„Gossensprache“: In Frankfurt weist eine Gruppe subtil auf die Corona-Regeln hin

Die Sportjugend Frankfurt geht auf Menschen im Hafenpark zu und erinnert sie an die Regelungen und Maßnahmen in der Corona-Pandemie.
Frankfurt – Kurz nach 21 Uhr ist nicht mehr viel los im Hafenpark. Zwei junge Männer nuckeln auf dem Rasen sitzend an einer Wasserpfeife. Ein gemischtes Quartett hat es sich für einen Umtrunk mit Fruchtsafttüten auf Decken gemütlich gemacht. Von der Unterführung an der Eisenbahnbrücke wehen leise Salsaklänge herüber; dort tanzen sich Paare den kühlen Frühlingsabend warm.
Die Mitarbeiter der Sportjugend Frankfurt, die an diesem Samstag (20.03.2021) hier zum zweiten Mal hintereinander das Gespräch mit dem Publikum gesucht haben, befinden sich bereits auf dem Rückzug. Michael Schrimpf und Ümit Vural sind das einzig noch verbliebene Duo von etwa 20 Übungsleitern, die sich bereit erklärt hatten, ab dem Nachmittag bis in die Nacht hinein vor Ort zu sein.
Corona in Frankfurt: Sportjugend begegnet jungen Erwachsenen „auf Augenhöhe“
Der Einsatz ist mit der Polizei abgestimmt und soll deren Präsenz ergänzen. Er ist eine Reaktion auf die Ansammlungen und die Räumung des Hafenparks vor zwei Wochen. Die Sportjugend-Vertreter sind nicht für Kontrollen der Corona-Regeln oder gar Bestrafungen zuständig. Sie begegnen den Jugendlichen und jungen Erwachsenen „auf Augenhöhe“, sagt Schrimpf. Sie fragen, was sie bewegt, und weisen nebenbei, als Tipp verpackt, auf die Bestimmungen hin. Zusätzliche Masken haben sie für den Bedarf dabei.
Unter den etwa 250 bis 300 Personen, die an diesem Tag den beliebten Treffpunkt aufsuchten, hat Vural einige bekannte Gesichter gesehen. Der 35-Jährige war früher selbst Teilnehmer bei den Mitternachtsangeboten der Sportjugend; heute leitet er sie. Doch seit einem Jahr sind Fußball oder Basketball in der Halle verboten. Viele weichen auf Outdoor-Anlagen wie die im Hafenpark aus.
Solange nur Einzelne auf Tor- oder Korbjagd gehen, lässt man sie gewähren. Wenn sich die Plätze füllen, werden sie gesperrt. „Wir greifen ein, solange die Gruppen noch nicht zu groß sind“, sagt Schrimpf. Dann könne man noch etwas bewirken.
Corona in Frankfurt: Die gleiche Sprache sprechen
Den Zugang erleichtert, dass bei den Ehrenamtlichen mehrere Nationen vertreten sind. Vural etwa, obwohl in Deutschland geboren, spricht seiner Herkunft gemäß Türkisch. Auch die „Gossensprache“, sagt er. So baue er schneller „einen Draht“ auf zu Leuten, die einen ähnlichen Migrationshintergrund wie er selbst haben. Wenn Leute um eine Shisha herum lagern, frage er nach dem Geschmack, plaudere über die besten Bars. Erst nach einigem Hin und Her lasse er fallen, dass Grillen und Glühen am Main verboten ist. Quasi als gut gemeinter Ratschlag.
In der Regel seien die Reaktionen positiv. Die Auswärtigen wüssten gar nicht, was sie in Frankfurt machen dürfen und was nicht. Sollte jemand aufbegehren, „gehen wir auf Distanz“, sagt Schrimpf. Sich nicht selbst in Gefahr bringen, lautet die Devise. Dabei müsse man geschickt vorgehen. Einen Vorwand finden, damit man einer Eskalation aus dem Weg geht – sich nicht einfach umdrehen und verschwinden.
Die beiden Sportjugend-Mitarbeiter verstehen, dass sich die Menschen zusammenfinden. „Wo sollen sie sonst hingehen?“, fragt Vural. Seit einem Jahr gebe es kaum Möglichkeiten, seine Freizeit außerhalb der eigenen Wohnung zu verbringen. „Einige haben Ideen, was man machen könnte.“ In den Hallen Fußballtennis spielen oder beim Zirkeltraining schwitzen statt zu kicken, damit man sich nicht zu nahe kommt. Aber nach aktuellem Stand stehen die Sportstätten für derartige Aktivitäten nicht zur Verfügung. Zu später Stunde auf den Bolzplätzen zu spielen, das störe die Anwohner.
Corona in Frankfurt: Feedback-Treffen geplant
Erst kurzfristig hatten die Helfer erfahren, dass sie sich am Freitag und Samstag zwecks Beruhigung der Lage engagieren sollten. Am Mittwoch (24.03.2021) wird es ein Feedback-Gespräch geben. Schrimpf und Vural würden es begrüßen, wenn das Pilotprojekt weitergeht. Sobald die Temperaturen steigen, da sind sich beide sicher, werden viel mehr Leute auf die Freifläche strömen. Dann dürfte es hier weniger ruhig zugehen.
Auch mit einem Wechsel der Hauptklientel ist zu rechnen. Stellten diesmal Familien die Mehrheit, die am Nachmittag Spaß haben wollten, blieb das Party-Publikum weitgehend aus. Einige junge Männer und Frauen füllten auf der Sonnemannstraße im Licht ihrer Smartphone-Lampen heimlich ihre Trinkbehälter mit verbotenem Alkohol. Am Ufer waren sie später nicht zu sehen.
Es spreche sich in der Szene herum, wenn die Beamten verstärkt die Corona-Regeln in Frankfurt kontrollieren, erklären die Sportjugend-Vertreter. Vielleicht schreckte aber auch der VW-Bus der Polizei ab, der mit Blinklicht im Westen des Hafenparks stand. (Katja Sturm)