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Kritik "nicht ganz fair": Meinungen zur Kreuzfahrt einer Frankfurter Schulklasse gehen auseinander

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Schüler einer Frankfurter Schule gehen im Zuge ihrer Abschlussfahrt auf eine Kreuzfahrt.
Schüler einer Frankfurter Schule gehen im Zuge ihrer Abschlussfahrt auf eine Kreuzfahrt. © dpa/Bernd Wüstneck

Nach der Kritik, die eine Klassenfahrt mit einem Kreuzfahrtschiff ausgelöst hat, fordert der bildungspolitische Sprecher der GEW Hessen ein neues Konzept für Schulfahrten.

Frankfurt - Eine Schule, die gerade den ersten Preis bei einem bundesweiten Umwelt-Projekt abgeräumt hat, Schülerinnen und Schüler, die sich bei der Klima-Protestbewegung „Fridays for Future“ engagieren und ein Mathe-Leistungskurs, der mit einem Kreuzfahrtschiff fährt – geht das zusammen? Geht es. Bei der Carl-Schurz-Schule in Sachsenhausen.

Michael Winn, Studienleiter des Gymnasiums und Organisator des gerade in die öffentliche Aufmerksamkeit geratenen und kontrovers diskutierten Fünf-Tage-Trips, sieht darin offenbar kein Problem. Ziel der Reise soll es auch sein, sich mit dem Thema Kreuzfahrtreisen kritisch auseinanderzusetzen, gibt der Mathematik- und Physiklehrer zu Protokoll. Geplant sei deshalb, dass die 16 Schurz-Schüler während der Seereise an Bord den so genannten Umweltoffizier der Aida träfen, dem sie dann auch kritische Fragen stellen könnten.

Frankfurter Schüler machen Klassenfahrt auf einem Kreuzfahrtschiff: "Das Maß ist überschritten"

„Rein schulrechtlich dürfte das kein Problem sein“, sagt Roman George, bildungspolitischer Sprecher vom Landesverband Hessen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW). Trotzdem hält er die Entscheidung für eine Kreuzfahrt von Kiel über Oslo nach Kopenhagen und zurück als Klassenfahrt für „nicht so glücklich“. George: „Die öffentliche Kritik kann ich verstehen.“ Mit der Landesschülervertretung sei er sich einig, dass nicht allein an die Politik klimapolitische Forderungen adressiert werden müssten, sondern zukünftig auch in den Schulen zu diskutieren sei, was das für das schulische Leben bedeute. George: „Bei der Planung von Studienfahrten sollten zukünftig ökologische Gesichtspunkte sehr viel stärker berücksichtigt werden – was klar gegen eine Kreuzfahrt spricht.“

„Kreuzfahrtschiffe sind Dreckschleudern, das ist ja längst kein Geheimnis mehr“, kommentiert Eckhard Gathof, Vorsitzender des Stadtelternbeirates, die in die Kritik geratene Klassenfahrt, die seiner Ansicht nach zudem das Engagement von bei „Fridays for Future“ demonstrierenden Schülerinnen und Schülern konterkariere. Vor allem sieht er, abgesehen von ökologischen Kriterien, mit der Entscheidung für eine Kreuzfahrt einen Standard für Klassenfahrten gesetzt, der nach seiner Ansicht jedes vernünftige und vertretbare Maß übersteige.

„Die Entscheidung für diese Klassenfahrt ist vor etwa einem Jahr gefallen“, weiß Alix Puhl, neu gewählte Vorsitzende des Schulelternbeirates an der Carl-Schurz-Schule. Sie selbst war also nicht beteiligt an dem Entscheidungsprozess. Alix Puhl sagt, die Interessen der bei „Fridays for Future“ demonstrierenden Jugendlichen habe man gar nicht berücksichtigen können. „Weil es die Bewegung noch nicht gab“, so Puhl. Über die Idee mit dem Kreuzfahrtschiff könne man streiten, indessen habe diese Reise auch Vorteile.

Vorsitzende des Schulelternbeirates: Kritik an Kreuzfahrt „nicht ganz fair“

Der Preis mit 390 Euro pro Person für Kreuzfahrt mit Vollverpflegung auf der Aida, Zugtransfer von Frankfurt nach Kiel und zurück sowie Eintrittspreis für das Wissenschaftsmuseum „Experimentarium“ in Kopenhagen sei unschlagbar und läge noch deutlich unterhalb der im Landeserlass definierten Maximalsumme von 450 Euro. „Die Idee, viele Länder und Ziele in relativ kurzer Zeit sehen“, sieht Alix Puhl als weitere Attraktivität der Kreuzfahrt. Während der fünf Reisetage haben die Zwölftklässler sieben Stunden Landgang in Oslo und in Kopenhagen einen ganzen Tag, die übrige Zeit verbringen sie an Bord der Aida auf See. 

Das, sagt Alix Puhl, könne sich als Gemeinschaftserlebnis für die Schülerinnen und Schüler besonders intensiv und positiv auswirken. „Auf dem Schiff verbringen die Kinder mehr Zeit miteinander als zum Beispiel auf einer Kursfahrt nach Berlin“, ist sich die Elternvertreterin sicher. Außerdem: „Auf dem Schiff können die Kinder nicht abhauen, keinen Alkohol trinken und sich keine Drogen besorgen.“ Die mediale Aufmerksamkeit und Kritik, die die Schule wegen der Kreuzfahrt nun auf sich ziehe, finde sie „nicht ganz fair.“

Arbeitsbedingungen im Hotel- und Gastronomiebetrieb auf der Aida eher schlecht

Die Schiffe mit dem Markennamen Aida, erkennbar durch den markanten Kussmund am Bug, fahren unter italienischer Flagge. Das hat einen Grund: Schiffseigner müssen in Italien keine Lohnsteuer zahlen. Auf dem Schiff unterliegen Passagiere und Besatzung italienischem Recht.

Die Arbeitsbedingungen im Hotel- und Gastronomiebetrieb der Kreuzfahrtschiffe Beschäftigten sind laut Untersuchung von Stiftung Warentest eher schlecht.

„Unter Deck herrscht eine Zweiklassengesellschaft“, geben die Tester in Heft 1/2019 bekannt. Die wenigen höher qualifizierten Angestellten, wie zum Beispiel ein Versorgungsoffizier, blieben nicht länger als drei Monate an Bord. Sie seien meist EU-Bürger. Weiter heißt es: „Küchen- und Deckhilfen, ergab unsere Untersuchung, verpflichten sich neun bis elf Monate am Stück. 

Sie verdienen weniger und erhalten vom Arbeitgeber nach Verlassen des Schiffes keine soziale Absicherung.“Der Mathe-Lehrer Michael Winn zeigt sich begeistert von dem Schnäppchen-Preis, den Aida Cruises für den fünftägigen Skandinavien-Trip berechnet. Er habe „offen mit den Schülern über das Thema gesprochen“, lässt er wissen. „Das war ein demokratischer Prozess.“ Am Ende habe es nur eine Schülerin gegeben, die gegen die Reise war. Sie fahre dennoch mit.

Von Sylvia A. Menzdorf

Andere Frankfurter Schulen reisen bei ihren Klassenfahrten ins Ausland mit Bus und Bahn. Ein Kreuzfahrtschiff ist hier eher die Ausnahme. Es gibt jedoch noch eine andere Alternative. Doch die schneidet in Punkto Klimaschutz auch nicht gut ab.

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