Kampf um Backhaus: Demonstranten werfen Polizei überzogene Reaktion vor

Der Kampf um den Erhalt des ehemaligen Tibethauses in Frankfurt, das viele auch Backhaus nennen, ist nicht vorbei. Initiativen demonstrieren.
Frankfurt - Am Hülya-Platz wird es eng. Beim Martinszug singen Kinder "Ich gehe mit meiner Laterne" und zeigen sie stolz am Lagerfeuer. Gleichzeitig startet eine Demo vom Stadtteilbüro Bockenheim und der Initiative "Social Hub" zum Erhalt des Hauses.
Statt eine Kundgebung abzuhalten, laufen die gut 40 Demonstranten gleich los. "Wir wollen euer liebes Laternenfest nicht stören", wird über Mikrofon bekannt gegeben. Mit Trommeln, Trillerpfeifen und Fahnen ziehen die Demonstranten los. "Backhaus bleibt" heißt die Losung.
Frankfurt: Nach Besetzung - Backhaus von der Polizei geräumt
Eine Stunde lang ziehen die Protestierer friedlich durch Bockenheim bis zum Saalbau. Dort wollen sie an der Sondersitzung des Ortsbeirates zur Zukunft des Backhauses teilnehmen. Einige von ihnen waren auch bei der Hausbesetzung durch 20 Personen im Oktober dabei, die am 8. Oktober dann aber nach knapp 38 Stunden von der Polizei beendet wurde.
Claudia Rogalski, Leiterin der Polizeidirektion Nord, ist bei der Sitzung mit einem Kollegen ebenso vertreten wie der neue Hausbesitzer und Simone Zapke, Leiterin der Bauaufsicht. Drei Stunden lang wird diskutiert, gefragt und aufgeklärt.
Demo in Frankfurt-Bockenheim: Aufgeschürfte Knie - Hat Polizei überreagiert?
Die Demonstranten werfen der Polizei vor, damals überzogen reagiert zu haben. Rogalski antwortet ruhig. "Wir wussten nicht, wie viele Leute im Backhaus waren. Das Aufgebot von Einsatzkräften lag daher im unteren dreistelligen Bereich." Man habe angekündigt, gesprochen und mehrfach dazu aufgerufen, das Haus zu verlassen.
Sie räumt ein, dass beim Tragen "Fußspitzen den Boden berührt haben könnten. Man hätte aber auch die Füße benutzen können." Teilnehmer widersprechen und berichten von aufgeschürften Knien. "Ich war als Ansprechpartner vor Ort", so Rogalski. "Die Leute wurden nach Papieren zur Identifizierung durchsucht, da vom Eigentümer Strafanzeige erstattet worden ist." Einig sind sich die Teilnehmer, dass sowohl die Besetzung, als auch die Räumung nicht eskaliert seien.
Demo nach Besetzung von Backhaus in Frankfurt: Wer ist neuer Eigentümer?
Auch das Rätselraten um den aktuellen Besitzer der Liegenschaften findet an diesem Abend ein Ende. Die beiden GmbHs des Gebäude-Ensembles in der Friesengasse 13 und der Kaufinger Straße 4 hat der Architekt Holger Meyer von dem ehemaligen Eigentümer Sandberg gekauft. "Die Stadt hat auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet", sagt Meyer.

Die Demonstranten erklären derweil, dass sie versucht hätten, den ihnen bis dahin unbekannten Inhaber zu kontaktieren. An diesem Abend lernen sie ihn kennen. Sandberg, in Jeans und Jackett, stellt vor, was er plant. "Das Fachwerkhaus bleibt erhalten. Das Backsteinhaus bleibt erhalten.
Die Grundstückszufahrten in der Friesengasse bleiben erhalten, ebenso die Gebäudezugänge zum Fachwerk- und Backhaus. Ebenso die Hofstruktur mit Terrassen und Begrünung. Auch das hölzerne Zwischengebäude bleibt. Zwei Wohnungen und eine Gewerbefläche in der Friesengasse werden für zehn Jahre zur Miete erhalten." Meyer möchte selbst ins Backhaus, das vielen besser als Tibethaus bekannt ist, einziehen. "Ich liebe Bockenheim und mir liegt daran, den Charme zu erhalten", sagt der Architekt. Meyer plant fünf eigenständige Gebäude mit eigenem Charakter auf dem Gelände und sieben neue Wohnungen. "Eine davon wird meine", sagt er.
Frankfurt: Aufstockung von Backhaus - Sieben neue Wohnungen
An der Brandwand in der Kaufinger Straße plant er einen vierstöckigen Bau, der unterhalb der Brandwand abschließt. "Der Anbau wird aufgestockt für vier Zweizimmerwohnungen à 50 Quadratmetern." Kritik, dass gegen Milieuschutz und Erhaltungssatzung verstoßen wird, weist Zapke zurück. "Blockrandbebauung ist zulässig. Es werden nicht 21 Wohnungen gebaut, sondern sieben. Die Struktur des Backhauses bleibt auch bei der Aufstockung erhalten." Sie weist darauf hin, dass ein Bauvorhaben-Antrag gestellt sei. "Genehmigt ist er noch nicht." Meyer sucht das Gespräch.
"Ich wünsche mir kurzfristig einen Termin mit allen. Da kann man auch darüber sprechen, was man noch temporär für die Initiativen machen kann. Bei konstruktivem Dialog ziehe ich auch die Strafanzeige zurück."
Von Sabine Schramek
Auszeichnung für ein Wahrzeichen Frankfurts: Der Ginnheimer Spargel in Bockenheim gilt ab sofort als Denkmal. Dabei ist er gerade einmal 40 Jahre alt.