Ausstellung "Wohnen für alle" im DAM - Bauen ist oft noch zu teuer

Die Ausstellung Wohnen für alle im DAM in Frankfurt zeigt, dass Bauen oft zu teuer ist. Das müsste sich ändern.
Frankfurt - Probleme sind dazu da, gelöst zu werden, sagt man gern so locker. Aber wie lösen? Oft hilft ein Blick in die Vergangenheit, auch wenn die Wohnungsnot vor 100 Jahren viel dramatischer war als heute. Doch der Architekt Ernst May schaffte es, von 1925 bis 1933 rund 15 000 Wohnungen zu bauen, verteilt auf 23 Siedlungen im ganzen Stadtgebiet von Frankfurt. Da fragt sich jeder, weshalb das heute nicht mehr funktioniert, obwohl wir doch dank technischem Fortschritt vieles noch schneller und preiswerter produzieren könnten.
Denn schon May setzte mit seinen renommierten Mitstreitern auf serielle Bauten, aber auch auf eine streng normierte und typisierte Inneneinrichtung, vom banalen Türdrücker bis zur heute berühmten "Frankfurter Küche". In der Abteilung für Typisierung waren allein 60 Mitarbeiter beschäftigt. Freilich besaß May auch eine immense Machtfülle und konnte nach Belieben schalten und walten.
Das könnte man heute so nicht mehr machen, zu groß wäre der Aufschrei über das zutiefst undemokratische Vorgehen. Heute müssen alle Einwände objektiv geprüft und eventuell berücksichtigt werden, um sich vor Klagen zu schützen. Wie kompliziert alles geworden ist, zeigt die Tatsache, dass sich in Frankfurt allein vier Dezernate beim Wohnungsbau abstimmen müssen, nämlich Planen und Wohnen, Bau und Immobilien, Verkehr sowie Umwelt - umständlicher geht's nicht.
DAM: Ausstellung "Wohnen für alle"
Da kommt die Ausstellung "Wohnen für alle" im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt (DAM) gerade richtig, um zu zeigen, dass auch heute günstiger Wohnraum entstehen kann, trotz vieler Abstimmungsprobleme innerhalb der Dezernate. Bei dem international ausgeschriebenen Wettbewerb haben sich vor einem Jahr 107 Architekten mit 131 Projekten beworben. Die wurden alle bereits andernorts realisiert, es handelt sich also nicht um Luftschlösser.
Kürzlich wurden vier Preisträger gekürt, die jetzt nach einer Unterbrechung vom 5. bis zum 23. Juni im DAM ihre Projekte größer vorstellen. Diese Projekte sollen im Neubaugebiet Hilgenfeld am Frankfurter Berg auf vier Baufeldern realisiert werden, neben 850 Mietwohnungen für 2000 Menschen. Aber ob es beim Baubeginn Anfang 2020 bleibt? Freilich ist das wohl das geringste Problem, gibt es doch viele andere Hürden, die typisch für das heutige Bauen sind.
In Deutschland fehlen pro Jahr 400 000 neue Wohnungen, laut einer Berechnung des Pestel-Institutes. In Frankfurt sind es etwa 6700 Wohnungen pro Jahr, wie der Magistratsbericht von 2017 zeigt. Die Stadt ist attraktiv, es gibt Zuzüge aus ländlichen Regionen, aus dem europäischen Ausland, aus Krisengebieten - und Frankfurt ist attraktiv für Kapitalanleger.
Wohnungskrise: Strenge Bauvorschriften
Das zweite große Problem sind die strengen deutschen Bauvorschriften. Dieses Regelwerk, man darf auch getrost von Überregulierung sprechen, treibt die Kosten in die Höhe und lässt kaum Raum für Experimente. Müssen etwa so viele Pkw-Stellplätze sein? Das eigene Auto hat in der Stadt sowieso keine Chance mehr.
Immerhin geht es um preiswerte Mieten, die im Monat nur 11,80 Euro pro Quadratmeter betragen sollen. Folglich dürfen die Baukosten nicht 1800 Euro pro Quadratmeter übersteigen. Das ist bei den jetzigen Vorgaben kaum einzuhalten, und einige Preisträger sollen schon hinter vorgehaltener Hand gemurrt haben, dass sie das nicht schaffen.
So werden auch eher alte Ideen aufgegriffen. Das Züricher Büro Duplex Architekten hat einen langen Riegel entworfen und dessen Erschließung nach außen verlegt. Der Bau wird also auf allen Etagen von Laubengängen gesäumt - das spart Platz für weitere Wohnungen, zudem werden viele Quadratmeter nicht teuer zubetoniert. Die Laubengänge, die schon Ernst May in Frankfurt erprobte, hat auch das Büro NL Architects aus Amsterdam für seinen Terrassenbau übernommen.
Das Frankfurter Duo Schneider und Schumacher hingegen hat sich von seiner Wiener Dependance einen Wohnkomplex mit zwei Flügeln entwerfen lassen, die gemeinsam öffentliche Flächen im Erdgeschoss teilen, bis hin zum Erschließungskern. Lacaton & Vassal aus Paris schließlich haben bereits an einem Hochhaus die Balkone einfach zum Wohnraum umgewidmet.
Dam-Chef Peter Schmal: Spagat zwischen Qualität und niedrigen Baukosten
Diese Vorschläge sind alle schön und praktikabel, packen aber das eigentliche Übel des teuren Bauens nicht an der Wurzel. Doch daran seien nicht die Kollegen schuld, meint der Frankfurter Architekt Stefan Forster. Die Architekten könnten nur minimal zur Senkung der Baukosten beitragen, gefordert sei die Politik, endlich die Bauvorschriften zu lockern.
Das sieht DAM-Chef Peter Schmal anders, obwohl er die Kritik an den technischen Verordnungen und an den hohen Bodenpreisen teilt. Da an der jetzigen Schau die "wichtigsten europäischen Wohnungsbauarchitekten" beteiligt seien, hält er dagegen: "Architekten können Inspirationen erzeugen durch ihre Vorbilder andernorts und durch ihre nun in Frankfurt entstehenden Bauten. Nur realisierte Bauten können am Ende beweisen, dass architektonische Qualität möglich ist, auch bei herausfordernd niedrigen Baukosten."
Freilich macht auch der Staat mit dem Hauskauf gute Kasse. War bis zum Jahr 2006 die Grunderwerbssteuer bundesweit auf 3,5 Prozent gedeckelt, darf das seither jedes Bundesland selbst entscheiden - und hat an der Preisschraube gedreht. Hessen fordert 6 Prozent, andere Länder teils weniger (Bayern 3,5), teils mehr (unter anderem Thüringen 6,5). Wer in Frankfurt ein Reihenhaus mit viel Glück für 350 000 Euro erwirbt, muss an den Staat nochmals 21 000 Euro zahlen. Für was eigentlich? Der Eintrag beim Grundbuchamt kostet extra, plus Notar.
Von Christian Huther
Die Ausstellung Wohnen für alle im DAM
Deutsches Architekturmuseum, Schaumainkai 43, Frankfurt. Wieder vom 5. bis 23. Juni, Di und Do bis So 11-18 Uhr, Mi 11-20 Uhr. Eintritt 9 Euro, Katalog 24 Euro. Telefon (069) 212-388 44. Internet www.dam-online.de
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