibt keiner von beiden stehen. Genauso kurz hintereinander verlassen der Mann und die Frau nach einer Weile das Gebäude und gehen verschiedene Wege.

Frankfurt: Mehr Übergriffe und Attacken seit Schließung der Bordelle

Vor einem Supermarkt regen sich Leute in Anzügen auf. „Das sieht einfach übel aus, wenn überall die leichten Mädchen rumstehen. Das ist geschäftsschädigend“, sind sie überzeugt. Ein Arzt, der im Viertel arbeitet, sieht es genauso. „Seit die Bordelle zu sind, liest man wieder vermehrt von Übergriffen, Diebstählen und Messerattacken.“ Erst am letzten späten Donnerstagabend gab es eine riesige Prügelei unter 20 Personen mit drei Verletzten, bei der Männer mit Messern, Feuerlöschern, E-Scootern, Mülleimern, Fäusten und einem Messer mitten auf der Straße aufeinander losgegangen sind, ein Auto und Schaufenster zerstört haben. „Spät Nachts komme ich nicht mehr her“, so der Mann. „Wenn die Bordelle offen haben, ist es entspannter. Die Männer werden ihren Druck los.

Auf der Straße ist das moralische Thema größer. Zusätzlich rutscht alles ins Kriminelle. Hier ist Sperrzone für Straßenprostitution und die Sorge, erwischt zu werden, groß. Wenn Polizeiwagen zu sehen sind, wird sich versteckt oder gerannt. Das macht nervös.“

Bordell-Betreiberin aus Frankfurt zu Corona: „Wir haben uns an alle Regeln gehalten“

Nadine Maletzki betreibt ein Bordell in der Taunusstraße und ist sauer. „Wir haben uns an alle Regeln gehalten. Die Frauen haben sich impfen und boostern lassen. Mit täglichen Tests. Kontaktdaten der Kunden werden erhoben, Ausweise geprüft, keiner ist ungeimpft oder ungetestet reingekommen. Es gab keinerlei Corona-Ausbruch und wir müssen wieder schließen.“ Die Frauen, die sonst bei ihr arbeiten, sind in andere Städte gegangen, um dort zu arbeiten.

Maletzki blickt aus dem Fenster ihres Büros und sieht eine Straßenprostituierte genau vor der verschlossenen Tür ihres Bordells stehen, die auf Kundschaft wartet. „Es kann doch nicht sein, dass sichere Arbeit verboten und Illegalität gefördert wird“, sagt sie. „Hotels werden umfunktioniert in Puffs ohne irgendeine Kontrolle oder Sicherheit. Das Ordnungsamt hat da noch nie kontrolliert, ob es 2Gplus-Kontrollen oder Nachverfolgung gibt. Dabei weiß jeder, dass die Zimmer mittlerweile genauso aussehen, wie in jedem Bordell, das jetzt zu hat. Prostitution ist erlaubt, nur nicht in Bordellen.“

Frankfurt: Polizei bestätigt Zunahme der Straßenprostitution

Die Frankfurter Polizei bestätigt, dass Straßenprostitution wie bei der vorherigen Schließung zunimmt. „Wir kontrollieren wieder vermehrt im Sperrbezirk“, so ein Sprecher. Da es allerdings die Regelung gebe, dass erst nach dem dritten Verstoß ein Strafverfahren wegen Beharrlichkeit eingeleitet werden kann, bliebe es die ersten beiden Male bei einem Ordnungswidrigkeitsverfahren. „Sobald wir Verstöße dieser Art feststellen, leiten wir konsequent entsprechende Verfahren ein“, heißt es. Für die Hotelkontrollen wird auf das Ordnungsamt verwiesen.

Das bestätigt, dass Straßenprostitution nur in der Theodor-Heuss-Allee erlaubt ist. Der Sprecher der Ordnungs- und Sicherheitsdezernentin Annette Rinn (FDP) erklärt, dass „die Corona-Pandemie auch die Bedingungen für die Prostitution erschwert hat. Bordelle wurden geschlossen und die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter konnten ihre Tätigkeiten nicht mehr wie gewohnt ausführen. Ein Ausweichen in die umliegenden Hotels war einerseits die logische Folge, da sich die Szene dadurch immer mehr jeglicher Kontrolle entzog, wir betrachten wir die Entwicklung aber mit großer Sorge.“

Frankfurt: Hoffnung auf Ende der Straßenprositution nach Ende der Corona-Pandemie

Die Hotels würden kontrolliert. „Da jedoch die Bordelle bis letzte Woche geöffnet waren, ist die Zimmervermietung an Prostituierte in letzter Zeit zurückgegangen. Momentan ist wieder eine Steigerung zu beobachten, der wiederum durch Kontrollen entgegengewirkt werden muss“, heißt es. Der Magistrat beobachte mit Sorge die Situation und unterstütze das Ordnungsamt bei seiner Tätigkeit. „Das Anbahnen von Sex-Geschäften ist aber sehr schwer zu kontrollieren, da es sich bei den sogenannten ‚Anbahnungsgesprächen‘ ja auch um einfache Gespräche auf der Straße handeln könnte. Verdeckte Ermittlungen bedürfen ständig wechselnder Personen, weil sie ansonsten schnell enttarnt werden.“

Man arbeite daran, Lösungen wie Drogen, Prostitution, Kriminalität, Gewalt, Obdachlosigkeit zu erarbeiten. „Sollte die Corona-Pandemie wieder etwas abklingen und die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in die Bordelle im Bahnhofsviertel zurückkehren können, wird sich hoffentlich die Problematik der Straßenprostitution, auch in den umliegenden Hotels wieder entspannen“, erklärt der Sprecher. (Sabine Schramek)

Während der Corona-Pandemie klagen Anwohner im Bahnhofsviertel über Gewalt und Dreck.

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